Ungewöhnliche Therapie:Die Starnberger Methode

Ungewöhnliche Therapie: Die Starnberger Mediziner, Professor Martin Storr (links) und Herbert Eisenlohr vom Zentrum für Endoskopie, haben Kapseln entwickelt, um eine Stuhltransplantation durch orale Gaben zu ermöglichen.

Die Starnberger Mediziner, Professor Martin Storr (links) und Herbert Eisenlohr vom Zentrum für Endoskopie, haben Kapseln entwickelt, um eine Stuhltransplantation durch orale Gaben zu ermöglichen.

(Foto: Arlet Ulfers)

Im Zentrum für Endoskopie am Kreiskrankenhaus werden Patienten mit kranker Darmflora erfolgreich durch Stuhltransplantationen geheilt

Von Blanche Mamer, Starnberg

Der Patient war schwer krank, sein Darm war mit dem Erreger Clostridium difficile infiziert und reagierte nicht mehr auf Antibiotika. Durch eine Stuhltransplantation hat ihn Professor Martin Storr vom Zentrum für Endoskopie im Klinikum Starnberg gerettet. Schon wenige Tage nach dem fäkalen Mikrobiomtransfer, wie die Therapie in der Fachsprache heißt, konnte der Patient als gesund entlassen werden. Es ist jetzt eineinhalb Jahre her, dass Storr von seinem ersten erfolgreich vorgenommenen Stuhltransfer berichten konnte; damals ein sensationelles Ergebnis, heute Praxis in mehreren Klinikzentren bundesweit.

In Süddeutschland hat sich Starnberg als das Zentrum etabliert, zu dem sogar die Universitätskrankenhäuser ihre Patienten schicken, wie der Chef der Endoskopie, Herbert Eisenlohr, sagt. Sicher, zunächst sei die Vorstellung einer Transplantation von Exkrementen eines anderen Menschen mit Ekel verbunden. Doch wenn entzündliche Durchfälle immer wiederkehren und Antibiotika nicht mehr helfen, ist der Mikrobiomtransfer die einzige Erfolg versprechende Therapie.

Storrs erster Patient hatte den gesunden Stuhl eines Familienmitglieds über eine Darmspiegelung in Vollnarkose erhalten. Der potenzielle Spender, den der Patient mitbringen oder vorschlagen könne, werde gründlich untersucht, wenn dessen Darmflora gesund sei, könne der frische Stuhl gereinigt, aufbereitet und verflüssigt oder gefroren werden und innerhalb kürzester Zeit dem Patienten übertragen werden. "Wir kennen den Igittfaktor, vor allem wenn es um die Methoden der Übertragung über Nasensonde oder durch Kapseln geht", sagt Eisenlohr.

2015 hatte Storr zehn Patienten mit Erfolg behandelt. Eine deutschlandweite Vergleichsstudie der Methoden ergab 80 Prozent Erfolg bei Koloskopien und bei Nasensonden, bei der Verabreichung von Kapseln waren es 70 Prozent. Gerade an der Kapsel-Methode hatte das Starnberger Team lange getüftelt. Denn für den Patienten ist das die einfachste Therapieform. Für die Mediziner und das Labor ist sie jedoch aufwendig, denn die Kapseln müssen individuell in tiefgefrorenem Zustand befüllt und konserviert werden. Zunächst galt sie als große Hoffnung, da ohne Eingriff möglich. Allerdings wird sie jetzt nicht mehr gewünscht. Denn in Starnberg wurde eine Methode gefunden, die zu 100 Prozent Erfolg verspricht: die Kombination von Darm- und Magenspiegelung.

"Wir wollten, dass die Patienten alle gesund werden. Über das Wie haben wir monatelang nachgedacht", sagt Storr. Die Idee, Darm- und Magenspiegelung zu kombinieren - die Starnberger Methode - habe schließlich überzeugt. Dabei werden 50 Milliliter des verflüssigten Stuhls bei der Magenspiegelung eingespritzt, 350 Milliliter werden über den Darm zugeführt. Und schon nach einer halben Stunde hat sich die Darmflora neu aufgebaut und regeneriert. Die Lebenszeit der Darmbakterien liegt bei 20 Minuten, der Durchfall ist vorbei, wenn der Patient aus der Narkose aufwacht. Die Behandlung erfolgt im Bett im Zimmer auf der Isolierstation. "Die Sporen der Bakterien bleiben also im Zimmer. Wir sind eingepackt wie Marsmenschen, die Apparate, die wir ins Zimmer transportieren ebenfalls", berichtet Storr. Anders als bei den Antibiotikabehandlungen gebe es keine Nebenwirkungen. Und er wisse von keinem Patienten, der mit einem Rückfall in die Klinik gekommen sei.

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