Starnberg:Autofahrer verletzt Radler lebensgefährlich und kehrt nach 23 Minuten zurück

Abbiegespur zur Dinardstraße; Kreuzung Hauptstraße und Söckinger Straße

Beim Abbiegen von der Hauptstraße in die Dinardstraße hat der Starnberger den Radfahrer übersehen.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Der 48-jährige Unternehmensberater muss sich vor dem Amtsgericht wegen des Unfalls am "Seufzerberg" verantworten - und entgeht nur knapp dem Gefängnis.

Von Christian Deussing

Der Mann sitzt mit gefalteten Händen erstmals in seinem Leben auf einer Anklagebank. Er hatte bis zum Juli 2015 nie einen Unfall und die B 2-Kreuzung am Starnberger "Seufzerberg" schon zigmal mit dem Auto überquert. Doch in dieser einen Nacht war der 48-Jährige nach einem langen Arbeitstag eine Sekunde unaufmerksam und erfasste beim Linksabbiegen mit seinem Wagen einen entgegenkommenden Radfahrer. Der 20-Jährige erlitt beim Aufprall lebensgefährliche Kopfverletzungen. Laut Anklage war der Starnberger geflüchtet und erst nach 23 Minuten zurückgekehrt. Der geständige Pkw-Fahrer wurde am Donnerstag vom Starnberger Amtsgericht wegen fahrlässiger Körperverletzung und Unfallflucht zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 370 Euro und dreimonatigem Fahrverbot verurteilt.

"Ich habe niemanden gesehen, aber wie aus heiterem Himmel einen Krach am Auto gehört", erzählt der 48-jährige Unternehmensberater im Prozess mit teils stockender Stimme. Daheim habe er die eingedellte Beifahrertür und den beschädigten Kotflügel bemerkt und sei mit seiner Frau zum Unfallort zurückgekehrt. Dort kämpften Notärzte um das Leben des Radlers, der ohne Licht und Helm unterwegs gewesen war. Das Unfallopfer lag wochenlang im Koma und musste in einer Münchner Klinik siebenmal operiert werden. Danach begann die Reha-Behandlung.

"Ich habe fast immer Schmerzen im Kopf und kann nicht arbeiten", berichtet der junge Mann, der nach Aussage von Ärzte wohl dauerhaft unter den Unfallfolgen zu leiden habe. An die Kollision kann er sich nicht mehr erinnern. Der Angeklagte hört erschüttert zu, auch bei ihm hat die Unfallnacht tiefe Spuren hinterlassen. Der Familienvater steht auf, gibt dem Unfallgegner die Hand und versichert: "Ich habe Sie nicht gesehen, es tut mir sehr leid." Der Zeuge nimmt die Entschuldigung an und verlässt wenig später traurig den Saal.

Vernommen werden auch der Freund des Unfallopfers, der aber 20 Meter hinter ihm geradelt war. Ein Taxifahrer stand damals vor der roten Ampel am "Seufzerberg" und erinnert sich an einen "fürchterlichen Schlag" und an ein Auto, das mit "überhöhter Geschwindigkeit" von der Hauptstraße aus in die Dinardstraße eingebogen sei. Doch für den Unfallgutachter ist ein zu hohes Tempo nicht nachweisbar. Allerdings gebe es deutliche Anzeichen, dass der Pkw-Fahrer die "Kurve geschnitten und den Radfahrer auch ohne Licht hätte sehen müssen", sagt der Sachverständige.

Weiter ergab sich, dass der Starnberger seinerzeit mit knapp 0,2 Promille leicht alkoholisiert war. Er hatte nach einer Geschäftsreise nach eigenen Angaben auf einer Feier noch ein Weißbier getrunken. Der Angeklagte sei "haarscharf am Gefängnis vorbei gefahren", erklärt Amtsrichter Franz von Hunoltstein. Denn bei "einem Glas mehr" und Ableben des Radfahrers wäre es um Trunkenheit im Straßenverkehr und "fahrlässige Tötung" gegangen. Der Richter und auch der Staatsanwalt zeigten sich in dem Prozess aber beeindruckt von der "ehrlichen und nicht gespielten Entschuldigung" des von Anfang sehr kooperativen Angeklagten - der zudem bereits 10 000 Euro an Schmerzensgeld für den schwer verletzten Radler gezahlt hat.

Der Richter sprach von einem "Augenblicksversagen" und einer Unfallflucht, die aber wohl auch unter Schock erfolgt sei. Eine gewisse Mitschuld gab das Gericht aber auch dem Fahrradfahrer, der unbeleuchtet die Straße queren wollte. Der Angeklagte und sein Verteidiger akzeptierten das Urteil.

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