Bahn, Tunnel, Sondersitzungen:Die Vorwürfe der Landesanwaltschaft

Bahn, Tunnel, Sondersitzungen: Vertreter der Anklage gegen Eva John: Oberlandesanwälte Robert Kirchmaier und Bettina Meermagen.

Vertreter der Anklage gegen Eva John: Oberlandesanwälte Robert Kirchmaier und Bettina Meermagen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Um diese fünf Themen dreht sich die Anklage gegen Starnbergs Bürgermeisterin Eva John. Ihre Rechtsanwälte weisen alle Vorwürfe zurück.

Von Peter Haacke

Nur einen Bruchteil der bislang bekannt gewordenen Vorwürfe gegen die Amtsführung von Starnbergs Bürgermeisterin Eva John hat die Landesanwaltschaft am Mittwoch in der mündlichen Verhandlung am Verwaltungsgericht erörtern lassen können. Die Vertreter des Freistaats hatten seit August 2017 ermittelt und ein Jahr später Disziplinarklage gegen John erhoben. Die zu verhandelnden Punkte beschränkten sich daher auf Ereignisse aus den Jahren 2017 und 2018. Der juristische Beistand Johns - zwei Rechtsanwälte der Münchner Kanzlei Seufert - versuchten, die Vorwürfe zu entkräften. Im Fokus stand der Vertrag der Stadt Starnberg mit der Deutschen Bahn. Bei den übrigen Punkten wurde lediglich auf die jeweiligen Schriftsätze zwischen den Parteien verwiesen, die am Verwaltungsgericht vorliegen.

Bahnverträge

Am gravierendsten sind aus Sicht des Landesanwaltschaft die Vorwürfe gegen John im Zusammenhang mit den 1987 geschlossenen Verträgen mit der Bahn: Im Juli 2016 hatte der Stadtrat beschlossen, angesichts einer gesetzten Frist bis Ende 2017 ein Gutachten anfertigen zu lassen, um die Folgen eines Nichterfüllens des Vertrags durchleuchten zu lassen - ein 110-Millionen-Euro-Projekt. Im Vertrag geht es um die Verlegung der Gleise und die Übereignung von Bahn-Grundstücken an die Stadt. Der Stadt droht bis zum heutigen Tag eine Schadenersatzklage, eine Mediation mit der Bahn steht vor dem Abschluss.

Doch erst im April 2017 gab John das Gutachten in Auftrag. Ein halbes Jahr später wurde es im Stadtrat mündlich präsentiert, das Schriftstück blieb unter Verschluss. Erst auf Druck der Rechtsaufsicht wurde den 30 Stadträten im Dezember an nur zwei Tagen Einsicht in ein Exemplar gewährt. Bereits zuvor hatte es ein Gespräch zwischen John und Bahn-Vertretern gegeben, über dessen Inhalt der Stadtrat aber nicht informiert wurde; ein Gesprächsprotokoll blieb unter Verschluss. John betonte, das Treffen sei lediglich ein Kennenlerngespräch gewesen. Zudem sei die Bahn informiert gewesen, dass die Stadt nicht in der Lage sei, das Projekt zu finanzieren.

Nach Ansicht der Landesanwaltschaft ist die Bürgermeisterin den Beschlüssen des Stadtrates nicht oder nicht hinreichend nachgekommen. John habe die zur Information der Stadträte dringend erforderlichen Schriftstücke "bewusst und gewollt" nicht herausgegeben. Die Verteidiger dagegen verweisen auf eine "Flut von Beschlüssen". Sie sehen "keine objektiven Merkmale dafür, dass Beschlüsse willentlich nicht vollzogen wurden".

"Centrum"

Für einen mittleren fünfstelligen Betrag - so der Mehrheitsbeschluss des Stadtrats - hätte John Teile des "Centrums" in Nachbarschaft des Rathauses erwerben sollen - auch wegen der Raumknappheit. Doch John hielt den Beschluss für rechtswidrig, beanstandete ihn bei der Rechtsaufsicht aber erst zu einem Zeitpunkt, als das "Centrum" längst verkauft war.

Tunnel-Gesprächsprotokoll

"Tunnel bauen, Umfahrung planen" lautete der Mehrheitsbeschluss im Februar 2017. Um umfassend über die Gründe zu informieren, sollte das Protokoll aus dem entscheidenden Gespräch mit Vertretern der Obersten Baubehörde an alle Starnberger Haushalte versandt werden. Bei der Entscheidung darüber war aber ein Stadtrat zu Unrecht von der Abstimmung ausgeschlossen worden, wie ein Gericht feststellte. Der Stadtrat bekräftigte daraufhin seinen Beschluss, doch erst 2018 wurde das Papier versandt.

Sondersitzungen

Obwohl nur sechs von 30 Stadträten anwesend sind, eröffnet John am 3. November 2017 um 9 Uhr eine Sondersitzung zum Thema "Verkehr" und lässt abstimmen, obwohl das Landratsamt schon vorab erklärt hat, dass die Beschlüsse rechtswidrig sind. Gegen massiven Protest der meisten Stadträte setzt John die Sitzung zwei Wochen später erneut um 9 Uhr in der Musikschule an. Erst im dritten Anlauf findet die Sitzung regulär am 27. November statt.

Replik

Den SZ-Jahresrückblick 2017 ("Verzögert, verweigert, verfahren") erwidert John mit der Replik "Ereignisreich, engagiert, entschlossen", die sich auch auf der Homepage der Stadt fand. Die Landesanwaltschaft sieht darin einen Verstoß gegen die Pflicht zur unparteiischen Amtsführung, weil sie Stadträten darin rechtswidriges Handeln unterstelle.

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