Süddeutsche Zeitung

Impfpflicht in Pflegeberufen:Piksen lassen - oder kündigen

Lesezeit: 3 min

Im Gesundheitswesen ist eine Immunisierung gegen Covid-19 von 15. März an Voraussetzung für einen Job. In der Branche rechnet man deshalb teilweise damit, fünf Prozent des Personals zu verlieren.

Von Linus Freymark, Starnberg

Seit bald zwei Monaten debattiert Deutschland leidenschaftlich über eine allgemeine Impfpflicht. Noch gibt es dazu keinen Beschluss. Für bestimmte Berufsgruppen ist aber bereits klar, dass es ohne Impfschutz künftig nicht mehr geht. Bis zum 15. März müssen Beschäftigte im Gesundheits- und Pflegewesen vollständig geimpft sein, sofern sie ihren Beruf weiter ausüben wollen. Das hat der Bundestag bereits zwei Wochen vor Weihnachten beschlossen.

In der Diskussion um diese Regelung war wiederholt ein gewichtiges Argument ins Feld geführt worden: Dieser Schritt könne dazu führen, dass viele der sowieso schon knappen und dringend benötigten Pflegekräfte kündigen und sich einen neuen Job suchen würden, hieß es. Also - Bestandsaufnahme knapp einen Monat nach dem Beschluss: Wie ist die Situation in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen im Landkreis Starnberg?

Nun ja, sagt Diana Sturzenhecker, die Leiterin des Caritas-Seniorenheims Maria Eich in Krailling, eigentlich würden sich die Auswirkungen in Grenzen halten - zumindest in ihrer Einrichtung. Mehr als 90 Prozent ihrer Mitarbeiter seien bereits geimpft, sagt Sturzenhecker. Lediglich bei 15 Personen gehe es aktuell noch darum, ob sie sich für die Immunisierung entscheiden oder nicht. Vier von ihnen hätten sich schon dazu bereit erklärt, sich impfen zu lassen, eine Mitarbeiterin dagegen wird ihr Arbeitsverhältnis wohl kündigen.

"Das ist natürlich traurig", sagt Sturzenhecker. Doch bei ihr überwiegt die Freude darüber, dass sich die allermeisten ihrer Mitarbeiter bereitwillig impfen lassen. "Man muss auch mal auf die schauen, die mitmachen", sagt sie. "Und nicht immer nur auf die schauen, die sich nicht impfen lassen wollen." Einzig bei den Booster-Impfungen hat Sturzenhecker zuletzt eher Zurückhaltung bei ihren Mitarbeitern wahrgenommen. "Da zögern viele noch", erklärt sie - und das, obwohl sie bereits zweimal geimpft worden sind.

Inzwischen mehren sich die Hinweise darauf, dass die bislang als vollständig geltende zweifache Impfung im Kampf gegen die Omikron-Variante nicht mehr ausreichend sein wird. Das lässt Sturzenhecker mit ein bisschen Sorge in die Zukunft blicken. Was, wenn die Impfpflicht für ihre Leute demnächst eine Auffrischungsdosis vorsehen würde? Sie führt schon jetzt mit allen Pflegekräften Gespräche über das Thema Impfen. Womöglich kommen dann noch ein paar weitere Unterredungen hinzu.

Auch im Klinikum Starnberg halten sich die Auswirkungen der berufsbezogenen Impfpflicht bislang in Grenzen. Auch hier sind nach Auskunft von Stefan Berger, dem Pressesprecher des Klinikums, mehr als 90 Prozent der Ärzte und Pflegekräfte geimpft, sodass sich die Zahl der betroffenen Mitarbeiter in Grenzen hält. Diejenigen, die bislang noch nicht geimpft sind, werden vom 15. März an von der Klinikleitung an das Gesundheitsamt gemeldet. Die Behörde entscheidet dann, ob die Betroffenen noch im Klinikum arbeiten beziehungsweise das Gebäude betreten dürfen. "Welche Auswirkungen ein Betretungsverbot auf das Arbeitsverhältnis hat, muss zur gegebenen Zeit im Einzelfall geklärt werden", heißt es.

Jürgen Habrik, im Fünfseenland Geschäftsführer des Pflegedienstes Home Instead, rechnet damit, dass er voraussichtlich fünf Prozent seiner Belegschaft wegen der Impfpflicht für Pflegekräfte verlieren wird. "Die allermeisten haben sich für die Impfung entschieden", sagt Habrik. "Aber leider eben nicht alle." Vereinzelt gab es deshalb und gibt es auch weiterhin schmerzhafte Abschiede zwischen Pflegenden und Gepflegten, etwa wenn eine Pflegekraft seit Jahren dieselbe Patientin betreut hat und nun bald nicht mehr kommen wird. Zu einem Personalengpass wird es aber wohl nicht kommen, glaubt Habrik: "Das werden wir auffangen können." Denn wegen des internen Aus- und Weiterbildungsprogramms könne man auch Quereinsteiger einstellen. Insgesamt habe die Impfpflicht seine Mitarbeiter schneller zur Impfung bewogen, große Probleme habe es nicht gegeben.

Die berufsbezogene Impfpflicht scheint also zumindest im Landkreis Starnberg bislang ihren Zweck zu erfüllen. Doch würde eine allgemeine Pflicht zur Immunisierung die Situation der Pflegeeinrichtungen vielleicht dahingehend verbessern, dass sich die Mitarbeiter, die wegen der Impfpflicht wohl kündigen werden, doch zum Bleiben entscheiden könnten? "Das kann ich schlecht sagen", sagt Jürgen Habrik von Home Instead. Diana Sturzenhecker vom Caritas-Heim Maria Eich ist in dieser Hinsicht schon entschiedener. "Die allgemeine Impfpflicht wäre viel besser", sagt sie. "Sowohl für die ganze Gesellschaft als auch für uns."

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SZ vom 18.01.2022
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