Starnberg:Detektiv in Rente

Nick Knatterton als Spiegel des Wirtschaftswunderlandes

Mit Pfeife und Taschenlampe: Nick Knatterton, der Comic-Held des Zeichners Manfred Schmidt.

(Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

Manfred Schmidts "Nick Knatterton" ist 65 geworden

Er lag gefesselt auf Eisenbahnschienen, steckte in Kanonenrohren, hing an einem Hubschrauber und fand sich im Tigerkäfig wieder. Der Mann überstand so ziemlich alles, was man an Abenteuern überstehen kann, und das meist mit einem flotten Spruch auf den Lippen. Als der Super-Detektiv im schottisch karierten Knickerbocker-Anzug über die Dächer geparkter Wagen hetzte, hieß es in der Textblase aus seinem Mund: "Ich verfolge meine Ziele über alle Köpfe hinweg - wie ein Bundeskanzler."

Am Donnerstag ist Deutschlands erster, inzwischen in Vergessenheit geratener Comic-Held Nick Knatterton 65 Jahre alt geworden. Am 3. Dezember 1950 war nämlich in der Quick die erste Folge der Serie erschienen, die der Münchner Illustrierten ein dickes Auflagenplus bescheren sollte. Der Zeichner Manfred Schmidt, ein gebürtige Niedersachse, der in Bremen aufgewachsen war und in Ambach am Starnberger See lebte, hatte die Figur als Parodie auf "Superman" erdacht und ihr ein paar Eigenschaften und die Pfeife von Sherlock Holmes mit auf den Weg gegeben. Als der schlacksige Schmidt (1913 bis 1999) der Redaktion seine Idee präsentiert und erklärt hatte, er denke so an zehn Fortsetzungen, war die Antwort noch eher verhalten ausgefallen: "Nee, Manfred, fünfe tun's auch". Dann wurden es doch ein paar mehr: Neun Jahre lang zeichnete und textete Schmidt die Knatterton-Geschichten für das inzwischen längst eingestellte Blatt. 1959 kam sogar ein Spielfilm heraus: Regisseur Hans Quest drehte "Nick Knattertons Abenteuer" mit Karl Lieffen in der Hauptrolle und den Schauspielern Gerd Fröbe, Wolfgang Neuss und Günter Pfitzmann. Schmidt sagte die Produktion nicht zu, er selbst fügte 1979 Motive aus der Serie in seinem Studio in Ambach zu einem Zeichentrickfilm zusammen, den die ARD ausstrahlte.

Der Einzelgänger Schmidt, der zu Beginn des Zweiten Weltkriegs noch für die vom Reichspropagandaministerium kontrollierte Deutsche Zeichenfilm GmbH gearbeitet hatte, sah sich später als Edelkommunist. Entsprechend respektlos gab sich sein Detektiv, der mit dem Ausspruch "kombiniere. . ." für ein geflügeltes Wort in der Bonner Republik sorgte. Bundeskanzler Konrad Adenauer tauchte in den Comics als Indianer-Häuptling "Alter Fuchs vom großen Schoko-Berg" auf. Und als Knatterton einmal den Anhänger seines Lastwagens verlor, lautete die Kommentar dazu: "Nick ergeht es wie vielen Politikern: Er übersieht, dass er keine Anhänger mehr hat".

Schmidt hatte seine Geschichten laut Spiegel nach dem Rezept erfunden: "Man nehme eine leichte Bonner Pflaume und etwas Klamotte, Sex und ein halbgeistreiches Apercu". Für den Zeichner war der Erfolg der Comic Serie angeblich Fluch und Segen: Er hielt wenig von Comics, schätzte aber das Geld.

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