Gastronomie in der Corona-Krise:Im Biergarten wird jetzt "gefensterlt"

Die Wirte im Fünfseenland bereiten sich auf den Ansturm der Gäste vor und setzen ein speziell für den Landkreis entwickeltes Hygienekonzept um.

Von Christine Setzwein

Ein bisschen nervös sei sie schon, sagt Barbara Lindinger. Die Ungewissheit, wie es wird, wenn kommende Woche Biergärten und Außenbereiche von Gaststätten wieder öffnen dürfen, ist immer noch groß. Aber Lindinger und ihre Schwester Katharina Kowollik vom "Sepperlwirt" in Seefelder Ortsteil Meiling sind vorbereitet. So wie Thomas Ruf vom "Gasthaus Ruf" in Seefeld, Till Weiß vom "Augustiner am Wörthsee" und viele andere Gastronomen im Fünfseenland. Unter Federführung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung im Landkreis Starnberg (GWT), des Starnberger Hotel- und Gaststättenverbands und der Seefelder Unternehmerin Birgit Knoll haben sie ein Hygienekonzept entwickelt mit Leitlinien, die sowohl den Gastronomen als auch den Gästen den Wirtshausbesuch entspannt und gemütlich machen sollen. Auch der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) bietet Muster für Verhaltensregeln und ein Wegeleitsystem an.

Aber die Starnberger wollten etwas Eigenes, etwas Bayerisches für die vielen Traditionsgaststätten, die es hier gibt. Für GWT-Geschäftsführer Christoph Winkelkötter steht fest: "Da können sich die Wirte im übrigen Bayern ein Beispiel nehmen." Wenn jemand das Wort "fensterln" wie "fenschterln" ausspricht, kann es sich nur um einen Schwaben handeln. Birgit Knoll kommt aus Friedrichshafen und hat ihren Dialekt nie abgelegt. Gerade ist die 52-Jährige viel unterwegs mit ihrem "Gastronomie- und Hotelleriekonzept". Vom Sepperlwirt zum Ruf, vom Ruf zum Augustiner, weiter zum Seehof in Herrsching, zum Gasthaus Georg Ludwig in Maising, zum Jaklhof in Wörthsee oder zum Café Aenishänslin in Weßling.

Biergärten werden für Öffnung vorbereitet

Warten auf die Gäste: Till Weiß im Biergarten des "Augustiner am Wörthsee". Tische und Bänke müssen noch auf Abstand gebracht, für die Gäste wird es ein Leitsystem geben.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Überall hat sie weiß-blaue Pfeiler, Tischsets aus Papier mit verschiedenen Mustern oder mit der Speisekarte bedruckt sowie bunte Mund-Nasen-Schutzmasken im Alpenstil dabei. Und natürlich den "Spuckschutz" für die Tische, den kein Mensch gerne so nennt. Darum ist Knoll auf die Idee gekommen, die Scheiben aus recyceltem Polyethylenterephthalat (PET) so zu bedrucken, dass sie aussehen wie echte Fenster. So entstand auch das Motto: "Mia fensterln im Landkreis Starnberg." Die gesamte Ausstattung wird in Seefeld produziert, hergestellt wird alles über die eigene Marke "Myspotti" der Seefelder Firma "Digitalkonzept", deren Geschäftsführer Birgit Knoll und ihr Mann Manfred Mies sind.

Thomas Ruf hat schon mal fünf "Fenster" für das Restaurant und drei für den Biergarten geordert. Er ist froh, dass es wieder los geht. Die anfängliche Starre habe sich gelöst. "Keine Gäste in einem Wirtshaus, das ist doch nichts", sagt er. Wobei die vergangenen zwei Monate alles andere als erholsam waren für ihn. Der Abhol- und Lieferservice sei immer mehr geworden, außerdem werde das Restaurant renoviert, erzählt er.

Biergärten werden für Öffnung vorbereitet

Der "Fensterln-Test" beim Sepperlwirt in Meiling: (von links) Julia Leopoldseder, Birgit Knoll, Katharina Kowollik, Norbert Keßler und Barbara Lindinger.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Was auf die Gäste zukommt, steht von Montag an auf einer großen Tafel am Eingang zum Lokal und Biergarten. Gleich beim Betreten können sie sich die Hände desinfizieren, sie werden zu ihrem Tisch geführt. Speisekarten, Bargeld und EC-Karten werden mit UVC-Lampen entkeimt. Die Tische sind natürlich im vorgeschriebenen Abstand von 1,50 Meter aufgestellt, das Personal trägt Mundschutz, Speisen werden auf Wunsch mit Servierglocke serviert. Die Gäste müssen den Mundschutz bis zu ihrem Tisch tragen und sobald sie aufstehen.

Von allen Gästen müssen die Personalien aufgenommen werden, um eventuelle Ansteckungen zurückverfolgen zu können. 120 Plätze hat Thomas Ruf im Biergarten, Pfeile auf dem Boden mit dem weiß-blauen Rautenmuster und den Hinweisen auf Bairisch - "do gehts lang" - zeigen den Weg. Der Seefelder Gastronom will weitere Außenplätze im Hof schaffen und auf dem Marienplatz vor der Pfarrkirche. Mit dem Pfarrer habe er bereits gesprochen, der sei nicht abgeneigt, weil "wieder Leben einkehren" müsse in Seefeld. Den Antrag bei der Gemeinde habe er eingereicht, sagt Ruf.

Biergärten werden für Öffnung vorbereitet

Auch die Pfeile gehören zum Hygienekonzept.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Auch Till Weiß steht in den Startlöchern. Der Pächter des "Augustiner am Wörthsee" hat gerade für 1000 Euro Desinfektionsmittel bekommen. Die Kosten für die Hygienemaßnahmen müsse er teilweise umlegen, er werde einen Euro pro Hygienegedeck verlangen, sagt Weiß. Für die Gäste wird das Vordach vor der Gaststätte umgebaut zur "Blumenstraße". Dort könne sie im Abstand von 1,5 Metern warten. Die weiß-blauen Pfeile von Birgit Knoll weisen den Weg, es wird ein Leitsystem mit einer Art Einbahnstraße geben.

Ob jeder Wirt seinen Biergarten schon eine Woche vor der Öffnung des Restaurants aufmacht, kann GWT-Chef Winkelkötter nicht sagen. "Jeder muss sich selber fragen, ob das Sinn macht." Für Till Weiß macht es Sinn. Seit zehn Jahren spart die Familie auf ein eigenes Haus. Die Hälfte davon ist nun wegen Corona weg.

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