Baumschutz:Sägen mit amtlichem Segen

Baumschutz: Grünes Starnberg: Die meisten Grundbesitzer sind stolz auf ihren prächtigen Baumbestand wie hier in der Waldschmidtstraße - doch Bäume sind seit 2015 ungeschützt.

Grünes Starnberg: Die meisten Grundbesitzer sind stolz auf ihren prächtigen Baumbestand wie hier in der Waldschmidtstraße - doch Bäume sind seit 2015 ungeschützt.

(Foto: Arlet Ulfers)

Starnberg erwägt die Rückkehr zu einer Verordnung, die 2015 außer Kraft gesetzt worden war: Erst ab 1,30 Meter Stammumfang soll künftig eine Fällgenehmigung erforderlich sein.

Von Peter Haacke, Starnberg

Die Stadt Starnberg erwägt eine Rückkehr zur Baumschutzverordnung: Nach sieben Jahren, in denen in der Kreisstadt auf Privatgrundstücken nach Belieben abgeholzt werden durfte, soll auf Antrag der CSU nun wieder erhaltenswerter Baumbestand vor der Kettensäge gerettet werden. Der Ausschuss für Umwelt empfiehlt dem Stadtrat nun eine Wiedereinführung der umstrittenen Verordnung.

Eine Welle der Empörung rauschte im Juli 2015 durch Starnberg: Eine dünne Mehrheit im damaligen Stadtrat hatte auf Betreiben der WPS mit Unterstützung von BMS, FDP, BLS und Bürgermeisterin Eva John (jetzt: Pfister) die Baumschutzverordnung gekippt - entgegen der ausdrücklichen Empfehlung der Verwaltung. Das bewährte Instrument, das seit 1992 Baummassaker an hundertjährigen Riesen auf Privatgrundstücken verhindern sollte, wurde ersetzt. Um die Gemüter zu besänftigen, wurde ein "Förderprogramm zur Baumpflege privater Bäume" auf den Weg gebracht. Dieses gewährte seit 2016 in begrenztem Rahmen Zuschüsse zu Erhaltungsmaßnahmen an schützenswerten Bäumen. Insgesamt wurden seither rund 120 000 Euro an Privatleute ausbezahlt.

Dennoch erwies sich das Programm weitgehend als wirkungslos, immer größere Schneisen entstanden auf potenziell bebaubare Flächen im üppigen Stadtgrün. Dabei erfolgten die größten Sünden nicht etwa durch die Kettensäge in der Hand des mündigen Bürgers, sondern durch findige Bauträger und Investoren. Wie schon in den Siebziger- und Achtzigerjahren wurden wertvolle Baumbestände mit Blick auf die Erlöse rücksichtslos niedergemacht. Aktuelle Beispiele hierzu finden sich etwa im Almeidaweg oder auch an der Wilhelmshöhe, erläuterte Vize-Bürgermeisterin Angelika Kammerl (CSU), die bereits im Februar 2021 im Namen ihrer Fraktion die Wiedereinführung der Baumschutzverordnung beantragt hatte.

Es folgte der mühselige Gang durch die Instanzen. Die Fraktionen waren zur Stellungnahme aufgerufen, die Verwaltung wurde mit der Neufassung des nun vorliegenden Verordnungstextes beauftragt. Wesentliche Änderung des Entwurfs, der auf der ursprünglichen Starnberger Baumschutzverordnung und Mustern anderer Kommunen basiert: Entscheidend ist nun der gemessene Stammumfang in einem Meter Höhe über dem Erdboden. War bislang ein Umfang von einem Meter - das entspricht einem Durchmesser von etwa 32 Zentimetern - die Grenze für ein genehmigungsfreies Fällen, soll sie künftig bei 1,30 Meter (zirka 41 Zentimeter Durchmesser) liegen. In jedem Fall ergibt sich für die Verwaltung ein Mehraufwand durch Anträge, Prüfungen und Kontrolle.

Baumschutz: Steht bereits unter Denkmalschutz: Die Linde von Söcking - ein Wahrzeichen, das schon mehr als 200 Jahre alt ist.

Steht bereits unter Denkmalschutz: Die Linde von Söcking - ein Wahrzeichen, das schon mehr als 200 Jahre alt ist.

(Foto: Nila Thiel)

Ansonsten soll es bei früheren Vorgaben bleiben. Der Baumbestand im Stadtgebiet soll geschützt werden. Demnach ist es im Grundsatz verboten, geschützte Bäume ohne Genehmigung zu entfernen, zu zerstören, zu schädigen oder zu verändern. Dazu gehört unter anderem das Befestigen der Oberfläche mit wasser- oder luftundurchlässigen Belägen, Abgrabungen, Ausschachtungen, Aufschüttungen oder Bodenverdichtungen durch Befahren oder Abstellen von Fahrzeugen, das Lagern, Anschütten oder Ausgießen giftiger Stoffe, von Abwässern, Abfällen und sonstigem Material. Muss ein Baum entfernt werden - die Verordnung sieht Ausnahmen vor - kann die Stadt eine Ersatzpflanzung oder Ausgleichszahlung verlangen.

Das Bußgeld bei Zuwiderhandlungen gegen den Baumschutz beträgt bis zu 50 000 Euro

Die Verwaltung ist verpflichtet, über eine Fällgenehmigung innerhalb von zwei Monaten zu entscheiden - andernfalls gilt die Genehmigung als erteilt. Sollte ein Antrag abgelehnt werden, ist der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt dazu eine Stellungnahme vorzulegen. Ebenfalls gut zu wissen: Wer vorsätzlich oder fahrlässig geschützten Baumbestand ohne Genehmigung verändert, schädigt, zerstört, entfernt oder behördlichen Auflagen nicht nachkommt, muss mit einer Geldbuße von bis zu 50 000 Euro rechnen.

Die Debatte um die Baumschutzverordnung, die mit dem Erlass einer neuartigen "Grünordnungs- und Gestaltungssatzung" für Einfriedungen, Freiflächen- und Gebäudegestaltungen in Starnberg korrespondiert, ist noch nicht beendet. Sollte der Stadtrat mehrheitlich dafür stimmen, geht der Entwurf mit seinen elf Paragrafen in eine einmonatige öffentliche Auslegung. In diesem Zeitraum können Stellungnahmen und Einsprüche geltend gemacht werden. Bis zur endgültigen Entscheidung dürfte voraussichtlich noch weitere Zeit verstreichen.

Um das Schutzziel bereits vorab zu gewährleisten, besteht jedoch die Möglichkeit, eine Sicherungs-Verordnung - gleichbedeutend mit einer Veränderungssperre im Bauplanungsrecht - zu verhängen. Die würde aber erst von Herbst an greifen, denn im Sommer dürfen ohnehin keine Bäume gefällt werden. Immerhin: Auch das Förderprogramm zur Baumpflege soll 2023 mit einem 10 000-Euro-Etat fortgesetzt werden.

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