Artenschutz:Ein seltenes Blümchen, das um sein Überleben kämpft
Das Bodensee-Vergissmeinnicht wächst wild ansonsten nur am Starnberger See. Doch die zarte Pflanze könnte wegen des Klimawandels für immer verschwinden.
Von Patrizia Steipe, Starnberg
Dem zarten Bodensee-Vergissmeinnicht, auf lateinisch Myosotis rehsteineri, sieht man seinen Wert nicht an. "Es ist eine der seltensten in Deutschland vorkommenden Pflanzen überhaupt", weiß Burkhard Quinger, Vorstandsmitglied des Bundes Naturschutz Starnberg. Weltweit findet man diese einzige Polsterpflanze unter den heimischen Vergissmeinnicht-Arten wildwachsend nur noch am Bodensee und am Starnberger See. "Es handelt sich am Starnberger See um die einzige wildlebende Population dieser Vergissmeinnicht-Art, die weltweit außerhalb der Bodensee-Ufer vorkommt und sich offenbar hält. Sie kann heute als das wohl wertvollste Wildpflanzen-Vorkommen gelten, das auf dem Terrain des Landkreises angesiedelt ist", versichert der Biologe.
Das Bodensee-Vergissmeinnicht wächst etwa zehn Zentimeter in die Höhe. Die zarten hellblauen Blüten, deren Blütenblätter sich im Zentrum zu einem gelben Stern formen, messen gerade einmal fünf Millimeter. Blütezeit ist im Frühjahr. Wahrscheinlich hat sich die Pflanze in der Späteiszeit an den von Quellen durchflossenen kiesigen Ufern des Bodensees angesiedelt. An Uferabschnitte, "die bei hohen Pegelständen im Sommer nach dem frühsommerlichen Eintreffen des Schmelzwassers aus den Alpen überstaut werden, die beim Niedrigwasser im Frühjahr jedoch noch frei liegen", erklärt Quinger. Denn für das Blümchen ist es lebenswichtig, dass seine Wurzeln regelmäßig von sauerstoffreichem Wasser durchsickert werden und es nicht austrocknet. Deswegen konnte sich die Pflanze bis heute gegen stärkere Pflanzenarten behaupten, die es nicht vertragen, unter Wasser zu liegen.
Schneearme Winter, immer wärmere Sommer mit viel geringeren Hochwasserständen als früher gefährden Myosotis rehsteineri zunehmend. Dazu kommt der kleiner werdende Lebensraum der Pflanze "Wir erleben das größte Artensterben seit dem Ende der Dinosaurier", sagt der Programmleiter Flächennaturschutz in Deutschland der Umweltorganisation WWF, Albert Wotke. Auf der "Roten Liste der Farn- und Blüten-Pflanzen Deutschlands" stehen 3000 Arten, darunter auch das Bodensee-Vergissmeinnicht in der höchsten Gefährdungskategorie "Akut vom Aussterben bedroht".
Am Starnberger See wächst die seltene Pflanze am Ostufer in einem Schutzgebiet, in dem Betretungsverbot herrscht. 1959 hat sie der Botaniker Andreas Bresinsky aus Regensburg dort entdeckt. Die genetischen Eigenschaften weisen darauf hin, dass die Pflanze noch nicht so lange dort angesiedelt ist und dass die Mutterpflanzen wohl vom Bodenseeufer bei Hegne am Untersee westlich von Konstanz stammen. Vielleicht wurde das Vergissmeinnicht am Starnberger See angepflanzt, oder Wasservögel haben seine Samen eingetragen, vermutet Quinger. Schließlich ist Myosotis rehsteineri eine endemische Pflanze. Das bedeutet, sie ist auf einem eng begrenzten Gebiet verbreitet und damit von Natur aus selten.
Das Starnberger Bodensee-Vergissmeinnicht wird seit mehr als 20 Jahren vom Landesbund für Vogelschutz, LBV, gepflegt. Im Rahmen des Monitorings werden die Bestände kartiert, Veränderungen erfasst, Schutz- und Pflegemaßnahmen durchgeführt. Gehölze werden zurückgeschnitten, damit sie nicht zu viel Schatten werfen. Angeschwemmtes Treibholz, Algen und auf die Polster gefallenes Laub wird entfernt.
Das Bodensee-Vergissmeinnicht können Hobbygärtner übrigens in Gärtnereien kaufen. Ob es gelingt, die Pflanze im Garten anzusiedeln, hängt von verschiedenen Kriterien ab. Man brauche einen Steingarten mit einem Bächlein, damit die Pflanze kühles Wasser und eine "Durchströmung" habe, erklärt der Biologe. Falls die Pflanze gedeiht, könnte in den privaten Gärten ein Beitrag dazu geliefert werden, damit das Blümchen nicht für immer verschwindet und der Spruch "Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken, nur die eine nicht und die heißt Vergissmeinnicht" auch für das Bodensee-Vergissmeinnicht gilt.