Süddeutsche Zeitung

Freizeit und öffentlicher Nahverkehr:Expressbus fährt Ausflugsziele im Münchner Süden an

Die Linie X970 zwischen Starnberg und Bad Tölz wird zur "Erlebnisbuslinie": Auf dem Weg klappert der Bus gezielt 36 Attraktionen wie die Maisinger Schlucht oder die Isarauen ab, die Ausflügler auch ohne Auto erreichen können.

Von Linus Freymark

Im Juli vergangenen Jahres haben die beiden Landräte aus Starnberg und Bad Tölz-Wolfratshausen eine Fahrt mit dem Bus unternommen. Die neue Expressbuslinie X970 ist da erst ein knappes halbes Jahr alt - und so richtig läuft es im Sommer noch nicht. Die Busse verkehren zwar im 20-Minuten-Takt zwischen Starnberg und Bad Tölz, die Fahrgastzahlen lassen aber noch zu wünschen übrig. Starnbergs Landrat Stefan Frey (CSU) und sein Kollege Josef Niedermaier (Freie Wähler) wollen das ändern. Mit einem Pressetross im Schlepptau drehen sie deshalb selbst eine Runde auf der Linie. Und bei dieser Tour wird eine Idee geboren: Um die Verbindung attraktiver zu machen, könnte man sie ja ein bisschen aufwerten und noch gezielter die Attraktionen auf der Strecke bewerben.

Ein halbes Jahr später ist die Idee von damals Realität: Der X970 ist jetzt keine bloße Buslinie mehr, die Strecke ist kurzerhand zur "Erlebnisbuslinie" erklärt worden. Das klingt ähnlich abgehoben, wie wenn sich ein Vierjähriger als "Rufus Alexander" vorstellt. Aber das Projekt dahinter könnte tatsächlich so etwas sein wie die Antwort der beiden Landkreise auf die angepeilte Verkehrswende.

Und weil die Verantwortlichen dementsprechend stolz darauf sind, wird die Buslinie derzeit auch mit einem eigenen Stand auf der Free beehrt, Bayerns größter Reise- und Freizeitmesse. Der Stand besteht vor allem aus dem riesigen Bild eines Busses und Informationsmaterial über die Attraktionen an der Strecke.

Denn genau das macht den X970 zur Erlebnisbuslinie: Auf dem Weg von Starnberg nach Bad Tölz klappert der Bus insgesamt 36 Attraktionen ab, welche die Verantwortlichen in Flyern zusammengefasst haben. Wer will, kann unterwegs also aussteigen und den Starnberger Raum sowie das Tölzer Land erkunden. In Starnberg bietet sich etwa ein Abstecher zur Schiffsanlegestelle Berg oder in die Maisinger Schlucht an, auch die Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt oder das Oskar-Maria-Graf-Denkmal in Aufkirchen liegen auf der Strecke. Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen bietet sich zum Beispiel ein Zwischenstopp im Naturschutzgebiet Isarauen oder eine Wanderung über den Hörpfad Flößerei an.

Mit dem Bus X970 ist das alles ohne lästige Parkplatzsuche und durch den 20-Minuten-Takt auch ohne lange Wartezeiten möglich. So sollen Ausflügler und Touristen das Auto stehen lassen und auf den Bus umsteigen. Denn die Verantwortlichen sind sich sicher: Nicht die Ausflügler sind die Ursache vieler Klagen über den Massentourismus im Süden von München, den Ärger provozieren vielmehr die Autos, wegen denen es im Sommer Staus und volle Parkplätze an den Seeufern gibt. Mit der Linie X970 aber ließe sich die "Vielfalt an Möglichkeiten" in der Region "einfach, schnell und flexibel" entdecken, erklärt Starnbergs Landrat Frey - und das auch ohne eigenen Wagen.

Auch für Einheimische ist die Querverbindung zwischen Starnberg und Bad Tölz laut dem Tölzer Landrat Josef Niedermaier nützlich und wird nach den Startschwierigkeiten offenbar immer besser angenommen. 15 Fahrgäste pro Bus zähle man im Durchschnitt, erklärt Niedermaier; für ländliche Regionen sei das ein sehr guter Wert: "Damit sind wir mehr als zufrieden." Auch deshalb forciert man in Bad Tölz-Wolfratshausen den Ausbau weiterer Buslinien. Der X970 soll dabei als Leuchtturmprojekt dienen. Darin unterscheidet sich Bad Tölz-Wolfratshausen also von der Region Starnberg; dort waren zuletzt Einsparungen im ÖPNV angekündigt worden. Nur eines wird der X970 ziemlich sicher nicht: Ein Ersatz für die geplante Verlängerung der S 7 nach Geretsried. "Das ist alternativlos", sagt Niedermaier über den S-Bahn-Ausbau.

Der Freistaat übernimmt 50 Prozent der Kosten

Dass die beiden Landkreise in Zeiten knapper Kassen und bei Busfahrermangel überhaupt ein Projekt wie die Linie X970 vorantreiben können, liegt auch am Freistaat Bayern. Aus München gibt es die Zusage, dauerhaft 50 Prozent der Kosten zu übernehmen. "Sonst könnten wir uns das nicht leisten", sagt Niedermaier. Auch im Kreis Starnberg wäre das Projekt ohne finanzielle Förderung wohl kaum denkbar. Aber offenbar setzt auch die Staatsregierung große Hoffnung in den X970 als Leuchtturmprojekt für die Verkehrswende auf dem Land.

Denn die Voraussetzungen dort seien schon deutlich andere als in Großstädten, macht Niedermaier noch einmal deutlich. "Das Auto wird bei uns nie ganz wegkommen", sagt er. Aber man müsse den Leuten Angebote machen, die so attraktiv sind, dass die Menschen den eigenen Wagen stehen lassen, sofern das möglich ist. Einen großen Schritt in diese Richtung habe man mit dem X970 gemacht, findet Niedermaier. Die Adelung der Verbindung zur "Erlebnisbuslinie" soll zeigen, dass man entschlossen ist, diesen Weg weiter zu gehen. Nun muss sich nur noch zeigen, welchen Effekt jene Idee hat, die er vor einem halben Jahr mit seinem Starnberger Kollegen Stefan Frey im Bus entworfen hat.

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