Corona-Pandemie:Wenn der Staat die Corona-Soforthilfe zurück will

Corona-Pandemie: "Jetzt kann ich sehen, wie ich mit dem Schaden klarkomme": Katrin Crossley hat 9000 Euro Soforthilfe zurückgezahlt.

"Jetzt kann ich sehen, wie ich mit dem Schaden klarkomme": Katrin Crossley hat 9000 Euro Soforthilfe zurückgezahlt.

(Foto: Arlet Ulfers)

Pilates-Lehrerin Katrin Crossley aus Starnberg hat zu Beginn der Pandemie 9000 Euro erhalten, weil sie im Lockdown nicht arbeiten konnte. Jetzt fordert Bayern das Geld zurück. Über eine Hilfe, die viele Selbstständige in Schwierigkeiten bringt.

Von Linus Freymark

Der Brief, der Katrin Crossley so viele Sorgen bereitet, stammt vom 28. November 2022. Rechts oben prangt das Bayerische Staatswappen, darunter der Betreff: "Erinnerung an Ihre Verpflichtung zur Überprüfung der erhaltenen Corona-Soforthilfe". Darin wird Crossley aufgefordert, nachzurechnen, ob sie die staatliche Unterstützung, die sie im März und Mai 2020 bekommen hat, um den ersten Corona-Lockdown finanziell zu überstehen, auch wirklich für den vorgesehenen Zweck eingesetzt hat. Falls nicht, müsse sie die erhaltene Soforthilfe anteilig oder vollständig bis zum 30. Juni dieses Jahres zurückzahlen.

Das Problem: Katrin Crossley, seit 2004 Betreiberin des Pilates-Zentrums in Starnberg, ist Solo-Selbstständige. Das bedeutet: Sie konnte das Geld größtenteils gar nicht für den vorgesehen Zweck ausgeben. Denn die Staatsregierung hat vorgegeben, dass das Geld lediglich für den "erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand" verwendet werden darf. Darunter zählen etwa Miete oder Pacht, Nebenkosten oder Kreditraten. Doch die fallen bei ihr kaum ins Gewicht - ihr größter Posten sind ihre eigenen Lebenskosten. Personalkosten sind allerdings ausgenommen.

Und, für Crossley besonders bitter: "Die Soforthilfen waren nicht darauf ausgerichtet, den ausfallenden Gewinn zu ersetzen, mit dem der Lebensunterhalt bestritten wird", schreibt das Wirtschaftsministerium. "Mittel für die private Lebenshaltung werden davon nicht abgedeckt."

"Mein Kapital ist meine Arbeitskraft"

Aber genau dafür hätte Crossley das Geld gebraucht. "Mein Kapital ist meine Arbeitskraft", sagt sie. Diese konnte sie wegen der Corona-Beschränkungen im Frühjahr 2020 aber nicht mehr einsetzen. Von irgendwas aber muss sie ja leben, und das Ersparte wollte sie so lange wie möglich unangetastet lassen: Es ist die Altersvorsorge der über viele Jahre Alleinerziehenden.

Die Gewinneinbußen von damals wird ihr aber, so wie es aussieht, niemand ersetzen. Vor allem Solo-Selbstständige wie Crossley macht das wütend, hatten sie die Kriterien für die Soforthilfe bereits zu Pandemiebeginn kritisiert. "Gut gedacht, schlecht gemacht", urteilte der Bund der Selbstständigen kürzlich über die Soforthilfen. Und auch Katrin Crossley ist zwar dankbar für die Unterstützung von damals, aber sauer über die jetzige Forderung. "Mir wurde faktisch das Arbeiten verboten", sagt Crossley. "Und jetzt kann ich sehen, wie ich mit dem finanziellen Schaden klarkomme."

Etwa 260 000 bayerische Firmen haben im Frühjahr 2020 Hilfen erhalten, insgesamt 2,2 Millarden Euro. Und so ist Katrin Crossley nicht die einzige Selbstständige, die der Brief aus der Münchner Maximilianstraße aktuell vor große Probleme stellt. Denn der Zeitpunkt könnte kaum schlechter sein.

Die Versprechungen der Politik waren groß - jetzt ist es die Ernüchterung

Als die Staatsregierung im Frühjahr 2020 anordnete, das öffentliche Leben auf ein Minimum herunterzufahren, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, hat sie schnell umfangreiche Hilfen für die Betroffenen auf den Weg gebracht. Und Versprechen abgegeben: Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) versicherte, der Freistaat lasse niemanden im Stich. Und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) twitterte: "Wir lassen in der Krise niemanden allein." Katrin Crossley sagt, das habe auch gestimmt - aber eben nur, solange auch Krise war. Sie hat die beantragten Gelder zügig bekommen. Nur ist Corona nun offenbar vorbei, und der Staat holt sich zurück, was er damals gegeben hat.

Bei vielen Empfängern der Finanzspritze ist das aber zu Beginn der Pandemie so nicht angekommen. Das Ministerium schreibt selbst, dass vielen "diese Verpflichtung zur Überprüfung und gegebenenfalls Rückzahlung zu viel erhaltener Hilfen offenbar nicht bewusst ist." Denn dass der Staat finanziell unterstützt, wurde oft kommuniziert - dass man das Geld eventuell zurückzahlen muss, indes kaum. "Mir war das nicht bewusst", sagt Crossley.

Crossley hat die 9000 Euro bereits zurückgezahlt - wer noch im Dezember bezahlt hat, kann den Betrag für 2022 bei der Steuer geltend machen. "Außerdem hat mich das Thema extrem gestresst", sagt Crossley. Sie wollte das so schnell wie möglich hinter sich bringen. Wer bis Ende Juni nicht gezahlt hat, muss an einem sogenannten "Rückmeldeverfahren" teilnehmen. Stellt sich dabei heraus, dass jemand hätte zahlen müssen und das nicht getan hat, kann das eine Anzeige wegen Subventionsbetrugs nach sich ziehen.

Für die Rückzahlung muss Crossley an ihr Erspartes

Crossley musste für die Rückzahlung an ihr Erspartes, das Tagesgeld sollte ihr eigentlich die Rente sichern. Jetzt hat sie es an den Freistaat überwiesen. "Jeder ersparte Euro ist meine Altersvorsorge", sagt Crossley. Davon ist jetzt das meiste weg.

Durch die Inflation fällt die Forderung aus München zudem in eine Zeit, in der eine Krise auf die nächste folgt und alles teurer wird. Die Miete für das Studio ist um 20 Prozent gestiegen, hinzu kommt die Sorge, dass sich vielleicht bald nicht mehr alle ihre Kunden Pilates-Kurse leisten können. "Noch ist zum Glück niemand abgesprungen", sagt Crossley.

Während der Pandemie hat sie Luftfilter für das Studio gekauft und die Technik aufgerüstet, um Online-Kurse geben zu können. Allerdings zu spät, um sie für die Soforthilfen-Rückzahlung geltend machen zu können. "Und jetzt interessiert das alles keinen mehr", sagt Crossley. Genau wie die Versprechen, niemanden allein zu lassen, findet sie.

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