Was kostet Starnberg die "Seeanbindung"? Hinter dem sperrig klingenden Namen verbirgt sich die wohl anspruchsvollste und teuerste Herausforderung für die Kreisstadt, die sich seit 1854 zwar einer Bahnanbindung erfreut, seit mehr als 100 Jahren aber über die ungünstige Lage der Gleise ärgert. Denn die Bahn trennt die Stadt von ihrer größten Attraktion, dem Starnberger See. Jahrelang haben sich die Stadtväter mit dem Projekt befasst, eine allseits anerkannte Lösung gibt es aber nicht. Diese Woche dürfte nun wieder etwas Bewegung in die Angelegenheit kommen und die zuletzt eingefrorene Debatte beleben: Im "Projektausschuss Bahnhof See" werden am Donnerstag, 21. April, Ergebnisse zu den erwarteten Kosten der oberirdischen Lösung präsentiert. Bereits zwei Tage zuvor stellt Diplom-Ingenieur Lutz J. Janssen mit dem Architekten Sebastian Blum am Dienstag, 19. April (18.30 Uhr; Seerestaurant "Undosa"; Festsaal) seine Idee eines Kompakttunnels.
Der Entwurf ist die derzeit wohl attraktivste Lösung für die von der Bahn geforderte Gleisverlegung, hat aber einen Schönheitsfehler. Der aktuelle politische Beschluss sieht eine oberirdische Lösung vor, die jedoch aus verschiedenen Gründen höchst umstritten ist: Das Kernproblem bleibt. Die Trennung zwischen Stadt und See wäre auf alle Zeiten zementiert.
Der am See gelegene historische Bahnhof gilt als eine der am schönsten gelegenen Stationen Europas - wenn nur die Gleise nicht wären. Seit Jahren schon ist man bemüht, diesen Umstand zu ändern und den Starnberger See auch von der Stadtseite her wieder "erlebbar" zu machen. Das Projekt "Seeanbindung", dem ein 1987 zwischen Stadt Starnberg und der Bahn geschlossener Vertrag zugrunde liegt, gilt daher als größte städtebauliche Herausforderung, die der Kreisstadt auf Jahrzehnte hinaus ein neues Gesicht geben könnte. In der Amtszeit von Alt-Bürgermeister Ferdinand Pfaffinger (2002 - 2014) noch hatte es dazu große Anstrengungen mit Architektenwettbewerben, Workshops, Infoveranstaltungen und Online-Portal gegeben.
Mit Amtsübernahme von Eva John aber scheint das anspruchsvolle, komplexe und millionenschwere Projekt auf Eis zu liegen: Dem Credo des Vereins "Schöner zum See" folgend - eine der WPS nahestehende Organisation - will die Stadt den bis Jahresende 2017 geltenden, bislang aber nur teilerfüllten Vertrag, ohne weitere Aktivitäten auslaufen lassen. Die Konsequenzen aus einem Vertragsbruch sind kaum abwägbar, zumal sich die DB bislang mit Äußerungen zurück hielt: Man gehe weiterhin von der Vertragstreue der Stadt aus, hieß es unisono. Aktuell aber zeichnet sich ab, dass eine Mehrheit im Stadtrat - die Allianz aus WPS, BMS, FDP und BLS - den Vertrag insbesondere wegen der immensen Kosten auslaufen lassen will, um danach neue Konditionen aushandeln zu können. Während der "Arbeitskreis Seeanbindung" im April 2014 noch von 63 Millionen Euro für das Projekt ausging, schätzt "Schöner zum See" die Summe mittlerweile auf wenigstens 100 Millionen Euro. Doch so oder so: Die Trennwirkung der Gleise bliebe bestehen.
Janssen macht eine andere Rechnung auf: Im Idealfall, so die kühne These des Verkehrssystem-Experten, der sich tief in die komplexe Materie eingearbeitet hat, müsste die Stadt gar nichts für die Seeanbindung mit Gleisverlegung bezahlen. Er sieht in einer Verlegung der Bahnanlagen in einen Tunnel mit viergleisiger Trassierung die Ideallösung. Das Bauwerk über eine Gesamtlänge von 1037 Metern würde eine ebenerdige Querung der Gleise im Bereich des historischen Bahnhofs - von der Kaiser-Wilhelm-Straße bis zum "Undosa" - ermöglichen. Die neue Promenade befände sich einen Meter höher als der Uferweg. Auch wie sich der Bahntunnel finanzieren ließe, haben Janssen und Blum einen konkreten Vorschlag: Schlüssel zur Lösung sind Verkauf und Bebauung freier Flächen des ehemaligen Gleisbereichs. Sie könnten der Stadt Starnberg - je nach Bebauungsdichte - sogar ein nahezu kostenneutrales Geschäft bescheren. Mit diesem Teil des Projekts befasst sich Architekt Blum. Er wird diesen Dienstag im "Undosa" einen ersten Entwurf präsentieren.
Janssen weiß, dass sein "Kompakttunnel" sämtliche bisherigen Beschlüsse des Stadtrats zum Thema in Frage stellt. Längst hat er sein faszinierendes Projekt allen im Stadtrat vertretenen Fraktionen sowie Bürgermeisterin John zugänglich gemacht. Allein die politische Unterstützung fehlt. Unklar ist auch, was die Bahn vom Tunnelprojekt hält. Janssen plädiert aber - wie viele andere Experten auch - eindringlich dafür, schnellstmöglich mit Verantwortlichen der Deutschen Bahn AG und der Bayerischen Eisenbahngesellschaft zu sprechen, um für Starnberg die beste "Seeanbindungs"-Lösung zu finden.
Infoveranstaltung Kompakttunnel mit Diskussion, Dienstag, 19. April, 18.30 Uhr; Restaurant Undosa Projektausschuss Bahnhof See: Vortrag zum Ergebnis der Projektanalyse, Donnerstag, 21. April; 18 Uhr; Schlossberghalle)