StarnbergEs lebe die Bürokratie!

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Straßenlaternen haben das Zeug, die Starnberger Stadtverwaltung eine ganze Weile auf Trab zu halten.
Straßenlaternen haben das Zeug, die Starnberger Stadtverwaltung eine ganze Weile auf Trab zu halten. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Stadt Starnberg möchte ihre Straßenbeleuchtung mit LED-Lampen ausstatten. Das erfordert ein ausgiebiges Studium der Vorschriften. Gut so!

Von Linus Freymark, Starnberg

Das Schöne an der deutschen Bürokratie ist ja: Es wird nie langweilig mit ihr. Kaum meint man, den einen Wahnsinn hinter sich gebracht zu haben, lauert irgendwo der nächste Paragraf. So geht es Städten und Gemeinden, Unternehmen und Gastronomen gleichermaßen. Der Steuersatz auf Milchkaffee kann je nach enthaltener Milchmenge sieben oder 19 Prozent betragen. Und in Firmen wie öffentlichen Verwaltungen braucht es einen Trittleiterbeauftragten: Der Auserkorene hat die ehrenvolle Aufgabe, Leitern auf ihre Trittsicherheit hin zu überprüfen. Der Trittleiterbeauftragte geht dabei ein ganz schönes Risiko ein: Es gibt schließlich niemanden, der vor ihm die Leiter betritt, um die Sicherheit der Trittleiter für den Trittleiterbeauftragten zu testen.

Aber genug der Trittleiter, die für viele als Synonym für die überbordende Bürokratie steht, seitdem es eigens Beauftragte für sie gibt. Denn mindestens genauso geeignet als Illustration des Paragrafendschungels ist ein Vorgang, der sich gerade in Starnberg abspielt. Dort möchte die Stadt Starnberg ihre Laternen gerne mit LED-Leuchten ausstatten. Das ist klimatechnisch wie finanziell sinnvoll: Zwar kostet das Vorhaben erstmal einen Haufen Geld. Durch die Stromersparnis hätte die Stadt die Kosten von rund 900 000 Euro aber nach knapp 20 Jahren wieder drin – vorausgesetzt, der Strompreis bleibt konstant. Bürgermeister Patrick Janik plädierte deshalb „herzlich dafür“, das Projekt weiterzuverfolgen. Und das, obwohl es ihm und dem Rathaus einen Haufen Arbeit bringt und obendrein ein paar Jährchen dauern dürfte.

Denn für die LED-Beleuchtung hat die Stadt Anträge auf finanzielle Unterstützung bei Bund und Land gestellt und dabei unter anderem die „Förderbestimmungen zum Insektenschutz“ berücksichtigt. Dennoch gab es nun eine Absage von der Regierung von Oberbayern: Eine Förderung nach „KommKlimaFör“ – so hat ein findiger Mitarbeiter das entsprechende Programm getauft – sei nicht möglich, da „die Mittel inzwischen ausgeschöpft“ seien. Auf Deutsch: Der Topf ist leer, es gibt kein Geld.

Der Bund wiederum will fördern, braucht dafür allerdings Zeit. Den Starnberger Antrag könne man wohl „nicht vor dem vierten Quartal 2025 bewilligen“, heißt es von der Bundesförderstelle. Für die Stadt bedeutet das: Vor dem Frühjahr 2026 kann nicht mit den Ausschreibungen begonnen werden. Aufträge zu vergeben, ohne die Finanzierungszusage vom Bund dafür zu haben, sei nämlich „förderschädlich“, so die Stadtverwaltung. Deshalb wird es wohl bis zum Sommer 2027 dauern, bis alle öffentlichen Laternen Starnbergs mit LED-Leuchten ausgestattet sind. Und damit nicht genug: Für jede Laterne muss einzeln geplant werden. Leuchtmittel, Lampenaufsatz – alles muss passen. „Es ist alles sehr kompliziert in Deutschland“, staunte CSU-Stadtrat Ludwig Jägerhuber.

Dabei dürften dem Kommunalpolitiker die positiven Aspekte der allgegenwärtigen Regulierung entgangen sein. Klare Vorgaben vermeiden schließlich im besten Fall Streitereien. Und sie haben der Trittleiter zu unverhoffter Popularität verholfen. In diesem Sinne: Es lebe die Bürokratie!

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