Starnberg:Bewährung trotz Vorstrafen

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46-Jähriger muss wegen Schwarzfahrens nicht ins Gefängnis

Von Andreas Salch, Starnberg

Immerhin eine Jahreskarte hat der Angeklagte jetzt. Damit wäre sichergestellt, dass er nicht wieder beim Schwarzfahren erwischt wird. In der Vergangenheit war das nämlich schon öfters der Fall. Unter den 17 Vorstrafen im Bundeszentralregister eines Bodenlegers aus dem nordöstlichen Landkreis finden sich allein vier wegen sogenannten Erschleichens von Leistungen, Schwarzfahren also. Im Dezember vergangnen Jahres hatte sich der 46-Jährige erneut wegen Erschleichens von Leistungen verantworten müssen. Das Amtsgericht Starnberg verhängte sechs Monate Haft. Und zwar ohne Bewährung. In der Zeit zwischen September und Dezember 2015 hatten Kontrolleure der Bahn den Bodenleger viermal ohne Ticket in S-Bahnen ertappt. Den dadurch entstandenen "Gesamtschaden" bezifferte das Unternehmen auf 14,90 Euro.

Zur Tatzeit stand der 46-Jährige unter laufender Bewährung. Bei dem Angeklagten handle sich somit um einen "Bewährungsversager", heißt es in der Urteilsbegründung des Amtsgerichts. Und weiter: Wegen der einschlägigen Vorstrafen gebiete die Rechtsordnung die Verhängung einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Gegen dieses Urteil legte der Bodenleger nun vor dem Landgericht München II Berufung ein, mit dem Ziel, dass die Strafe noch einmal zur Bewährung ausgesetzt wird. Wie man in seinem Fall eine Bewährungsstrafe begründen solle, fragte Richterin Sabine Klemt den Angeklagten. Er wolle sich nicht rechtfertigen, antwortete der 46-Jährige. Schwarzfahren sei eine "komische Verhaltensweise" aus der Zeit, in der er heroinsüchtig gewesen sei. Diese "komische Verhaltensweise" schleiche sich immer wieder ein, erklärte der Angeklagte. Er wisse auch nicht, wie das passieren kann. Der Verteidiger des Bodenlegers, Rechtsanwalt Andreas Fischer, sagte, in den 15 Jahren, in denen sein Mandant Heroin genommen habe, habe er "dissoziale Verhaltensweisen" entwickelt. Dazu zähle auch Schwarzfahren. Der Angeklagte müsse erst wieder lernen, sich in allen Situationen gesetzeskonform zu verhalten. Aber es gehe um vier Fälle, hakte Richterin Klemt nach. Die Crux an der Sache sei die Sozialprognose des Angeklagten. Was deutet darauf hin, dass er in Zukunft nicht wieder ohne Ticket in eine S-oder U-Bahn einsteigt?

Wenn der Angeklagte in Haft komme, seien all seine Bemühungen Makulatur, warnt der Verteidiger bei seinem Plädoyer. Der Job wäre weg und die Tochter des 46-Jährigen, die sich auf das Abitur vorbereite, wäre nicht versorgt. Das Urteil des Amtsgerichts sei gerechtfertigt, befand dagegen der Staatsanwalt. Er sprach dem Bodenleger Hochachtung aus - dafür, dass er vom Heroin wegekommen ist. Umso erstaunlicher sei es, dass er schwarz fahre. Und das obwohl dieser eine Arbeit, eine Wohnung und ein geregeltes Einkommen habe. Am Ende setzte Richterin Sabine Klemt die sechsmonatige Haftstrafe dann aber doch noch zur Bewährung aus. Die Sache habe "absolut auf der Kippe" gestanden. Das Urteil sei angreifbar, gibt die Vorsitzende zu, "aber wir haben uns dazu durchgerungen."

© SZ vom 03.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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