Einzelhandel in Starnberg:Ausgebastelt

Sybille Dimbath schließt nach mehr als 40 Jahren ihre Bastel-Boutique, weil sie keinen Nachfolger findet. In den kommenden sechs Monaten muss alles raus - 10 000 Artikel, von Papier über Perlen bis zu Ausstechformen.

Von Sabine Bader

"Danke für Ihren Rat, und machen Sie noch recht lange weiter", sagen treue Kunden gern zu ihr. Wann immer dieser Satz momentan fällt, wird Sybille Dimbath recht leise. Wehmut liegt in der Luft. Denn die 75-Jährige hat sich entschlossen, ihre Bastel-Boutique in Starnberg im kommenden Jahr aufzugeben. Der Mietvertrag für den Laden endet am 31. Juli 2020. Dann will die Gastwirtsfamilie Scholler das Gebäude in der Hanfelder Straße von Grund auf sanieren und vor allem die elektrischen Leitungen erneuern. Das heißt: Alle Regale müssen raus und damit auch die komplette Ware.

Wer die Bastel-Boutique schon einmal betreten hat, dem dämmert es, was dies bedeutet. Sybille Dimbath hat es kürzlich treffend so ausgedrückt: "Ich habe alles, nur keinen Platz." Jeder Zentimeter des kleinen Gebäudes ist voll. Bis unter die Decke reichen die Regale, Gestelle, Körbe und Schächtelchen. Und das Erstaunliche: Dimbath weiß genau, wo sie alles findet. Eines der wichtigsten Utensilien ist dabei die Trittleiter, mit der sie den gewünschten Karton auch ganz oben erhaschen kann. "Ich habe alles verstaut, darum weiß ich in den allermeisten Fällen auch genau, wo alles steht."

Einzelhandel in Starnberg: In den Regalen liegen Papiere, hängen Bänder, stehen Farben, Ausstechformen und mehr.

In den Regalen liegen Papiere, hängen Bänder, stehen Farben, Ausstechformen und mehr.

(Foto: Arlet Ulfers)

Und das will etwas heißen. Denn das Sortiment umfasst mehr als 10 000 unterschiedliche Artikel - und von jedem mehrere. Da gibt es buntes Papier in unterschiedlicher Stärke und Größe, Farben aller Art, Klebstoffe, Geschenkbänder, Ausstechförmchen, Federn, Felltiere und Seidenblumen. In den Regalen warten Holz-, Styropor- und Papptiere und Schächtelchen auf Kinder, die sie bekleben. Es gibt Ton, Keramik- und Gießmasse, Schmuck, Verzierwachs für Kerzen sowie Gestelle mit bunten Perlen zum Auffädeln. Dimbath weiß auch zu jedem Utensil, wie man es verwendet. Das meiste davon hat sie selbst ausprobiert, und sie weiß, für welche Altersgruppe die eine oder andere Bastelarbeit geeignet ist.

Einzelhandel in Starnberg: Die 75-jährige wird ihren Laden in der Hanfelderstraße in Starnberg im nächsten Jahr jedoch schließen.

Die 75-jährige wird ihren Laden in der Hanfelderstraße in Starnberg im nächsten Jahr jedoch schließen.

(Foto: Arlet Ulfers)

Eine Zeit lang hatte es so ausgesehen, als sei die Nachfolge geregelt. Eine Mitarbeiterin hatte Interesse angemeldet. Doch letztlich zerschlug sich das Ganze. "Leider", sagt sie. Auch hätte sie der jungen Frau nicht guten Gewissens dazu raten können, das Wagnis einzugehen. Denn der Laden trägt sich nur, wenn man zeitlich flexibel ist und fast ohne Aushilfen auskommt. "Früher stand ich mehr als 30 Stunden pro Woche im Laden. Da ging das gut", doch seit viele Kunden ins Internet abgewandert seien und Bau- und Drogeriemärkte ein paar Bastelartikel in ihren Sortimenten führen, müsse man finanziell Abstriche machen. Und reine Bastelgeschäfte gibt es kaum mehr. Dimbaths Laden ist zwischen München, Landsberg und Garmisch-Partenkirchen wohl der einzige. Alle anderen Geschäfte dieser Art mussten aufgeben.

Einzelhandel in Starnberg: Geplant sind in den nächsten Monaten regelmäßige Rabattaktionen. Gestartet wird sofort mit allen Weihnachtsartikeln.

Geplant sind in den nächsten Monaten regelmäßige Rabattaktionen. Gestartet wird sofort mit allen Weihnachtsartikeln.

(Foto: Arlet Ulfers)

Was in diesem Jahr der 75-Jährigen die Arbeit noch erschwerte: Im Oktober hat sie ein neues Knie bekommen und fiel eine ganze Weile aus, so dass sie zeitweise fünf Aushilfen und Teilzeitkräfte beschäftigen musste. Schmerzfrei ist sie bis zum heutigen Tag noch nicht, und langes Stehen im Laden ist Gift für ihr Gelenk.

An der Höhe der Ablösesumme für den Warenbestand würde es nicht scheitern, da könne man sich schon einigen, glaubt sie. Übrigens hat auch Dimbaths Tochter Nicola Schüpferling letztlich abgewunken, ins Geschäft einzusteigen. "Ich habe drei Kinder im Alter von 18, 16 und zehn Jahren und einen anderen Beruf", sagt sie. Auch wenn die 47-Jährige ihre Mutter an zwei Vormittagen in der Woche im Laden vertritt und um den ganz besonderen Charme des Geschäfts weiß, würde die Übernahme für sie keinen Sinn machen. Denn sie ist Musiklehrerin für Klarinette und Flöte, liebt ihren Beruf und unterrichtet im Schäftlarner Familienzentrum und privat. Dimbaths zehnjährige Enkelin Matilda ist so traurig darüber, dass die Oma ihr Bastelgeschäft aufgeben will, dass sie gemeinsam mit Freundinnen über Ideen zur Ladenrettung brütet. Natürlich ist auch Sybille Dimbath wehmütig, schließlich ist sie mehr als 40 Jahre lang fast täglich von Wolfratshausen, wo sie wohnt, nach Starnberg gefahren und hat in ihrem Laden fast alle Regale selbst gebaut. "Ich hänge an ihm." Dennoch wird es Dimath im Ruhestand nicht langweilig werden. Sie will viel Geige und Tennis spielen, wandern, Ski fahren und verreisen - zuerst nach Chile.

Einzelhandel in Starnberg: Sybille Dimbath weiß, wo alles zu finden ist, kennt jeden der mehr als 10.000 Artikel, die sie in ihrer "Bastel Boutique" führt.

Sybille Dimbath weiß, wo alles zu finden ist, kennt jeden der mehr als 10.000 Artikel, die sie in ihrer "Bastel Boutique" führt.

(Foto: Arlet Ulfers)

Neue Ware wird Dimbath jetzt nicht mehr ordern. "Wir kaufen nichts mehr ein, jetzt wird abverkauft. Was weg ist, ist weg." Geplant sind in den nächsten Monaten regelmäßige Rabattaktionen. Gestartet wird sofort mit allen Weihnachtsartikeln. Sie werden um 50 Prozent günstiger angeboten. Denn ein weiteres Weihnachtsgeschäft wird es für die Bastel-Boutique nicht mehr geben.

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