„Die B2 muss raus!“: Das ist die jüngste Botschaft der Bürgerinitiative „Pro Umfahrung – contra Amtstunnel“, die am Dienstag zum Informationsabend mit dem Thema „Nachhaltige Verkehrsentlastung Starnberg“ eingeladen hatte. Das komplexe Thema lockte knapp 40 überwiegend hochbetagte Zuhörer an, die neue Idee aber war schon im Vorjahr präsentiert worden: Sie sieht lediglich eine Umwidmung der Starnberger Westumfahrung vom Pöckinger Maxhof-Kreisel bis zur Lindauer Autobahn in Richtung Gilching vor; die bisherige Staatsstraße 2069 soll zur Bundesstraße 2 werden. Tatsächlich neu ist dagegen der Umstand, dass die BI offenbar nicht länger auf Prüfung einer möglichen Umfahrung im Norden der Stadt durch FFH- und Naturschutzgebiet beharrt.
Es gibt nur wenige Dinge, über die sich mancher Starnberger noch mehr aufregen kann als über das Thema Verkehr: Jahrzehntelang gab es erbittert geführten Streit über die bestmögliche Entlastung, insbesondere in Hauptverkehrszeiten ist die Kreisstadt in schöner Regelmäßigkeit hoch belastet. „Tunnel oder Umfahrung“ lautete daher lange die Kernfrage, die auch tiefe politische Verwerfungen nach sich zog, bis sich der Stadtrat 2017 in einer historischen Sitzung mit knapper Mehrheit für die einzig realisierbare Möglichkeit entschied. Der Bau des B2-Tunnels ist seitdem beschlossene Sache, ein Vorhaben, das die 2005 gegründete Bürgerinitiative unbedingt verhindern will.
Länger schon hatte man nichts mehr gehört von der Bürgerinitiative, die eng verzahnt ist mit der Wählergemeinschaft Pro Starnberg (WPS) und dem Verein „Schöner zum See“. Doch auch auf der jüngsten Versammlung der BI, die in ihren besten Zeiten nach eigenen Angaben mehr als 4000 Unterstützer hinter sich wusste, erschallte die alte Parole: „Lieber nichts als den Tunnel“. Ein weiteres Mal wurden nahezu alle hinlänglich bekannten Argumente gegen das Großprojekt benannt. Nicht zuletzt eine Kostensteigerung auf bis zu 500 Millionen Euro, Folgekosten, der Bau der Düker und eine mögliche Beschädigung von Häusern bedeuten laut BI-Chef Klaus Huber die „Zerstörung der Stadt“ und den „Super-GAU für Starnberg“.

Mit dem vorgeschlagenen Etikettentausch zum Nulltarif von einer Staats- zur Bundesstraße hat sich die BI von ihren ursprünglichen Zielen weit entfernt, denn die Verbindung im Westen der Kreisstadt wurde bereits im Dezember 2018 eröffnet. Die Trasse war stets Bestandteil eines Gesamtkonzepts inklusive Tunnelbau und wird seither vorwiegend tagsüber genutzt von Autofahrern, die nicht nach Starnberg wollen. Nach Angaben der BI habe sich allein dadurch eine Verkehrsentlastung für die Stadt ergeben und mache den Bau des Tunnels daher unnötig. Für Huber ist die Nutzung der Umfahrung gar „eine Abstimmung gegen den Tunnel mit dem Lenkrad“. Verkehr, der nichts mit der Stadt zu tun habe, müsse „raus aus Starnberg“.
Eine Verlegung der Bundesstraße auf die Westumfahrung war schon 2009 eine Idee des Verkehrsplaners Michael Koch. Da gab es die Trasse allerdings noch gar nicht. Die Bürgerinitiative glaubt nun, den Durchgangsverkehr allein durch die Umwidmung der Straßen um 50 Prozent reduzieren zu können. In einem Positionspapier heißt es: „Der Rückbau der A952 Starnberger Autobahn wäre nach einer B2-Verlegung das nächste Ziel, sobald sich die zu erwartende Halbierung des Durchgangsverkehrs eingestellt hat.“ Die Pförtnerampeln an der bisherigen B2 könnten auch nach der Verlegung „die Steuerung beziehungsweise Reduzierung“ des verbleibenden Durchgangsverkehrs übernehmen und somit die innerstädtische Lärmbelastung an den Ausfallstraßen erheblich reduzieren.
Dieser These kann Stadtrat und Verkehrsreferent Thorsten Schüler (UWG), ebenfalls aufmerksamer Gast der Veranstaltung, nicht folgen. Er bezweifelt „die vorgetragene Schlussfolgerung, dass der Verkehr dadurch aus Richtung Garmisch, München-Süd und München-Ost durch Starnberg geringer wird oder sogar quasi wegfällt.“ Denn Autofahrer nutzen in aller Regel den kürzesten Weg, und der führt in Starnberg über die Hauptstraße. Dietrich von Witzleben, Vize-Vorsitzender der BI, hingegen glaubt: „Wenn wir die Hoheit über unsere Straßen haben, können wir mit ihnen machen, was wir wollen.“
Der B2-Tunnel dürfte kaum vor 2034 fertig werden
Die BI will ihren Kampf gegen den Tunnel fortsetzen. Offen blieb allerdings, ob der für Frühjahr erwartete Bescheid eines Planänderungsverfahrens – das Verfahren liegt bei der Regierung von Oberbayern – von der BI beklagt wird. Doch selbst unter idealen Voraussetzungen dürfte das Bauwerk unter Berücksichtigung europaweiter Ausschreibungen, Fertigstellung der Tunnelbohrmaschine und siebenjähriger Bauzeit kaum vor dem Jahr 2034 fertiggestellt sein. Letztlich entscheidend wird in ungewissen Zeiten aber insbesondere eine Finanzierungszusage der Bundesregierung sein.
In den kommenden Monaten wolle die BI nun „politische Mehrheiten im Stadtrat“ für ihren Vorschlag der Umwidmung finden, sagte Huber, doch das sei derzeit schwierig. Am Rande der Veranstaltung wurde Professor Hans Jochen Diesfeld, 92, der den Verein der Tunnelgegner bis 2015 fünf Jahre lang leitete, zum Ehrenvorsitzenden ernannt.