Stadt Starnberg:Bauherren warten bis zu drei Jahre

Starnberg RH, Stephan Weinl

Unter Druck: Stadtbaumeister Stephan Weinl fehlt Personal, das Beratungsangebot wird eingeschränkt.

(Foto: Georgine Treybal)

Das unterbesetzte Bauamt kommt bei Sonderwünschen nicht hinterher. Nun gibt es dort keine Beratung mehr.

Von Peter Haacke

Es klang wie ein Hilferuf aus dem Rathaus. "Wir werden der Lage nicht mehr Herr", berichtete Nicola Gotthardt-de Caluwé im Bauausschuss, "wir können nicht mehr zeitnah reagieren." Mitarbeiter des chronisch unterbesetzten städtischen Bauamtes würden zunehmend von verärgerten Bauwerbern "moralisch unter Druck gesetzt", weil Anfragen und Anträge zur Änderung von Bebauungsplänen nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung bearbeitet werden können.

Angesichts der immer dramatischeren Umstände zog das Rathaus nun die Reißleine: Aufgrund der anhaltend knappen personellen Ressourcen gibt es im Stadtbauamt ab sofort keine Bauberatung mehr, sämtliche Bauvorhaben der Stadt werden künftig nach Wichtigkeit priorisiert, Sonderwünsche stehen hinten an.

Die seit Jahren angespannte Arbeitssituation der Abteilung "Stadtentwicklung, Stadtplanung und Bauordnung" ist nicht neu und war den Stadträten schon im Rahmen der Haushaltsberatungen dargelegt worden. Im Bauamt mit den Sachgebieten Stadtplanung/Bauordnung, Hochbau/Liegenschaften sowie Straßen- und Landschaftsbau sind insgesamt 34 Stellen - davon sechs in Teilzeit - vorhanden. Allerdings sind sieben Vollzeitstellen derzeit unbesetzt, eine ist zeitnah vakant, eine weitere Elternzeit ist angekündigt. Allein für die Bearbeitung von Bauanträgen und -leitplänen sind im Rathaus zwar fünf Vollzeitstellen vorgesehen, von denen aber zwei bereits seit eineinhalb Jahren ausgefallen sind.

Hinzu kommt: Der Arbeitsmarkt ist quasi leergefegt, weiß Stadtbaumeister Stephan Weinl. Fachkräfte wie Bauingenieure, Architekten oder Umwelttechniker sind rar in Zeiten des Baubooms. Zumal ein Job in der Privatwirtschaft oft attraktiver und besser bezahlt ist als der öffentliche Dienst. Zeitlich befristete oder Teilzeitstellen bleiben unbesetzt. Weinl: "Die Lücken können nicht gefüllt werden."

Zugleich aber steigt der Druck: Im Vergleich zu den Jahren 2018 bis 2020 ist die Anzahl an Bauanträgen, Vorbescheiden, Verlängerungsanträgen, Genehmigungsfreistellungen oder isolierten Befreiungen in Starnberg nahezu ums Doppelte gestiegen. Bereits in den ersten fünf Monaten dieses Jahres sind 160 Anträge eingegangen, 200 waren es bisher durchschnittlich im ganzen Jahr. Zwar betont Weinl, dass wir "bisher keine einzige Frist versäumt haben und die Pflichtaufgaben erfüllen". Das gilt aber nur für die eindeutigen Fälle.

Komplizierter wird es immer dann, wenn es um Sonderwünsche geht und die Vorgaben der 380 Bebauungspläne im Stadtgebiet geändert werden müssen: Der Verwaltungsaufwand ist enorm. Der Ärger darüber aus Sicht potenzieller Bauherren, die bis zu drei Jahre warten müssen, um - abweichend vom Bebauungsplan - ein zusätzliches Gebäude, ein weiteres Dachgeschoss oder auch nur eine Garage errichten zu können, ist nachvollziehbar. Denn auch die Baupreise steigen um bis zu 15 Prozent pro Jahr.

Doch die Liste im Bauamt ist lang: Von 35 Verfahren, für die Aufstellungsbeschlüsse vorliegen oder in Vorbereitung sind, kann derzeit nur ein Drittel bearbeitet werden. Der Voltigierverein möchte seine Anlagen erweitern, an der Starnberger Wiese will ein Eigentümer sein Haus aufstocken, in Söcking soll ein Wohngebäude entstehen, in Wangen ein zusätzliches Dachgeschoss gebaut werden. Unter den meisten Projekten steht der Vermerk: "Bearbeitung wurde noch nicht begonnen."

Einen Ausweg aus dem Dilemma soll eine Priorisierung bringen, man will sich "auf die wesentlichen Aufgaben konzentrieren" sagt Weinl. Vorrang haben Projekte von "großer städtebaulicher Bedeutung" wie die Gewerbegebiete Schorn und "Moosaik" oder das Einheimischen-Modell am Wiesengrund. An zweiter Stelle stehen Bauvorhaben mit gemeinnützigem Zweck sowie Projekte von öffentlichem Interesse. Erst an dritter Stelle folgen Anfragen, deren Hintergrund Nachverdichtungsabsichten in Wohngebieten auf Grundstücken mit bestehendem Baurecht sind. "Wir können im Vorfeld aber nie abschätzen, wie lange ein Verfahren wirklich dauert", erläuterte Gotthardt-de Caluwé.

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