Starnberg:Fast täglich ein Einsatz im Flüchtlingsheim

Mal sind es Lappalien, mal richtige Raufereien: Die Polizisten im Landkreis Starnberg müssen immer öfter Streitigkeiten unter Asylbewerbern schlichten. Dabei geht es im Fünfseenland noch vergleichsweise harmlos zu

Von Astrid Becker und Christian Deussing, Starnberg

Es ist eine anstrengende Nacht für die Polizei: Mehrmals werden in den frühen Morgenstunden des 25. Februar die Beamten zu Einsätzen in Flüchtlingsunterkünften gerufen. In Tutzing und Feldafing war es zu Schlägereien gekommen. Der Leiter der Polizeiinspektion Starnberg, Bernd Matuschek, nennt diese Einsätze die bislang schwersten in diesem Jahr; die Zahl der Vorfälle im Zusammenhang mit dem Thema Asyl habe sich gravierend erhöht auf mittlerweile einen pro Tag. Die Belastungsgrenze der Beamten sei ohnehin überschritten, eine bessere personelle Ausstattung aber so schnell nicht in Sicht.

Etwa 50 Beamte sind derzeit in der Polizeiinspektion Starnberg eingesetzt, darunter Kommissare, Ermittler und sogenannte Verfügungsbeamte. Das Gros allerdings wird wohl aus Polizisten bestehen, die auf Streife gehen und im Schichtbetrieb arbeiten. Genaue Angaben dazu macht Matuschek nicht. Klar ist jedoch, dass es für viele Dienststellen immer schwieriger wird, den Schichtdienst über 24 Stunden zu besetzen. Starnberg schaffe das derzeit noch und habe im vergangenen Jahr die Zahl der Überstunden sogar reduzieren können, sagt Matuschek: "Auf derzeit etwa 25 Stunden pro Person." Doch dabei wird es kaum bleiben, auch wenn im Landkreis Starnberg im Vergleich zu anderen Regionen recht wenig passiert.

Bis zum Jahresende, so die Prognose, werden 4000 Asylbewerber im Landkreis leben, derzeit sind es 1842. Je mehr Menschen es werden, je mehr Unterkünfte fertiggestellt sind, desto schwieriger wird es offenbar für die Polizei. Matuschek gibt ein Beispiel: "Denken Sie doch mal an die Leichtbauhalle, die in Höhenrain gebaut wird. Das ist der westlichste Zipfel unseres Zuständigkeitsgebiets. Wenn dort etwas passieren sollte und zeitgleich aber auch etwas in Tutzing, wie soll das gehen?" Schon jetzt muss die Polizei Prioritäten setzen je nach der Schwere eines Vorfalls. Geht es etwa um Körperverletzung, so wird diese Vorrang haben vor einem Auffahrunfall. "Die Bürger müssen sich darauf einstellen, in solchen Fällen länger auf die Polizei warten zu müssen", sagt Matuschek.

Reicht das eigene Personal nicht aus, werden andere Dienststellen um Unterstützung gebeten, - zum Beispiel die Gautinger Inspektion, die ebenfalls, obwohl recht klein, immer wieder in Nachbargemeinden einspringt. Dabei muss sie selbst immer wieder Strafanzeigen in den relativ großen Unterkünften in ihrem Gebiet aufnehmen. Zuletzt war es zu einem Streit in einer Küche in der Ammerseestraße gekommen, weil Flaschen nicht weggeräumt waren. Derzeit sei es aber recht ruhig, sagt Dienstgruppenleiterin Andrea Gottschalk.

Auch die Germeringer Polizei hilft in Starnberg oder Herrsching aus, wie deren stellvertretender Chef Andreas Ruch bestätigt: "Weil wir im Vergleich zu anderen Dienststellen noch relativ gut zu Rande kommen." Das aber mag unter anderem auch daran liegen, dass es im Einsatzgebiet der Inspektion, die für Gilching zuständig ist, bislang noch friedlich zugeht, was Asylbewerberunterkünfte betrifft. Derzeit leben etwa 90 Flüchtlinge in Gilching in dezentralen Unterkünften.

Nach Ansicht der Polizei liefert diese Art der Unterbringung weniger Anlass für Konflikte als große Unterkünfte, in der verschiedene Kulturen und Mentalitäten auf engem Raum aufeinandertreffen. Auch in Gilching wird dies der Fall sein. Bis zum Jahresende sollen dort bis zu 600 Flüchtlinge leben, bis zu 200 davon in einer bisher noch leer stehenden Traglufthalle. Konflikte sind da laut Polizei programmiert. Gründe für Auseinandersetzungen gibt es viele: Alkoholkonsum oder "ganz normale zwischenmenschliche Konflikte", wie der Starnberger Dienststellenleiter Matuschek, sagt, wenn beispielsweise der eine schlafen wolle, während ein anderer noch laut Musik hört. Auch dies gehört dann zu den Aufgaben der Polizei, solche eher harmlosen Streitigkeiten zu schlichten.

Mehr Personal wünschen sich wohl alle Dienststellenleiter. Ein Problem bei den Einsätzen sei die Identifizierung der Asylbewerber, sagt Herrschings Polizeichef Erich Schilling. Ihm zufolge gibt es einige, die nicht auf Listen stehen, weil sie woanders untergebracht sind. Vier Asylbewerber sind aber auch ganz aus dem Landkreis verschwunden. Um ihren Verbleib muss sich die Polizei ebenfalls kümmern.

Das ist angesichts der personellen Situation nicht immer einfach. Sechs seiner Beamten habe er schon verloren, erzählt beispielsweise Matuschek. Stellen, die bislang nicht mehr besetzt worden sind. Aussicht auf eine kurzfristige Änderung dieser Situation besteht offenbar nicht, sagt er: "Die Polizei bekommt zwar mehr Personal, es dauert aber zwei bis drei Jahre, bis wir hier an der Basis davon profitieren."

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