Corona in den Kliniken:Arbeiten am Anschlag

Corona in den Kliniken: Florian Krötz, Chefarzt im Starnberger Klinikum.

Florian Krötz, Chefarzt im Starnberger Klinikum.

(Foto: Georgine Treybal)

In den Krankenhäusern im Landkreis Starnberg verschärft sich die Corona-Lage. Vor allem Personalausfälle machen den Verantwortlichen zu schaffen - das hängt auch mit der Jahreszeit zusammen.

Von Linus Freymark und Carolin Fries

Die Lage in den Kliniken im Landkreis hat sich in den vergangenen Tagen und Wochen zugespitzt. Operationen müssen abgesagt oder verschoben werden, Betten bleiben leer. Der Grund: Zahlreiche Mitarbeiter haben sich mit Corona infiziert oder müssen sich als Kontaktpersonen isolieren. Hinzu kommen Personalausfälle aufgrund jahreszeitlich bedingter Erkältungskrankheiten - und auch wieder mehr Covid-19-Patienten, die in den Kliniken versorgt werden müssen. Der Grund dafür ist für Florian Krötz, Chefarzt der Medizinischen Klinik am Klinikum Starnberg, klar: "Die Wiesn hat wie ein Windstoß gewirkt, der die noch lodernde Glut nach einem längeren Waldbrand wieder entfacht hat", sagt er. Denn die Kliniken seien schon vor dem größten Volksfest der Welt am Anschlag gewesen. "Erst bestand der Pflegemangel", sagt Krötz, "dann kamen zweieinhalb Jahre Corona und haben das Personal weiter ausgedünnt - und jetzt das Oktoberfest". Denn mit den Inzidenzen sei nach der Wiesn eben auch die Anzahl des erkrankten Personals in die Höhe geschnellt.

Reduzierte Kapazitäten auf allen Stationen, in einzelnen Bereichen nur Notfallversorgung

Die Folgen im Klinikum Starnberg: reduzierte Kapazitäten auf allen Stationen. Besonders auf der Intensivstation ist die Anzahl der Betten derzeit stark eingeschränkt. In einzelnen Bereichen gibt es aktuell nur noch eine Notfallversorgung. Doch nicht alle Patienten, die akute medizinische Hilfe benötigen, können in Starnberg behandelt werden. Für diese wird dann anderswo ein Platz gesucht - und das kann dauern: "Für viele schwerstkranke Patienten, die nicht bei uns versorgt werden können, wird oft über mehrere Stunden hinweg in Südbayern kein Verlegungsbett gefunden", sagt Krötz. Denn in der gesamten Region stehe das Akutversorgungssystem "unter extremem Stress".

Das lässt sich auch in Gauting beobachten. In der dortigen Asklepios-Klinik sind stationsübergreifend 20 Betten gesperrt, weil kein Personal zur Verfügung steht. Das heißt, es ist sind keine Pflegerinnen und Pfleger da, die sich um diese Patienten kümmern könnten. Zudem habe man vereinzelte, nicht dringende Eingriffe zurückgestellt, wie ein Sprecher sagt. Dass die allermeisten Behandlungen und Operationen in der Lungenklinik dennoch durchgeführt werden können, sei vor allem der hohen Flexibilität und des großen Engagements des Teams zu verdanken, das sich stationsübergreifend unterstütze.

Corona in den Kliniken: Lorenz Nowak, Chefarzt an der Gautinger Asklepios-Klinik, versorgt einen Covid-19-Patienten auf der Intensivstation.

Lorenz Nowak, Chefarzt an der Gautinger Asklepios-Klinik, versorgt einen Covid-19-Patienten auf der Intensivstation.

(Foto: Matthias Balk/dpa)

Dass es gerade beim Klinikpersonal so viele Corona-Infizierte gibt, mag auch an den regelmäßigen Tests liegen, denen sich die Mitarbeitenden regelmäßig unterziehen müssen, die mitunter auch asymptomatisch Erkrankte erfassen. Mindestens zweimal in der Woche schreibt der Gesetzgeber Antigentests vor, in der Asklepios-Klinik wird das Personal PCR-getestet. Die Dunkelziffer dürfte also - verglichen mit anderen Berufsgruppen - eher gering sein.

Angesichts der tendenziell steigenden Corona-Inzidenz ist weiterhin "Vorsicht geboten"

Zusätzlich belastet die Krankenhäuser, dass wieder mehr Covid-19-Patienten stationär behandelt werden müssen. Steigen die Inzidenzen, "bekommen auch wir das zu spüren", sagt Klinik-Sprecher Christopher Horn. Aktuell würden sechs Patienten in der Asklepios-Klinik behandelt, momentan ausschließlich auf der Isolierstation. Intensivmedizinisch würde kein infizierter Patient versorgt. Angesichts der weiterhin hohen und tendenziell steigenden Inzidenz im Landkreis sei "Vorsicht geboten". Die Corona-Task-Force bewerte die Lage wöchentlich neu.

Auch in Tutzing gibt es derzeit "eine angespannte Personalsituation", teilt das Benedictus-Krankenhaus mit. Auch hier können derzeit nur dringende Operationen durchgeführt werden, teilweise kann es dabei jedoch wegen kurzfristigen Personalausfalls oder dem hohen Notfallaufkommen auch zu Verzögerungen kommen. Dennoch betont die Klinik, dass die medizinische Versorgung "weiterhin jederzeit gewährleistet" sei.

Manchmal ist eine Verlegung notwendig, in einigen Fällen sogar in mehrere hundert Kilometer entfernte Krankenhäuser

In vielen Kliniken gibt es aufgrund der angespannten Lage zudem das Problem der Akutbelegung. Das bedeutet: Die Rettungsleitstelle weist den Kliniken Notfallpatienten zu, obwohl die Kapazitäten so gut wie ausgeschöpft sind. Wer dringend auf medizinische Behandlung angewiesen ist, bekommt diese dann zwar - allerdings kann er anschließend nicht im betreffenden Krankenhaus weiterbehandelt werden. Denn die verbleibenden Kräfte werden für die Versorgung der Notfälle gebraucht, eine weiterführende Operation etwa ist dann aber nicht mehr möglich. Auch hier ist dann eine Verlegung notwendig, in einigen Fällen sogar in mehrere hundert Kilometer entfernte Krankenhäuser.

Für den Starnberger Chefarzt Florian Krötz wirkt sich das neben den damit verbundenen Problemen für die Patienten auch auf die Motivation des Personals aus. Denn das ständige Arbeiten am Anschlag bleibt nicht folgenlos: Viele Mitarbeiter würden sich überfordert fühlen, bei einigen erkennt Krötz sogar ein gewisses "Ohnmachtsgefühl". Das verstärke die "Abwärtsspirale", so der Chefarzt: Krankmeldungen nehmen zu, andere steigen sogar gleich ganz aus dem Beruf aus. Für diejenigen Mitarbeitenden, die nicht krank sind oder aufgegeben haben, verschärft das die Situation allerdings zusätzlich.

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