Süddeutsche Zeitung

Energiewende:Hier entsteht die größte Solaranlage im Landkreis Starnberg

Die Module auf den Dächern des Wörthseer Unternehmens Soyer könnten 130 Haushalte mit sauberem Strom versorgen. Die Chefs wollen damit auch Geld sparen.

Von Christine Setzwein

Mit der Fotovoltaikanlage, die gerade auf den Firmengebäuden der Heinz Soyer Bolzenschweißtechnik in Etterschlag entsteht, könnten 130 Vier-Personen-Haushalte mit Strom versorgt werden. 1506 Module - jedes wiegt 19 Kilogramm - werden bald 472 Kilowatt-Peak, so der Fachbegriff für die Nennleistung von Solarzellen, elektrische Energie liefern. Damit ist die Dachanlage die größte im Landkreis Starnberg.

Strom aus der Sonne schont die Umwelt und ist nachhaltig. Das ist gut für das grüne Gewissen. Mit Solaranlagen kann aber angesichts kontinuierlich steigender Strompreise auch Geld gespart werden, wie viele Hausbesitzer wissen. Der wirtschaftliche Aspekt spielte denn auch bei den Geschäftsführern der Firma, Heinz Soyer und Heinz Soyer junior eine große Rolle. Natürlich wolle man die Bolzenschweißprodukte so umweltfreundlich wie möglich herstellen, aber an erster Stelle der Entscheidung für die Solaranlage sei die Energieeinsparung gestanden, sagt der 79-jährige Senior, der das Unternehmen zusammen mit seiner Frau Helga 1970 gegründet hat. Angesichts der Konkurrenz von Billigprodukten aus Niedriglohnländern wettbewerbsfähig zu bleiben, ist das Ziel der Soyers.

12 000 Euro zahlt die Firma monatlich für Strom - "alles Ökostrom", betont Soyer. Bald werden es 15 000 Euro sein, weil neue moderne Maschinen angeschafft wurden. In die Fotovoltaikanlage investiert das mittelständische Familienunternehmen mit 65 Mitarbeitern etwa eine halbe Million Euro. Einen Kredit braucht es dafür nicht. Bei 17 000 Kunden, 15 Millionen Euro Umsatz pro Jahr und einer zweistelligen Rendite "stehen wir gesund und finanzstark" da, sagt Heinz Soyer. Die Solaranlage habe sich in sechs bis sieben Jahren amortisiert. Ein weiterer umweltfreundlicher Beitrag seien die zwei Ladestationen auf dem Betriebsgelände, die sowohl von den eigenen Elektrofahrzeugen des Unternehmens genutzt werden, aber auch Besuchern zur Verfügung stehen, sagt Umweltschutzbeauftragter Wolfgang Helbig.

In Betrieb gehen wird die Fotovoltaikanlage, die sich auf vier Gebäude verteilt, voraussichtlich Mitte Juli, sagt Nik Saller, Geschäftsführer der niederbayerischen Feneco GmbH, der mit sechs bis acht Mitarbeitern die Anlage installiert. Die Solarzellen kommen aus China, die Wechselrichter vom deutschen Unternehmen Solaredge.

Für Ernst Deiringer vom Energiewendeverein Landkreis Starnberg ist die Anlage in Etterschlag ein echtes Vorzeigeprojekt. Aber zufrieden ist der Seefelder, der sich seit vielen Jahren unermüdlich für die Energiewende einsetzt, noch lange nicht. Nur 14,5 Prozent der benötigten Energie im Landkreis werden regenerativ erzeugt. Und davon sind allein fünf Prozent den Windrädern in Berg zuzuschreiben. Fotovoltaikanlagen produzieren insgesamt nur 8,3 Prozent der regenerativen Energien.

Die größte Freiflächenanlage steht bei Unering. Sie liefert jährlich drei Megawatt-Peak, also sechsmal so viel wie die Anlage der Soyers. Nur deswegen steht die Gemeinde Seefeld mit einem Anteil von 18 Prozent Solarstrom relativ gut da. "Wenn wir alle Dächer in Seefeld bestücken könnten, kämen wir auf 70 Prozent", sagt Deiringer. Keine Frage, dass auch bei ihm eine Solaranlage Strom liefert. Er hat sich auch einen Speicher gekauft, mit dem er 80 Prozent seines Strombedarfs selber decken kann - ohne sind es nur 40 Prozent.

Bei der Solarkampagne, die der Energiewendeverein und der Landkreis Starnberg im April 2018 gestartet haben und die nach zwei Jahren endet, "ist noch viel Luft nach oben", meint Deiringer. 2006 schon hat sich der Kreistag das Ziel gesetzt, bis 2035 unabhängig zu werden von fossilen Brennstoffen. Es sieht nicht so aus, als ob dieses Ziel erreicht werden könne.

Was die Fotovoltaik angeht, ist die Energiegenossenschaft Fünfseenland Antreiber und Unterstützer. Neun Anlagen besitzt sie selbst, elf weitere betreibt sie im Auftrag von Bürger-Gesellschaften. Die Genossenschaft, die ihren Sitz in Herrsching hat, berät Bürger kostenlos und entwickelt maßgeschneiderte Lösungen für die individuelle Energiewende.

Solaranlage an der Autobahn

Mit der Ausweisung von Fotovoltaikanlagen auf größeren Freiflächen will die Gemeinde Gilching die angestrebte Energiewende jetzt beschleunigen. So begrüßt der Gemeinderat den Antrag eines Grundeigentümers, der an der Lindauer Autobahn (A 96) eine Solaranlage bauen will. Auch ein Ingenieurbüro aus Landsberg, das auf erneuerbare Energien spezialisiert ist, hat die Fläche als "sehr gut bezeichnet", weil dort ein Netzanschluss und Hochspannungsmasten bereits vorhanden sind. Nun will Gilching weitere potenzielle Standorte für Solaranlagen entlang der Autobahn und der neuen Westumfahrung ermitteln und hierbei mit dem Landsberger Ingenieurbüro und dem Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München zusammenarbeiten - um die Fotovoltaik-Projekte in der Gemeinde zu forcieren. Diese Anlagen sind aber laut Bauamt im Außenbereich nicht privilegiert, so dass zunächst der Flächennutzungsplan geändert werden müsste. deu

Der Widerstand, mit dem Vater und Sohn Soyer zu kämpfen hatten, kam aus den eigenen Reihen, erzählt der Senior. Seine Frau Helga wollte keine Solaranlage auf den Dächern, sie würde alles verschandeln, meinte sie. Doch nach dem Zugeständnis, dass der untere Teil der Pagodendächer frei bleibt, gab sie schließlich ihr Einverständnis.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4501091
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 27.06.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.