Süddeutsche Zeitung

Starnberg:"Ich bin kein Mensch, der zu Hause sitzt und rumjammert"

Lesezeit: 2 min

Markus Reiter hat seinen Brotzeit-Stand "Starnbäcker" am Bahnhof Nord mitten in der Corona-Krise eröffnet. Er hat eine bewegte Karriere hinter sich.

Von Leonie Daumer, Starnberg

"Mei Standl": So nennt Markus Reiter aus dem Starnberger Ortsteil Percha liebevoll seinen Bäckereiwagen, der neuerdings gegenüber vom TÜV Starnberg in der Petersbrunner Straße nahe der S-Bahn-Station Starnberg Nord steht. Mitten im Corona-Lockdown hat er seinen "Starnbäcker" eröffnet und verkauft jetzt jeden Tag von 6.30 bis 14 Uhr Kaffee, Brezen, Krapfen, Salate und vieles mehr. Neben der klassischen Leberkässemmel gibt es einige Alternativen ohne Schweinefleisch, die auch hungrigen Bewohner des Asylbewerberheims nebenan zusagen könnten.

Markus Reiter erzählt, er habe es einfach nicht mehr ausgehalten, nur zu Hause rumzusitzen. Entstanden sei die Idee des "Starnbäckers" in der alten Werkstatthalle hinter dem Bäckereiwagen, den Freunde von ihm gemietet haben und in dem man sich oft zum Basteln traf, als das noch erlaubt war. Den entscheidenden Anschub gab dann vergangenes Jahr ein Straßenbauprojekt: der Durchstich der Petersbrunner Straße mit Anbindung der B 2 direkt vor dem künftigen Stellplatz des Bäckereiwagens. Als sich auch nach Weihnachten noch kein Ende des Lockdowns abzeichnete, beschloss Reiter, sein Vorhaben trotzdem anzugehen. "Was hab ich schon zu verlieren?"

Reiter hat eine bewegte Karriere hinter sich. Nach einer Ausbildung zum Bankkaufmann und dem Studium der Medien- und Marketingkommunikation bekam er die Chance, mit vier Kollegen die erste Direktbank Deutschlands, Österreichs und der Schweiz zu gründen. Nach mehr als zehn Jahren im Marketing hob er dann seine eigene Hospitality-Agentur aus der Taufe, die Großveranstaltungen betreute - bis die Corona-Pandemie das "von 100 auf 0" ausbremste, so Reiter. Etwas Neues musste her. Und seine Idee, einen Verkaufsstand aufzuziehen, an dem sich Pendler, Mitarbeiter von umliegenden Firmen und auch zufällig vorbeikommende Fußgänger eine Brotzeit holen und ratschen können, nahm Gestalt an.

Im Winter 2019/20 hatte Reiter schon einmal vorübergehend die Seestub'n Percha seines Freundes Thomas Frey übernommen und sich dabei einen Namen als "da Kiosk-Toni" gemacht. Eine Art Stammkundschaft, die er vor allem über sein Facebook-Profil erreicht, hatte Reiter also schon einmal, genauso wie einen günstigen Stellplatz vor der Werkstatthalle seiner Freunde. Auch bei der Beschaffung seiner Backwaren kam ihm seine Vernetzung im Ort zugute. Sein Kumpel bei der Bäckerei Müller beliefert Reiter jeden Morgen mit frischem Gebäck und stellte ihm eine Kaffeemaschine zur Verfügung. Um sich auf Abläufe und Aufgaben vorzubereiten, jobbte er sogar kurzzeitig in der Bäckerei.

Reiters Tag beginnt jetzt um 4 Uhr morgens und endet oft erst 15 Stunden später. An den Bürotisch zurück will der "Kiosk-Toni" trotzdem nicht - im Gegenteil: Er hat schon Pläne für den Sommer und für die Zeit, in der man sich vielleicht auch wieder zusammen vor seinem Wagen hinsetzen und ratschen kann. Jetzt heißt es erst einmal, sich zu etablieren und präsent zu sein. Weil es derzeit klirrend kalt ist, hat er sich jetzt eine Suppenkanone bestellt, denn er weiß, die Kunden wollen Abwechslung. Doch auch er selbst freut sich vor allem darüber, "was zu tun" zu haben und selbst Hand anlegen zu können. Und natürlich über die vielen sozialen Kontakte.

"Ich bin kein Mensch, der zu Hause sitzt und rumjammert. Das hilft ja nix", sagt Markus Reiter. Er versuche lieber, die Dinge auf die Reihe zu bekommen, "Ideen hat man ja genug", sagt er.

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Quelle:
SZ vom 15.02.2021
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