Süddeutsche Zeitung

Öffentlicher Nahverkehr:Vom See direkt in die Berge

In etwas mehr als einer Stunde von Starnberg ins Tölzer Land: Der neue Expressbus X970 vervollständigt das Ringsystem im Landkreis und macht Umwege über München überflüssig

Von Linus Freymark

Es gibt im Fünfseenland ja so Einiges, dem man das Prädikat "landesbedeutsam" zuschreiben kann. Das Kloster Andechs etwa, in dessen Klosterbrauerei ein Bier hergestellt wird, das sich bayernweiter Beliebtheit erfreut. Und natürlich die vielen Seen, die nicht nur aus dem Münchner Umland Besucher in die Region locken. Nun hat der Landkreis noch etwas Landesbedeutsames, zumindest wenn man der PR-Abteilung der Bayerischen Staatsregierung glauben darf: Denn mit der Erweiterung der Buslinie X900 sowie der Einführung des neuen Expressbusses X970 gibt es im Landkreis nun zwei Verbindungen, die Teil des vom Freistaat anvisierten Expressbus-Rings um München sind.

Mit insgesamt sieben Linien sollen die Landkreise München, Bad Tölz-Wolfratshausen, Dachau, Fürstenfeldbruck und Starnberg besser miteinander verbunden werden und Umwege über die Münchner Innenstadt mit den S-Bahnlinien wegfallen. Und weil es dem zuständigen Ministerium offenbar wichtig ist, die Dringlichkeit dieses Infrastrukturprojektes zu unterstreichen, haben die PR-Strategen den neuen Verbindungen kurzerhand den Namen "Landesbedeutsame Buslinien" verpasst.

Der Landkreis Starnberg zumindest profitiert enorm von dem Projekt. Die X900 - bislang die einzige bereits existierende Verbindung des Expressbus-Rings, verkehrt wie bisher auch vom Bahnhof Starnberg mit Zwischenstationen unter anderem in Gilching-Argelsried und dem Bahnhof Fürstenfeldbruck zur S-Bahnstation Buchenau. Zudem gibt es an der Haltestelle Viscardi-Gymnasium in Fürstenfeldbruck nun eine gute Umsteigemöglichkeit zur Expressbus-Linie X800. Die X900 verbindet zudem das Gymnasium Starnberg mit dem Viscardi-Gymnasium in Fürstenfeldbruck sowie der dortigen Berufs- und Fachoberschule. In Gilching-Argelsried übernimmt die X900 den Linienweg, den bisher die Linie X920 bediente und bindet künftig den Gewerbestandort Gilching-Argelsried Süd an. In Starnberg wird künftig die Haltestelle "Klinikum-MediCenter" statt "Egerer Straße" von der X900 bedient. Zum Fahrplanwechsel am Sonntag wurde nun der Takt noch einmal deutlich verstärkt. Die X900 verkehrt nun von Montag bis Samstag von 5 bis 22 Uhr durchgehend im 20-Minutentakt, an Sonn- und Feiertagen von 7 bis 22 Uhr im Stundentakt. Gleiches gilt für die neu eingeführte Linie X970, die auf ihrer Route über Wolfratshausen und Geretsried den Bahnhof Starnberg See in eineinviertel Stunden mit Bad Tölz verbindet. Mit dieser Querverbindung gelangt man nun ohne Umsteigen von Starnberg in Richtung Oberland. Aus Geretsried und Bad Tölz wiederum gelangt man durch die neue Verbindung in Zukunft ohne Umsteigen an das Nordostufer des Starnberger Sees und in Wolfratshausen bestehen Umsteigemöglichkeiten von und zur neuen MVV-Expressbus-Linie X320 in Richtung Oberhaching.

Insgesamt soll mit dem Expressbus-Ring "ein schnelles und direktes ÖPNV-Angebot zwischen insgesamt fünf Verbundlandkreisen" geschaffen werden, erklärt der Geschäftsführer des Münchner Verkehrsverbundes (MVV), Bernd Rosenbusch. Auch Landrat Stefan Frey (CSU) zeigt sich angesichts der neuen Buslinien begeistert. "Damit verbessern wir nochmals enorm unser Angebot im ÖPNV und können noch attraktivere Leistungen in der Region und im Umland anbieten", sagt er. "Das kann sich wirklich sehen lassen." Und auch für die zuständige Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU) sind die neuen Verbindungen im Münchner Umland "ein echter Mehrwert im Verkehrsmix rund um München". Deshalb unterstützt das Verkehrsministerium das neue Busprojekt und übernimmt mehr als 50 Prozent der Betriebskostendefizite - um welche Summen es sich hierbei handelt, ließ Schreyer in ihrer Mitteilung offen. Den restlichen Teil der Kosten übernehmen die fünf Verbundlandkreise, die von den neuen Buslinien profitieren - also auch der Landkreis Starnberg. Mit welchen Kosten man hier in der Region rechnet, konnte das Landratsamt zunächst nicht sagen. Doch klar ist: Der Betrieb des ÖPNV ist generell nicht gerade günstig für die öffentliche Hand. Im Jahr 2019 glich der Landkreis das Betriebskostendefizit mit vier Millionen Euro aus, von den Kommunen kamen noch einmal 2,5 Millionen Euro dazu.

Für die sieben Linien in fünf Landkreisen will der MVV nach eigenen Angaben rund 50 moderne Busse anschaffen, die allesamt über Wlan und USB-Anschlüsse verfügen. Und damit kommt die Staatsregierung ja auch gleich dem nächsten politischen Thema von landesbedeutsamem Umfang näher - denn auch der Ausbau der Digitalisierung steht ja dringend an.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5486687
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 14.12.2021
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.