Starnberg:Familienvater rettet 150 Jahre alte Buche

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Der 41-jährige Komponist Markus Lehmann-Horn legt sich unter den geschützten Baum am Schlossberg, als die Fäller kommen. Immer wieder greifen Eigentümer in der Stadt zur Kettensäge.

Von Christian Deussing, Starnberg

Geschockt läuft Markus Lehmann-Horn hinüber zum Nachbargrundstück und legt sich unter die mächtige etwa 150 Jahre alte Buche an der Starnberger Schlossbergstraße: Mit dieser beherzten Aktion am Donnerstagvormittag verhinderte der Komponist, dass der 25 Meter hohe Baum gefällt wird. "Das wäre rechtswidrig gewesen", sagte der empörte 41-jährige Familienvater und alarmierte sofort die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt. Deren Fachreferent Peter Drefahl eilte zum Areal und stoppte vorerst die geplante Fällung des ortsbildprägenden Baumes, an dem bereits einige Äste von einer beauftragten Firma abgesägt worden waren. Auch deren Mitarbeiter wunderten sich, dass sie so eine Buche umlegen sollten.

Es gebe zwar in Starnberg keine Baumschutzverordnung, sagt Drefahl. Er verweist aber auch das geltende Ortsrecht, bei dem dieser Baum im gültigen Bebauungsplan als "zu erhalten" deklariert werde. Deshalb benötige der Eigentümer für die Fällung eine Genehmigung. Eben diese liege nicht vor, bestätigte das Starnberger Rathaus auf Anfrage. Denn der Eigentümer müsse erst einen Fällantrag stellen und einen Gutachter einschalten, der den Baum wegen möglicher Schäden und auf seine Sicherheit hin zu untersuchen habe. Das werde nun alles genau geprüft.

Im Bebauungsplan ist die Buche als "zu erhalten" verzeichnet und geschützt. Dennoch sollte sie fallen. Das aber hat der Nachbar Markus Lehmann-Horn verhindert - indem er sich unter den Baum legte. (Foto: Georgine Treybal)

Der fast 90-jährige Eigentümer wird von dem Rechtsanwalt Andreas Henning betreut. Er versicherte, von der Antragspflicht und dem Hinweis aus dem Bebauungsplan in dem Gebiet nichts gewusst zu haben. Er sei von dem besagten Nachbarn vor einem Monat davon unterrichtet worden, dass Äste abgebrochen und auf dessen Grundstück gefallen seien.

Er habe doch die Verantwortung, das nichts passiere und Kinder von Nachbarn nicht gefährdet würden, betonte Henning auf Anfrage. Der Anwalt gibt an, dass die Buche deshalb untersucht worden sei. Ein Rückschnitt würde laut Henning etwa 1300 Euro kosten und eine Fällung ebenso. Die Lebensdauer habe dieser Baum seiner Ansicht ohnehin erreicht, überdies würde an selber Stelle ein neuer Baum gepflanzt werden, sagt der Betreuer des Eigentümers.

Die Buche mit zweistämmigem Aufbau habe sicher "altersbedingt gewisse Probleme", der so genannte Zwiesel sei auch schon einmal gesichert worden, berichtet Fachreferent Drefahl. Es könnte Holz aufweichen. "Dieser Baum ist nicht mehr ganz top, aber auch nicht krank", meint der Experte nach einer ersten Erkundung. Ein Sachverständiger müsse nun prüfen, ob eine Pflege und Reparatur noch ausreichten oder die radikale Lösung doch nicht mehr vermeidbar sei, erläutert Drefahl von der Naturschutzbehörde.

Der Baum ist schon von weitem sichtbar: Die Buche thront in der unmittelbaren Nachbarschaft der Kirche St. Josef auf dem Starnberger Schlossberg. (Foto: Georgine Treybal)

Dass dieser prächtige Baum überhaupt noch lebt, ist nur dem Nachbarn zu verdanken. Der beteuert, den Rechtsanwalt schon mehrfach darauf hingewiesen zu haben, dass diese Buche im Bebauungsplan vermerkt sei. Lehmann-Horn hat nun den Verdacht, dass mit der Fällaktion "vollendete Tatsachen geschaffen werden sollten". Dass ständig Blätter der Buche auf seine nahe Terrasse hinüber wehen, stört den Starnberger nicht. "Sie spricht zu uns und spendet auch Schatten", sagt seine Ehefrau Sibylla und lächelt.

In der Nachbarschaft geht Helga Münch mit ihrem Hund spazieren. Als die Anwohnerin von der Baumgeschichte erfährt, ist sie entsetzt. Es gehe doch auch um den Klimaschutz, betont die 60-jährige Winzerin und bedauert, dass in Starnberg ständig Bäume auch auf Grundstücken gefällt würden. Das falle ihr bereits seit einiger Zeit auf ihren Spaziergängen negativ auf, klagt sie und geht weiter.

Dass auf dem Areal an der Schlossbergstraße noch eine alte Birke und eine hohe Fichte in den nächsten Tagen gefällt werden sollen, ist aber rechtlich offenkundig kein Problem - beide Bäume sind nicht im Bebauungsplan registriert.

© SZ vom 20.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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