"Fest für Demokratie":100 Starnberger demonstrieren gegen die AfD

"Fest für Demokratie": "Starnberg ist vielfältig und tolerant": Zweite Bürgermeisterin Angelika Kammerl spricht auf dem Kirchplatz.

"Starnberg ist vielfältig und tolerant": Zweite Bürgermeisterin Angelika Kammerl spricht auf dem Kirchplatz.

(Foto: Arlet Ulfers)

Der "Starnberger Dialog" will ein Zeichen gegen Ausgrenzung setzen. Zur AfD kommen 60 Anhänger.

Von Carolin Fries und Michael Berzl

Rainer Hange hatte vorsichtshalber die Polizei informiert. Der Mitinitiator des "Starnberger Dialogs" hatte Sorge, dass es auf dem Kirchplatz womöglich wie vor zwei Jahren zu Boshaftigkeiten und Handgreiflichkeiten kommen könnte, wenn Anhänger der AfD dort auf Protestierende der Gegenveranstaltung träfen. Doch von "den anderen ist nichts zu hören und nichts zu sehen", stellte Landrat Stefan Frey (CSU) am Freitagnachmittag beim "Fest für Ehrenamt und Demokratie" mit Genugtuung fest - und etwa 100 Zuhörer applaudierten johlend.

Während die AfD in der Schlossberghalle ihren Wahlkampf mit prominenter Unterstützung aus den eigenen Reihen abschloss, setzte das überparteiliche Bündnis auf dem Kirchplatz eine Zeichen für Demokratie. Wie Starnbergs Zweite Bürgermeisterin Angelika Kammerl (CSU) sagte, hätten die Rechtspopulisten auch den Platz vor der Schlossberghalle für ihre Veranstaltung mit den Spitzenkandidaten reservieren wollen - "ein bisschen zu viel des Guten", bekannte sie. Die Stadt habe darum lediglich die Hallennutzung genehmigt.

Die Veranstalter sind darauf bedacht, dass der Wahlkampf außen vor bleibt

Das Aktionsbündnis war sich schnell einig. "Das Herz unserer Stadt gehört den Gegenstimmen", sagte Mitorganisatorin und Grünen-Direktkandidatin für den Bundestag, Martina Neubauer. Knapp eine Woche vor der Wahl sollte das Fest aber nicht zur Wahlkampfarena mutieren. Und tatsächlich: Obwohl es sich auch alle anderen Direktkandidatinnen und -kandidaten der größeren Parteien nicht nehmen ließen, für ein paar Worte ans Mikro zu treten - die Worte "Klimawandel", "Mindestlohn" und "Rentensicherheit" fielen kein einziges Mal. Stattdessen legten sie Bekenntnisse zur Demokratie ab und würdigten das Ehrenamt. Es war insofern ein kluger Schachzug der Initiatoren, mit der Veranstaltung zugleich die bundesweite "Woche des bürgerschaftlichen Engagements" zu begehen und abzuschließen.

"Fest für Demokratie": Auch Ursula Münch von der Akademie für Politische Bildung in Tutzing setzt ein Zeichen für die Demokratie.

Auch Ursula Münch von der Akademie für Politische Bildung in Tutzing setzt ein Zeichen für die Demokratie.

(Foto: Arlet Ulfers)

Prominentester Gast auf dem Kirchplatz war zweifellos Ursula Münch. Die Leiterin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing ist derzeit eine viel beschäftigte Wahl-Expertin in Talkshows, dennoch war ihr der Auftritt in Starnberg wichtig. Sie versuchte zu ergründen, was man tun könne gegen jene, die Unwahrheiten verbreiteten, Unrecht täten, aber in der Minderheit seien. "Ihnen mit Argumenten zu kommen, ist Zeitverschwendung", so die Politikwissenschaftlerin. Stattdessen gelte es, "im Austausch mit der schweigenden Mehrheit der insgesamt Verständigen" zu bleiben. Diese dürften nicht verloren gehen in das digitale Nirwana. Ein Gedanke, den auch Frey in seinen Worten bedachte. Die vermeintliche Anonymität im Internet sei der "Nährboden für krude Thesen und Radikalität", hier sei es wichtig, jenen zur Seite zu stehen, die in Bedrängnis geraten. Demokratie, betonte Münch, sei nicht nur ein formales Verfahren der Suche nach Mehrheiten.

Felicitas Balzer gehörte mit ihren 25 Jahren zu den jüngeren Teilnehmern der Kundgebung. Der Klavierlehrerin aus Pöcking waren zwei Unterrichtsstunden ausgefallen, weshalb sie sich spontan entschloss, ihren Großvater Rainer Hange auf dem Kirchplatz zu unterstützen: "Ich will ein Zeichen gegen die AfD setzen. Gerade jetzt, so kurz vor der Wahl." Auch für Grünen-Kreisrätin Sonja Gaja war das der Grund, mit ihren beiden Kindern aus Gilching in die Kreisstadt zu fahren. "Wenn man Kinder hat, muss man gegen die AfD sein." Für andere war die Veranstaltung vor allem eine gute Gelegenheit, ihre Initiativen für soziales Engagement zu präsentieren. So hatten Kreisjugendring, Bund Naturschutz, "Omas for Future", Seniorentreff und andere Stände aufgebaut, um Mitstreiter zu werben. Jutta Bongardt wiederum war "in erster Linie für die Grünen" da. Die Starnbergerin hielt einen blattlosen Ast in der Hand, um "mit dem Totholz" für einen politischen Wandel und die Klimapolitik zu demonstrieren.

"Fest für Demokratie": Für Zuhörerin Felicitas Balzer ist der Protest ein "wichtiges Zeichen".

Für Zuhörerin Felicitas Balzer ist der Protest ein "wichtiges Zeichen".

(Foto: Arlet Ulfers)

Hange hätte sich freilich "mehr Resonanz" gewünscht, wie er sagte. Vor zwei Jahren noch seien 250 Menschen auf dem Kirchplatz gestanden, als die Schlossberghalle erstmals zum Schauplatz der AfD wurde. Damals seien Anhänger der Rechtspopulisten und Teilnehmer der Gegendemonstration auf dem Kirchplatz aneinandergeraten. "Sie haben die Redner gefilmt und ins Netz gestellt, die daraufhin wochenlang mit Hass und Hetze überzogen wurden." Er war deshalb besonders dankbar für den friedlichen Nachmittag.

Am Abend blieben viele Stühle leer beim Wahlkampfabschluss der AfD in der mit Fahnen und Plakaten dekorierten Schlossberghalle. Etwa 60 Mitglieder und Sympathisanten waren gekommen, um Kandidaten und Vertreter zu hören. Direktkandidat Rainer Gross begann seine Rede mit den Themen Verschuldung und Inflation. Der bundesweite Spitzenkandidat Tino Chrupalla spannte den Bogen von der Asylpolitik über Corona-Maßnahmen bis zur Kritik an der EU.

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