Starnberg:Ehrung mal anders

Starnberg, Kulturpreis LRA

Ausgezeichnet: Christopher Bodenstein, Johanna Schlüter und Matthias Helwig, flankiert von Kulturreferentin Barbara Beck und Landrat Karl Roth (v.li.).

(Foto: Georgine Treybal)

Lockere Stimmung und etwas Selbstironie bei der Kulturpreisverleihung im Landratsamt

Von Gerhard Summer, Starnberg

Sage keiner, dass man bei so einer Preisverleihung nichts Neues erfährt. Zum Beispiel: Kinochef Matthias Helwig, 56, ist Fußballfan, oh ja, und schaut zusammen mit seinem Freund Ernst Kunas, dem vormaligen evangelischen Pfarrer von Starnberg, gern Spiele an. Oder: Kameramann Christopher Bodenstein, 20, schläft gerne aus. Und: Landrat Karl Roth hat früher fotografiert, auch aus dem Polizeihubschrauber heraus, und vor 37 Jahren damit begonnen, seine Kinder auf Super-8 festzuhalten. Ja gut, sagt Roth, "meine Porträtaufnahmen sahen anders aus" als etwa die künstlerischen Porträts der Starnbergerin Johanna Schlüter, 24. Was vielleicht damit zu tun hat, dass der junge Roth, als er zur Kripo gekommen war, Ganoven im Bild festhielt.

Muss man so was erwähnen? Nicht unbedingt. Aber die kleine Geschichte spricht für den Landrat und seinen Sinn für Selbstironie. Und so viel Lockerheit ist typisch für die Feier im Landratsamt. Etwa 140 Gäste sind gekommen, darunter Bürgermeister und Kommunalpolitiker. Es gibt ein feines Flying Buffet aus Tutzinger Landen, und Kulturreferentin Barbara Beck schafft es, dem Fest eine heitere und fast familiäre Atmosphäre zu verleihen. Sie hat für die Musik zwischendurch wieder junge Talente entdeckt, die andere Moderatoren vielleicht gar nicht auf dem Schirm gehabt hätten: das Duo Lea Reichel und Lea Berthold sowie den Sänger und Gitarristen Eric Buschendorf, der die Musik zu Bodensteins Filmprojekten schreibt.

Vor allem Buschendorf empfiehlt sich mit seinem Auftritt als junger Mann mit Zukunft. So eigenwillig sein Mix aus Vokalakrobatik, extrem dynamischem Gesang und rockiger Akkordbegleitung ist, so viel Stil und Seele haben seine Songs. Und die Lobrede auf den Inninger Bodenstein, die er und Bodensteins Bruder Alexander halten, gehört ebenfalls zu den raren Ereignissen, so viel Herz steckt darin. Alexander Bodenstein beschreibt, mit welch "unendlicher Geduld" Christopher als Jugendlicher Starwars-Figuren abfotografierte und wie sehr ihn das Ergebnis überraschte: "Ich dachte mir: Ej, krass!" Dass ihm sein Bruder bis um halb vier morgens bei der Seminararbeit half, hält er in Rapper-Reimen fest. Und Schulfreund Buschendorf stellt den Absolventen des Christoph-Probst-Gymnasiums in Gilching als einen Mann vor, der sich "von nichts blenden lässt". Bodenstein ist dann erst mal so gerührt, dass er kaum ein Wort herausbringt.

Was man dem Landrat und seiner Kulturreferentin auch abnimmt: dass ihnen sehr daran gelegen ist, junge Könner zu fördern, ihnen Bestätigung zu geben und ihren weiteren Weg zu verfolgen. Schließlich macht Roth gleich zu Beginn klar, welchen Bedeutung Kunst und Kultur aus seiner Sicht haben: In diesen turbulenten Zeiten, die geprägt seien von Terroranschlägen, rechtsradikale Tendenzen und der Massenflucht vor Kriegen und Despoten, stelle man sich auch hierzulande die Frage, ob man den Alltag so weiter führen könne wie bisher. Roths Antwort: "Ja, wir müssen kreativ bleiben." Der Kultur komme dabei hoher Stellenwert zu. Denn "jeder Künstler mit seinem ganz besonderen Medium baut Brücken", "Kultur öffnet uns Welten". Mit den seit 16 Jahren vergebenen Kulturpreisen tue man sich im Übrigen selbst etwas Gutes: Denn die Ausgezeichneten seien "die besten Werbeträger, die sich der Landkreis wünschen kann".

23 Bewerbungen von Gruppen und Einzelpersonen waren diesmal in der Kategorie Fotografie und Film eingegangen. Am Ende entschied sich die Jury für Förderpreise an Schlüter und Bodenstein, die mit jeweils 3000 Euro dotiert sind, und vergab die Hauptauszeichnung und damit 4000 Euro an Helwig. Roth sagt es so: Der Landkreis ehre mit Helwig einen Mann, der es geschafft habe, "dass einem Cannes, Venedig und Starnberg in einem Schwung über die Lippen gehen", und würdige zwei Talente, "in denen wir viel Potenzial sehen".

Die junge Münchner Kulturmanagerin Clara Holzheimer entwickelt ihre professionelle Laudatio auf Schlüter anhand von vier Fotos, die auf der Leinwand zu sehen sind. Sie erwähnt, dass die 24-Jährige aus einer Fotografenfamilie kommt, schildert ihren Weg, ihr Interesse für Reportagen und Porträts und natürlich ihre Reise 2015 nach Indien in das von der Räumung gedrohte Künstlerslum Kathputli Art Colony. Mit ihren Bildern von den Menschen, die dort leben, habe Schlüter ein "Denkmal gegen das Verschwinden und für die Kunst geschaffen".

Laudator Kunas geht die Sache launiger an. Er hält sich bei Helwigs Vornamen auf (hebräisch für "Gottesgabe") und erzählt, dass der Kinochef schlecht Komplimente annehmen könne. Er beschreibt ihn als einen, der auf dem Teppich geblieben ist ("Narzismusfaktor äußerst gering, Allüren gleich null") und der die Dinge mit Verstand, Mut und "ein bisschen Wahnsinn" angehe. Zu Helwigs Lieblingsregisseuren zählten Fellini, Chaplin, Ford, Wilder und Tati; einen Film wie "Alexis Sorbas" könne er sich "endlos anschauen". Und zur Schlussszene des Klassikers "Spiel mir das Lied vom Tod", als Charles Bronson eine Claudia Cardinale stehen lässt, fällt Kunas ein: "Der Cowboy in Helwig hätte anders gehandelt."

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