Sport gilt als die schönste Nebensache der Welt. Doch es gibt auch Menschen, die machen die Nebensache zur Hauptsache – und nebenher noch vieles andere mehr. Winfried Wobbe, den sie alle nur „Winni“ nennen, war immer ein Allrounder. Längst ist der einstige Sportlehrer im Ruhestand, aber noch immer mag er keine Ruhe geben. Der 77-Jährige hat Tausende Schüler von der fünften Klasse bis zum Abitur begleitet, ist aktives Mitglied in mehreren Sportvereinen, engagiert sich seit 28 Jahren im Stadtrat, ist in Musikgruppen aktiv und zudem treibende Kraft von „Starnberg bewegt“. Für seine Verdienste hat ihm der Bayerische Landessport-Verband (BLSV) jüngst den Ehrenamtspreis „Engagiert 2024“ verlieren.
„Die Vereine verdanken Winni sehr viel“, erklärte Walter Moser, Chef im BLSV-Sportkreis Starnberg. Im Rahmen einer Ehrenamtsgala des Sportbezirks Oberbayern in Glentleiten gab es für Wobbe nun eine Auszeichnung, die längst überfällig gewesen sei, betont Moser. Einhellig hatte der BLSV-Kreisvorstand für Wobbe plädiert – aus gutem Grund: Es gibt kaum einen sportlichen Posten, den Wobbe über die Jahrzehnte nicht innehatte.
Mit dem bayerischen „Engagiert“-Preis würdigt der Freistaat seit Jahren herausragende Leistungen im Ehrenamt: für die Sicherheit von Menschen, im Sport oder in der Integration. Die Preisträger stehen nicht nur für sich selbst, sondern stellvertretend für alle im Ehrenamt tätigen Menschen. „Sie nutzen ihre Freizeit, um anderen zu helfen, zu unterstützen und Bayern zu einem lebenswerten Ort zu machen“, erklärte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Die Auszeichnungen werden in verschiedenen Kategorien vergeben.
Und jetzt also Wobbe. Geboren 1947 im hessischen Fulda kam er als Elfjähriger nach Starnberg. Der Vater war früh gestorben, ein Autounfall. Bald darauf entdeckte seine Mutter in der Süddeutschen Zeitung eine Anzeige: Ende der Fünfzigerjahre war in Starnberg die „Blumensiedlung“ entstanden, ein für damalige Verhältnisse modernes Reihenhausprojekt. Schon bald siedelte Familie Wobbe 1959 an den Starnberger See um, und Winni erlebte trotzdem eine unbeschwerte Jugend. „Das Beste war immer das Strandbad“, schwelgt Wobbe in Erinnerungen. Die Jahreskarte kostete nur fünf Mark. Jeden Tag waren sie draußen, „auch bei Regen“.
Doch es gab noch weitaus mehr zu entdecken in der beschaulichen Kleinstadt. Der TSV 1880 Starnberg hatte ein unwiderstehliches Angebot: Turnen, Leichtathletik, Handball, Fußball, Tischtennis. Wobbe probierte alles aus. Und als 1972 die Olympischen Sommerspiele in München stattfanden, erwies sich Volleyball – in Deutschland damals noch Randsportart – als der Renner. Prompt gründete Wobbe eine Volleyball-Abteilung. Unter seiner Regie stieg das TSV-Team bis in die dritthöchste Liga auf. Wobbe erwies sich dabei als Multitalent: Er war Spieler und Trainer, Abteilungs-, Sport- und Jugendleiter sowie Fahnenträger.
Bis heute ist er im größten Starnberger Verein Mitglied des Verwaltungsrats, 2005 wurde ihm die Ehrenmitgliedschaft verliehen. Parallel dazu engagierte sich der vierfache Vater auch beim SV Wangen: Seit 1971 leitet der Vereinsvorsitzende bis heute das Kinderturnen, seit 25 Jahren ist er aktiv im Vorstand. Legendär waren auch die Wangener Skifreizeiten, die Wobbe für Teilnehmer mit kleinem Budget organisierte. Hinzu kamen Trainerjobs beim SC Percha für Kinderturnen und Skigymnastik.
Dass sich Wobbe später einmal mit Inbrunst dem Sport widmen würde, zeichnete sich schon früh ab. „Ich war nur ein mäßiger Schüler“, sagt er rückblickend. In Sport, Musik und Kunst aber gab es meist eine Eins. Zum Abitur am Gymnasium in Pasing reichte es dennoch. Nach einem Lehramtsstudium in München kehrte er 1975 nach Starnberg zurück und unterrichtete am Gymnasium Sport, Biologie, Ethik, Geografie und Musik, kümmerte sich um „Jugend trainiert für Olympia“ oder etablierte die „bewegte Pause“.

Ein echter Coup gelang ihm 1979, die Stadt Starnberg präsentierte sich im Fernsehen einem Millionenpublikum: Die Oberbayern hatten sich bei der TV-Sendung „Spiel ohne Grenzen“ beworben, einer Art Eurovision Song Contest für Sportler, der live im WDR ausgestrahlt wurde. „Ein Straßenfeger“, sagt Wobbe über die beliebte Spielshow, bei der allerlei originelle sportliche Geschicklichkeitsspiele bewältigt werden mussten. Im nationalen Entscheid qualifizierte sich das von Wobbe betreute Team zwar für die Endrunde. Doch dann verpassten die Starnberger im jugoslawischen Donji Milanovac mit zwei letzten Plätzen im Wettbewerb eine bessere Platzierung. Eine ganze Mappe mit Bildern und Zeitungsbeiträgen hat Wobbe dazu gesammelt – und bekommt leuchtende Augen, wenn er davon erzählt.
„Ich mag nicht streiten“, sagt Wobbe, „ich bin harmoniebedürftig“.
Dass er sich seit 1986 als Stadtrat für Kommunalpolitik engagiert, ist eher einem Zufall zu verdanken. Gerne hätte auch die CSU den ungekrönten Dorfkönig von Wangen Mitte der Achtzigerjahre für den Stadtrat angeheuert, doch das hätte ihm massiven Ärger mit seiner Ehefrau beschert – sie ist kein CSU-Fan. Also entschied er sich für die UWG, die „bessere CSU“. Zumal Wobbe nicht streiten mag: „Ich bin harmoniebedürftig“, bekennt er, mit Kompromissbereitschaft könne man doch fast alles hinkriegen. Zwölf Jahre lang war er Jugendreferent (1996 – 2008), dann dritter Bürgermeister (2008 – 2014) und seit 2014 ist er Sportreferent. In zwei Jahren aber soll nach insgesamt 30 Jahren Schluss sein. Wobbe, mittlerweile Starnbergs ältester Stadtrat, will 2026 altersbedingt nicht erneut kandidieren. Und wegen der Auswirkungen auf Verkehr und Umwelt mag er auch dem Ausbau des Gewerbegebiets Schorn nicht zustimmen.


Zu abendlichen Sitzungen der politischen Gremien radelt er meist, auch im Winter, um seinen „ökologischen Fußabdruck“ möglichst kleinzuhalten. „Im Herzen bin ich ein Grüner“, scherzt Wobbe. Von seinem Wohnort Fercha am östlichsten Zipfel des Landkreises bis zum Starnberger Rathaus benötigt er bergab 20 Minuten, zurück – bergauf – etwas länger. Im heimischen Garten grünt und blüht es, die ganze Familie hat ein Herz für Tiere.



Seine dritte große Leidenschaft ist die Musik: Die „Yaks“ waren in den späten Sechzigerjahren in Starnberg so etwas wie eine Boygroup, eine lokale Top-Band, die munter coverte, was in der Hitparade aktuell war. Wobbe beherrschte anfangs zwar nur leidlich ein paar Akkorde auf der Gitarre. „Aber wir waren die Besten“, sagt er. 1970 zerfiel die Combo – und gründete sich 2005 neu. Bis heute spielen sie mit Wonne und Wobbe am Bass die alten Songs. Die Begeisterung ist geblieben, bei der Band wie beim Publikum. Die „Yaks“ beschallen Stadtfeste, Revival-Abende oder den „Stadtstrand“ vor dem maroden Hotel „Bayerischer Hof“: Wobbe macht sich seit Jahren stark für die sommerliche, kostenlose Veranstaltungsserie im Rahmen des „Kultursommers“.
„Starnberg bewegt“ war vorerst seine letzte Aktion: Mitte Oktober präsentierten sich Starnbergs Sportvereine in Zusammenarbeit mit der „City Initiative“ in der Innenstadt – ohne finanzielle Unterstützung der Stadt. Sport und Spiel sollten einen Sonntag lang die Innenstadt beleben, doch der Regen machte Wobbe und seinen Mitstreitern fast einen Strich durch die Rechnung. Man kann aber schon jetzt sicher sein, dass er das kleine Sportfest auch nächstes Jahr wieder organisieren wird – natürlich als Ehrenamtlicher.