Starnberg:Was aus den Bürgeranträgen geworden ist

Starnberg: Bürgerversammlungen gehören zum kommunalen Pflichtprogramm: Wenigstens einmal pro Jahr müssen Bürgermeister Rechenschaft über den Zustand ihrer jeweiligen Gemeinde ablegen - und die Bürgerinnen und Bürger können Anträge stellen.

Bürgerversammlungen gehören zum kommunalen Pflichtprogramm: Wenigstens einmal pro Jahr müssen Bürgermeister Rechenschaft über den Zustand ihrer jeweiligen Gemeinde ablegen - und die Bürgerinnen und Bürger können Anträge stellen.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Wahlberechtigte haben auf Bürgerversammlungen die Möglichkeit, Anträge einzubringen, die von Politik und Verwaltung innerhalb von drei Monaten bearbeitet werden müssen. Ein Überblick über die Entscheidungen in Starnberg: von Tempo 30 in der Riedeselstraße bis zur Seeanbindung.

Von Linus Freymark und Peter Haacke, Starnberg

Es ist das Recht eines jeden Bürgers, sich mit konkreten Anträgen in die Kommunalpolitik seiner jeweiligen Stadt oder Gemeinde einzubringen. Zwar bleibt es jedem unbenommen, sich bei Problemen und Problemchen direkt an Bürgermeister und Verwaltung zu wenden. Doch für einen Antrag, der auch politisch abgesegnet werden soll, besteht nur selten Gelegenheit. Die beste Möglichkeit hierfür sind Bürgerversammlungen, die wenigstens einmal pro Jahr stattfinden müssen. Stimmen die Anwesenden einem Antrag mehrheitlich zu, muss die Angelegenheit binnen drei Monaten in einem politischen Gremium der jeweiligen Gemeinde behandelt werden. In der Kreisstadt Starnberg hat es seit der Bürgerversammlung am 15. September noch zwei Ortsteilbürgerversammlungen in Söcking (6. Oktober) und Leutstetten (10. November) gegeben. Die dabei gestellten Anträge haben Haupt- und Finanzausschuss, Bauausschuss und Stadtrat fristgerecht behandelt. Hier die wichtigsten Entscheidungen:

Stadt soll kein Eigentum verkaufen

Starnberg: Potenzielles Verkaufsobjekt im Eigentum der Stadt Starnberg: Die Musikschule.

Potenzielles Verkaufsobjekt im Eigentum der Stadt Starnberg: Die Musikschule.

(Foto: Nila Thiel)

In Söcking wurde ein generelles Verkaufsverbot vom Eigentum der Stadt beantragt - insbesondere Grundstücke, Wohnungen und Immobilien. Aus Sicht der Verwaltung gestaltet sich das als schwierig: Bei einem generellen Verbot könnten etwa keine Einheimischen-Modelle seitens der Stadt entwickelt werden. Zudem wären Verwaltung und Gremien in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt. Ohnehin regelt die Gemeindeordnung, dass die Stadt nur Vermögensgegenstände veräußern darf, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht braucht. Ansonsten darf in der Regel nur zum vollen Wert veräußert werden. Der Hauptausschuss lehnte den Antrag ab.

"See and the City"

Starnberg: Als Verkehrsexperiment mit einer Laufzeit über mehrere Monate kam "See and the City" nicht bei allen Bürgern gleichermaßen an. Fahrradfahrer und Fußgänger befürworteten die Änderungen, Autofahrern und Ästheten gefiel es weniger gut.

Als Verkehrsexperiment mit einer Laufzeit über mehrere Monate kam "See and the City" nicht bei allen Bürgern gleichermaßen an. Fahrradfahrer und Fußgänger befürworteten die Änderungen, Autofahrern und Ästheten gefiel es weniger gut.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Bis heute umstritten ist das Projekt "See and the City", bei dem die Starnberger Bahnhofstraße von Mai bis Oktober in Teilbereichen umgestaltet wurde. Ein Antrag forderte nach Auswertung des Projekts, die Bürgerschaft über Ergebnisse und Schlussfolgerungen zu informieren. Auch sollten Interessierte die Möglichkeit bekommen, "sich bei der Planung zur Neugestaltung des Bahnhofbereichs einzubringen". Diese Punkte sind bereits erledigt: Die Stadtverwaltung hatte am 18. Oktober zur "Feedbackrunde" des Projekts eingeladen, stellte die Ergebnisse einer Umfrage vor - und zog daraus ihr Fazit: Einige Änderungen des Experiments bleiben, darunter Tempo 20. Fragen und Anregungen können weiterhin per E-Mail an see-and-the-city@starnberg.de gerichtet werden.

Tempo 30 in der Riedeselstraße

Starnberg: Tempo 30 ist das neue Tempo 40: In der Riedeselstraße wird die Geschwindigkeit gedrosselt.

Tempo 30 ist das neue Tempo 40: In der Riedeselstraße wird die Geschwindigkeit gedrosselt.

(Foto: Nila Thiel)

Beschlossene Sache ist ein Tempolimit von 30 Stundenkilometern auf der Riedeselstraße - ebenso wie auf der Hanfelder Straße und im Ortsgebiet Söcking: Die Verwaltung soll die Riedeselstraße in die bereits bestehende Tempo-30-Zone integrieren, für den Busverkehr sollen abweichende Vorfahrtsregeln gelten. Einen Fahrradschutzstreifen wird es nicht geben, stattdessen soll der bisherige Geh- und Radweg als Fußgängerweg "mit Freigabe für Radfahrer festgesetzt werden".

Hilfsrampen am Bahnhof See

Starnberg: Der Treppenaufgang ist hoch und steil am Bahnhof See: Hier kämpft sich Mirella Saldanha mit dem Fahrrad ihren Weg, eine Fahrrinne - auch für Kinderwagen, Rollatoren und rollende Reisekoffer - wäre praktisch.

Der Treppenaufgang ist hoch und steil am Bahnhof See: Hier kämpft sich Mirella Saldanha mit dem Fahrrad ihren Weg, eine Fahrrinne - auch für Kinderwagen, Rollatoren und rollende Reisekoffer - wäre praktisch.

(Foto: Nila Thiel)

Wer mit Kinderwagen, Rollator oder Fahrrad auf den Bahnsteig am Bahnhof See will, tut sich schwer mit steilen Treppenaufgängen. Beantragt wurde daher die Herstellung einer Hilfsrampe zur Erleichterung des Auf- und Abstiegs: Eine Minimallösung in Form von zwei Fahrspuren mit Mitteltreppe. Doch das Bahnhofsareal gehört der Deutschen Bahn und befindet sich somit nicht im Zuständigkeitsbereich der Stadt. Einzig mögliche Lösung: Die Verwaltung wird den Staatskonzern über den Antrag informieren und um wohlwollende Prüfung der Angelegenheit bitten.

Aufzug an der Mittelschule

Starnberg: Barrierefrei ist anders: Mit großem finanziellen Aufwand wurde die Mittelschule saniert, doch einen behindertengerechten Aufzug gibt es nicht.

Barrierefrei ist anders: Mit großem finanziellen Aufwand wurde die Mittelschule saniert, doch einen behindertengerechten Aufzug gibt es nicht.

(Foto: Nila Thiel)

In die Sanierung der Mittelschule ist schon viel Geld geflossen, doch der Bau eines Aufzuges, der weitestgehende Barrierefreiheit für - aktuell einen - Schüler mit motorischen Einschränkungen gewährleisten würde, fehlt noch. Der Bauausschuss beschloss nun, die Planungen mit einem Budget von 20 000 Euro im Haushalt für das Jahr 2023 aufzunehmen. Die bislang nur grob ermittelten Kosten für den Neubau eines Aufzuges betragen rund 250 000 Euro.

Geh- und Radweg Andechser Straße

Starnberg: Manchmal sind es nur sehr kleine Zeichen, die in die richtige Richtung weisen, doch die muss man erstmal finden: Von der Bründlwiese in Söcking führt ein relativ sicherer Radweg über Fichtenweg, Kühtal und Kiefernweg in Richtung Perchting und Andechs.

Manchmal sind es nur sehr kleine Zeichen, die in die richtige Richtung weisen, doch die muss man erstmal finden: Von der Bründlwiese in Söcking führt ein relativ sicherer Radweg über Fichtenweg, Kühtal und Kiefernweg in Richtung Perchting und Andechs.

(Foto: Nila Thiel)

Per Fahrrad oder auch zu Fuß: Von der Söckinger Bründlwiese aus nach Perchting zu gelangen, erfordert Ortskenntnisse, denn der Geh- und Radweg am westlichen Ende der Andechser Straße zweigt Richtung Süden in den Kiefernweg ab. Wer diesen Abzweig nicht kennt, lebt gefährlich, denn auf Höhe des Pförtnerhauses gibt es weder Geh- noch Radweg. Das wird allein schon aus finanziellen Gründen voraussichtlich so bleiben, denn der Ausbau auf einer Länge von 307 Metern hätte einen stolzen Preis: Die Verwaltung schätzt allein die Baukosten wegen problematischen Untergrunds auf 600 000 Euro - ein Meter kostete demnach 1954 Euro. Hinzu käme noch der Grunderwerb. Der Antrag dürfte in den Haushaltsberatungen für 2023 keine Chance haben.

Enteignung leerer Grundstücke

Starnberg: Zerschlagene Fenster, bemalte Fassade und seit Jahren unbewohnt: Oberhalb der Schlossberghalle und unterhalb des Starnberger Schlosses befindet sich ein Gebäude in höchst bemitleidenswertem Zustand. Eigentümer ist der Freistaat Bayern.

Zerschlagene Fenster, bemalte Fassade und seit Jahren unbewohnt: Oberhalb der Schlossberghalle und unterhalb des Starnberger Schlosses befindet sich ein Gebäude in höchst bemitleidenswertem Zustand. Eigentümer ist der Freistaat Bayern.

(Foto: Nila Thiel/Starnberger SZ)

Wohnraum ist ein begehrtes Gut. Dennoch lassen einige Grundstückseigentümer ihre Gebäude dauerhaft leer stehen: Die Häuser werden nicht genutzt und verfallen, obwohl laut Grundgesetz "der Gebrauch des Eigentums dem Allgemeinwohl dienen soll". Naheliegend daher ein Antrag aus Söcking: Enteignung. Doch so leicht ist das nicht: Eine Enteignung ist nur in sehr engen Grenzen möglich, die juristischen Hürden sind ebenso wie die Kosten einer Entschädigung extrem hoch. Gerichtsverfahren sind langwierig, Urteile werden oft erfolgreich durch die Eigentümer angefochten. Auch über die Möglichkeit einer Zweckentfremdungssatzung mit der Option, ein Bußgeld bis zu 500000 Euro bei Leerstand von mehr als drei Monaten zu verhängen, hatte der Stadtrat schon einmal 2019 beraten und abgelehnt. Dabei bleibt es weiterhin.

Live-Übertragungen

Starnberg: Testfall digitale Bürgerversammlung: Starnbergs Bürgermeister Patrick Janik präsentierte seinen Rechenschaftsbericht im Corona-Jahr 2020 als Video-Botschaft per Internet. Warum nicht immer so?

Testfall digitale Bürgerversammlung: Starnbergs Bürgermeister Patrick Janik präsentierte seinen Rechenschaftsbericht im Corona-Jahr 2020 als Video-Botschaft per Internet. Warum nicht immer so?

(Foto: Stadt Starnberg)

In vielen Firmen fanden und finden Besprechungen seit der Corona-Pandemie digital statt. Warum also nicht auch alle Bürgerversammlungen inklusive Online-Abstimmung der Wahlberechtigten? Ein entsprechender Antrag jedenfalls lag vor. Die Stadtverwaltung hat die Möglichkeiten für eine Umsetzung geprüft, stieß dabei aber schnell auf den Datenschutz als Hindernis. Erst recht bei Wortbeiträgen von Bürgern sei es schwierig, sich im Vorfeld die entsprechenden Genehmigungen einzuholen, hieß es aus dem Rathaus. Zudem seien die technischen Mittel nur im Großen Saal der Schlossberghalle vorhanden. Findet die Versammlung an anderem Ort statt, sind diese Voraussetzungen nicht gegeben. Der Stadtrat beschloss daher, dass lediglich der Rechenschaftsbericht von Bürgermeister Patrick Janik aus dem großen Saal der Schlossberghalle live übertragen wird - wie schon im Pandemiejahr 2020.

Radlstreifen auf der Hauptstraße

Starnberg: Für Radfahrer gibt es angenehmere Strecken als die Starnberger Hauptstraße.

Für Radfahrer gibt es angenehmere Strecken als die Starnberger Hauptstraße.

(Foto: Nila Thiel; .)

Um Radfahrer auf der Hauptstraße zwischen der Kreuzung am Tutzinger Hof und der Söckinger Straße zu entlasten, hatten Bürger dort einen Radfahrstreifen gefordert. Dieser Vorschlag soll nun in einer Arbeitsgruppe aus Politik, Verwaltung und Ehrenamt diskutiert werden. Stößt das Ansinnen dort auf Zustimmung, leitet die Stadt die Angelegenheit weiter an das zuständige Staatliche Bauamt in Weilheim, das dann die Einrichtung eines Radfahrstreifens prüfen soll.

Beschilderung Hanfelder Straße

Starnberg: Der Durchgangsverkehr soll nach einem Bürgerantrag nicht mehr wie bisher über die Hanfelder Straße geleitet werden, sondern über die Hauptstraße durch die Stadt zum Maxhof-Kreisverkehr.

Der Durchgangsverkehr soll nach einem Bürgerantrag nicht mehr wie bisher über die Hanfelder Straße geleitet werden, sondern über die Hauptstraße durch die Stadt zum Maxhof-Kreisverkehr.

(Foto: Nila Thiel/Starnberger SZ)

Gleiches gilt für die Änderung der Beschilderung an der Hanfelder Straße: Laut entsprechendem Antrag soll diese so geändert werden, dass der Verkehr nicht mehr über die Hanfelder Straße, sondern über die Westumfahrung geleitet wird. Konkret geht es um die Beschilderung an der Waldkreuzung und der Kreuzung am Tutzinger Hof. Dieser Vorstoß wird ohne vorherige Absprache nach Weilheim weitergeleitet und soll dort bearbeitet werden.

Bürgerinfo zur Seeanbindung

Starnberg: Um die Seeanbindung am Bahnhof See gibt es viele Diskussionen.

Um die Seeanbindung am Bahnhof See gibt es viele Diskussionen.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Ein seitens von Bürgern oft geäußerter Wunsch betrifft die Verhandlungen mit der Deutschen Bahn (DB) zur Seeanbindung. Viele wünschen sich hier mehr Informationen. Das Problem: Die Stadt hat sich gegenüber der Bahn zur Vertraulichkeit verpflichtet, bis die Gespräche abgeschlossen sind. Die Stadt Starnberg wurde 2019 von der DB auf Vertragserfüllung und Schadensersatz aus dem Bahnvertrag von 1987 verklagt. Sollten die Vermittlungsversuche scheitern, drohen Zahlungen in dreistelliger Millionenhöhe: Ein Desaster für die Stadt, es geht um 170 Millionen Euro. Bürgermeister Janik weckte nun zumindest die Hoffnung auf eine baldige Bürgerinformation: Sollten die Verhandlungen, wie erwartet, positiv verlaufen, falle demnächst die Verschwiegenheitsverpflichtung. Die Chancen auf öffentliche Informationen im Januar seien hoch, sagte Janik am Montag im Stadtrat. Gleichzeitig bekräftigte der Bürgermeister, es verstehe sich von selbst, die Bürger über den aktuellen Stand zu unterrichten - sofern rechtlich zulässig. Dementsprechend lautete der einstimmige Beschluss des Stadtrats: Die Öffentlichkeit wird umfassend informiert, sobald dies möglich ist.

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