Theater im Theater:Das Drama mit der Komödie

Bajazzo, Starnberger Oper

Die Schöne und der Tölpel: Marieke Wikesjo und Jens Müller in einer Probe zur Starnberger "Bajazzo"-Aufführung.

(Foto: Otto Klappert)

Andreas Sczygiols Oper in Starnberg zeigt den "Bajazzo" von Leoncavallo und führt davor noch eine verschollene Orchestersuite des Komponisten auf

Von Gerhard Summer, Starnberg

Eine Frau und vier Kerle, die sie umkreisen, kann das gut gehen? In der Wirklichkeit eher nicht, außer es handelt sich um eine Matrosin, die gern und regelmäßig vier Häfen ansteuert. Und in der Oper schon gleich gar nicht. So jedenfalls ist es in Ruggero Leoncavallos "Der Bajazzo". Eine Komödiantentruppe führt in diesem Werk des Verismo ein humoriges Stück auf, doch am Ende wird daraus blutiger Ernst, das reale menschliche Drama bricht in die artifizielle Welt ein: Canio, Prinzipal der Truppe und Ehemann der schönen Nedda, ersticht seine untreue Frau und deren Liebhaber Silvio.

Theater im Theater also mit gewaltigen "Emotionsbögen", wie der temperamentvolle Regisseur und Sänger Hugo Wieg am Mittwoch in einer Pressekonferenz samt szenischer Probe sagte. Richard Strauss' "Elektra" oder "Salome" seien ohne diese auf zwei Ebenen spielende Tragödie des Komödianten kaum vorstellbar. "Hänsel und Gretel" könne als "deutsche Antwort" auf den "Bajazzo" gelten. Und wie immer in der Oper gehe es auch hier um den Kampf des Menschen mit sich selbst. Nach der Uraufführung monierten Kritiker noch, das Werk sei "mit dem Dolch komponiert", doch längst gilt der "Bajazzo" als so wegweisendes wie schwierig aufzuführendes Meisterwerk. Und er taugt natürlich auch als Parabel für menschliches Rollenund Maskenspiel schlechthin, beispielsweise in der Kommunalpolitik. Starnberg, die Stadt des Tunnel-Dramas und der Umfahrungs-Komödie, ist mithin ein feiner "Bajazzo"-Spielort - und Andreas Sczygiol womöglich der ideale Dirigent: Dem Intendanten der Starnberger Oper dürfte es leicht fallen, die psychologische Ebene des Stücks zu entwirren, hat er doch jahrelang als Familientherapeut gearbeitet.

Starnberg als Opernstadt? Klingt ein wenig aberwitzig, aber im Endeffekt sind Sczygiol und sein Team genau auf diesem Weg. Vor zwei Jahren war er auf die "verrückte Idee" gekommen, Oper zu machen. Seine Erklärung: Es komme ihm darauf an, eine Kunstform, "die im Verdacht des Elitären steht", von ihrem Sockel herunter zu holen und "anfassbar zu machen". Denn so wichtig das Nationaltheater München und andere "Tempel der Kunst" seien, so wichtig seien die freien Produktionen, könnte doch ansonsten mit dem Niedergang der Stadttheater ein "Kulturschatz verloren gehen". Die Premiere mit Purcells "Dido und Aeneas" im Vorjahr war ein Erfolg. Was auch damit zu tun hat, dass Sczygiol auf einen Mittelweg setzt: Profis und Laien nehmen sich Werke vor, die bekannt, aber keine Gassenhauer sind. Die "Zauberflöte" oder "Traviata" stehen deshalb nicht auf Sczygiols Liste, dafür Bizets "Perlenfischer" und Glucks "Orfeo ed Euridice" im nächsten Jahr. Beim "Bajazzo" sind die opernerfahrenen Prager Philharmoniker dabei, dazu exzellente Sänger wie Marieke Wikesjo (Sopran) aus Schweden, Hongyu Chen (Bariton) aus China oder Jason Papowitz (Tenor) aus New York, die nach einem deutschlandweiten Casting ausgewählt wurden. Als Chor tritt wieder das Vokalensemble Fünfseenland auf, und die Tanzszenen übernehmen Kinder des Ballettzentrums Starnberg. Dazu gibt es eine Europapremiere: eine wiederentdeckte Orchestersuite zu Leoncavallos Oper "I Medici".

Was die Starnberger Opernmannschaft auszeichnet? Sie scheint mit der Commedia-dell'arte-Truppe à la Leoncavallo rein gar nichts gemein zu haben. Wieg sagte, er fühle sich hier "wie auf Händen getragen" , während er beispielsweise in Erfurt wie "Falschgeld auf der Bühne" rumstand. Und die Vorsitzende des Fördervereins, Christine Brodt-Bastian, sprach von einem tollen Team, das mit "viel Liebe und Menschlichkeit" bei der Sache sei.

"Der Bajazzo", Premiere am Mittwoch, 17. Juni, in der Schlossberghalle, weitere Vorstellung am 18. Juni, jeweils 19.30 Uhr. Karten zu 30 und 15 Euro: 08151/772-136, 772-170, 772-250 oder 90600.

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