Starnberg:Das Leiden lindern

Starnberg: Nach Jahren schaffte es die 36-jährige Marion W., sich von ihrem gewalttätigen Mann zu trennen - doch die Probleme wurden erst einmal nicht weniger.

Nach Jahren schaffte es die 36-jährige Marion W., sich von ihrem gewalttätigen Mann zu trennen - doch die Probleme wurden erst einmal nicht weniger.

(Foto: Peter Steffen/dpa)

Die Selbsthilfegruppe für "Psychiatrieerfahrene im Landkreis" feiert ihr 20-jähriges Bestehen

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Wenn es Thomas (Name von Red. geändert) schlecht geht, kann er nicht in den Supermarkt gehen. Schon die Eingangstür bildet eine unüberwindliche Barriere. Thomas versucht es immer wieder, geht einen Schritt vor und wieder zurück, aber er kommt nicht über die Schwelle. Er spürt es schon an seiner Atmung, dass sich eine Panikattacke ankündigt. "Das höre ich schon im Kopf, bevor das Herz rast. Und man weiß, es geht eh wieder schief", sagt er. "Es ist die Angst vor Menschen, das kann man nicht kontrollieren. Es kommt von innen." Manchmal geht es ihm so schlecht, dass er sogar Stimmen hört, beispielsweise, wenn er auf dem Balkon steht. Dann sagt die Stimme: "Du darfst runterspringen, es passiert Dir nichts."

Thomas ist Mitglied in der Selbsthilfegruppe Pelstar. Der Name steht für "Psychiatrieerfahrene im Landkreis Starnberg". Die Gruppe wurde 1995 in einer Zeit gegründet, als die vorherrschende Meinung galt, dass nur Profis wüssten, was für psychisch Kranke gut ist. Heute indes wisse man, dass sich "psychisch kranke Menschen durchaus selbst organisieren können, dürfen und vor allem müssen", sagte Peter Pieroth vom Sozialpsychiatrischen Dienst Starnberg (SpDi) anlässlich der Feier zum 20-jährigen Bestehen der Pelstar-Gruppe im evangelischen Gemeindehaus. Der SpDi hat die Gruppe zwar von Anfang an unterstützt. Allerdings sollte Pelstar stets selbstständig bleiben und vor allem ein gleichberechtigter Partner sein.

Pelstar ist heute ein wichtiger Bestandteil bei der Versorgung von psychisch kranken Menschen. Wie der Vorsitzende Ludwig Zeyer betonte, hat Pelstar ein Stimmrecht in allen wichtigen Gremien bis hin zum Bezirk Oberbayern. Die Selbsthilfegruppe, die wie ein Verein arbeitet, aber keine Mitgliedsbeiträge verlangt, bietet monatliche Treffs (jeden ersten Montag im Monat, um 14 Uhr, bei der Arbeiterwohlfahrt im Rückgebäude der Volkshochschule Starnberg). Zudem gibt es viele Freizeitangebote, wie organisierte Ausflüge, Wandern, Tanzen, Malen oder Handarbeiten. Wenn Betroffene wieder einmal antriebslos sind und die Wohnung nicht verlassen können, werden sie sogar zu den Treffen abgeholt. "Dann schafft man es auch, durch die Türe zu gehen", sagt Thomas.

Die Gruppe hält auch den Kontakt zu den Mitgliedern, wenn sie in der Klinik sind. "Die verstehen mich. Man öffnet sich leichter als beim Arzt", sagt Marion (Name geändert). Sie leidet ebenso wie Thomas unter Depressionen. Und ebenso wie die anderen Mitglieder ist sie froh, dass es Pelstar gibt. Vor allem dann, wenn sie den "Scheuklappenblick" hat, wie sie ihre Ängste nennt, wird sie von der Gruppe aufgefangen. Denn nur die selbst von der Krankheit Betroffenen verstehen, wenn sie zum x-ten Mal einen Anlauf unternimmt, um eine Arbeit zu erledigen, es aber dann doch nicht schafft. "Gerade wenn man alleine ist, kann man sich hier aussprechen", sagt Marion.

Die Gruppenmitglieder leiden unter den unterschiedlichsten Krankheiten, wie Zwangsstörungen, Psychosen, Schizophrenie oder Depressionen. Das Motto der Feier "Gut, dass wir einander haben" wurde ganz bewusst gewählt. Zeyer will die Gruppe weiter ausbauen, etwa ein Abendtreffen organisieren.

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