Süddeutsche Zeitung

Fünfseen-Filmfestival:Ein Märchen aus der Küche

Die Komödie "Die Küchenbrigade" begleitet eine ehemalige Sterneköchin, die in einer Flüchtlingsunterkunft anheuert. Dort kämpft sie mit Problemen - bis zum Ende, das zu schön ist, um wahr zu sein.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Unpünktlich, kein Zeitgefühl, illegal, denken nur an Fußball und behaupten, minderjährig zu sein, um der Abschiebung zu entgehen: Das sind die Vorbehalte, die Einheimische zuweilen gegenüber Geflüchteten aus Afrika haben. Der französische Film "Die Küchenbrigade" greift gängige Vorurteile auf, geht aber weiter, weil er die Probleme auch aus der Sicht der Geflüchteten betrachtet. Doch es ist kein tiefsinniger Problemfilm, sondern eine Komödie. Die Handlung ist am Ende zu schön, um wahr zu sein. Über weite Strecken jedoch werden die Probleme vielschichtig und durchaus realistisch dargestellt. Und im Nachspann gibt sich das Werk unter der Regie von Luis-Julien Petit sogar den Anschein eines Dokumentarfilms, als die Protagonisten mit Namen aufgezählt werden und der Zuschauer erfährt, was aus ihnen geworden ist. An dem Drehbuch für den mehrfach ausgezeichneten Film, der im Rahmen des Fünfseen-Festivals zu sehen war, hat neben dem Regisseur mit Liza Benguigui-Duquesene, Sophie Bensadoun und Thomas Puijol eine ganze Gruppe von Autoren mitgearbeitet.

Cathy-Marie (Audrey Lamy), Sous-Chefin in einem Sternelokal, wirft entnervt das Handtuch. Sie will ihre eigenen Vorstellungen von guter Küche umsetzen und ihr eigenes Restaurant betreiben. Doch die Verwirklichung ihres Traums kann sie nicht von heute auf morgen umsetzen und auch eine neue Anstellung auf Sterneniveau findet sie nicht so schnell. Da sie in finanziellen Schwierigkeiten steckt, gibt sie sich mit einer Stelle als Kantinenköchin in einer Flüchtlingsunterkunft für unbegleitete Kinder und Jugendliche zufrieden. Dort hat sie nicht nur mit dem minimalen Gehalt, der einfachen Unterkunft und der mehr als unzureichende Küchenausstattung zu kämpfen. Was sie am meisten frustriert, sind die Jugendlichen, die sie als Küchenhelfer rekrutiert hat.

Cathy wollte ihnen etwas beibringen, damit sie einmal selbst ihren Lebensunterhalt verdienen können. Sie erwartet Dankbarkeit und Respekt - und trifft stattdessen auf Widerstände. Die Jugendlichen wollen keinen Chef anerkennen und eine weibliche Vorgesetzte schon gar nicht. Als sie auch noch mit den Widerständen des Heimleiters Lorenzo (Francois Cluzet) fertig werden muss ("Sie zerstören die Beziehung, die wir aufgebaut haben"), wählt sie die Flucht nach vorne. Unterstützt wird sie dabei von Sabine (Chantal Neuwirth), die ihre eigenen Träume nie verwirklicht hat. Die Freundin Fatou (Fatou Guinea) spendet Trost, den Cathy immer dann benötigt, wenn sie nicht mehr weiter weiß ("Julia Roberts hat vor Pretty Woman auch Pizza verkauft").

Cathy wirkt zwar nach außen hin etwas unnahbar gegenüber ihren Mitmenschen, hat aber durchaus Verständnis für die Geflüchteten. Schließlich sie ist selbst in einem Heim aufgewachsen und hat sich ihren Beruf hart erkämpfen müssen. Erst als sie die Arbeiten in der Küche wie ein Fußballtrainer einteilt, beteiligen sich die Jugendlichen mit immer größerem Engagement an dem Projekt, an dem am Ende eine Ausbildung in einer Kochklasse stehen soll.

Fast wie im Märchen zieht der Heimleiter mit, und sogar das Fernsehteam einer Kochsendung findet sich mit dem eigentümlichen, aber offenbar wirksamen Vorgehen der früheren Starköchin ab. Am Ende kann sie tatsächlich eine Kochklasse durchsetzen und ist Lehrerin im Ausbildungszentrum. Die liebevoll inszenierte Komödie ist kurzweilig und kommt ganz ohne erhobenen Zeigefinger aus.

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