Befreiung von Auschwitz:„Die Erinnerung darf nicht enden“

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Ein undatiertes Foto aus den Beständen der Wiener Library zeigt den Wachturm sowie die Gleise des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. (Foto: Wiener Library/dpa)

In diesem Jahr jährt sich die Befreiung von Auschwitz zum 80. Mal. Der 27. Januar ist seit 1996 zentraler Gedenktag für die Opfer des NS-Regimes – und zeigt in diesem Jahr exemplarisch die Herausforderungen von Erinnerungskultur auf.

Von Linus Freymark, Starnberg

Die Worte, die Roman Herzog im Januar 1996 im Deutschen Bundestag spricht, hallen nach. „Die Erinnerung darf nicht enden“, gibt der damalige Bundespräsident seinen Landsleuten mit auf den Weg. „Sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt.“ In seiner Rede ruft Herzog den 27. Januar als zentralen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus aus.

An jenem Datum befreite die Rote Armee 1945 auf ihrem Vormarsch in Richtung Berlin das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Seit 2005 ist der Tag zudem der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust. Somit wird nicht nur in Deutschland der Millionen Ermordeten gedacht, die den Verbrechen der Nationalsozialisten zum Opfer fielen.

Seitdem finden alljährlich zentrale Gedenkveranstaltungen statt. Doch neben bundesweit wirksamen und sichtbaren Aktionen wie einer Gedenkstunde im Deutschen Bundestag kommt es auch auf die zahlreichen lokalen Initiativen an, die die Erinnerung am Leben erhalten und so ihren Beitrag dazu leisten, dass die Schrecken des Nationalsozialismus nicht aus dem kollektiven Gedächtnis der Deutschen gelöscht werden. Denn nur so kann laut Herzog unsere Gesellschaft das Versprechen halten, auf das sie sich einst geeinigt hat: Nie wieder! In diesem Jahr steht das Gedenken unter besonderen Vorzeichen. Denn die Befreiung von Auschwitz jährt sich zum 80. Mal.

Im Landkreis Starnberg finden am Montag deshalb mehrere Veranstaltungen statt, die sich unter anderem dem Gedenken an die Opfer des NS-Regimes widmen. In Tutzing findet um 18 Uhr die 10. Tutzinger Lichterkette statt unter dem Motto „Miteinander für Frieden, Freiheit und Toleranz!“ Als Redner hat sich unter anderem die Direktorin der Politischen Akademie, Ursula Münch, sowie Tutzings Bürgermeister Ludwig Horn (CSU) angekündigt.

Kämpfer für das angemessene Gedenken: Roman Herzog machte sich in seiner Zeit als Bundespräsident (1994-1999) für eine lebendige Erinnerungskultur stark. (Foto: Martin Athenstädt/dpa)

In Wörthsee lädt die Gemeinde mit der Initiative „Artists against Antisemitism“ zusammengeschlossen zu einer Gedenkstunde mit Lesung für die Opfer des Nationalsozialismus. Beginn ist um 19 Uhr im Kirchenwirt Steinebach. Und in Starnberg und Stegen wird aus Anlass des Gedenktags der Dokumentarfilm „Endstation Seeshaupt“ von Walter Steffen gezeigt. Im Kino in der Alten Brauerei in Stegen geht es um 17.30 Uhr los, im Breitwand-Kino Starnberg um 18 Uhr.

Wie hatte Roman Herzog doch gleich noch gesagt? Es gehe darum, „eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt“. Dieser Aufgabe muss sich eine Gesellschaft immer wieder aufs Neue stellen. Denn die Erinnerungskultur einer Gesellschaft ist einem steten Wandel ausgesetzt: Die politischen Vorzeichen verändern sich, weitere Ereignisse beanspruchen ihren Platz im kollektiven Gedächtnis einer Gesellschaft. So haben es Historiker wie Maurice Halbwachs und Pierre Nora in ihren theoretischen Überlegungen zu Erinnerungskultur festgehalten.

Und dann ist da noch die Frage nach der Ausgestaltung von Veranstaltungen und Gedenktagen: Denn wie soll man an die Verbrechen der Nazis erinnern, wenn es kaum noch Menschen gibt, die davon erzählen können? Die Erlebnisse der Zeitzeugen für die Nachwelt festzuhalten, auch wenn diese nicht mehr selbst davon berichten können, ist eine große Aufgabe von immenser Bedeutung für die Gegenwart. Denn laut Halbwachs beeinflusst das kollektive Gedächtnis einer Gesellschaft jedes Individuum, das sich dieser Gemeinschaft zugehörig fühlt, in seinem persönlichen Denken. Wie und woran wir uns als Gesellschaft erinnern, hat demnach unmittelbaren Einfluss auf jeden Einzelnen von uns. Die von Herzog angemahnte Wachsamkeit lässt sich also nur verwirklichen, wenn die Erinnerung an die NS-Verbrechen am Leben erhalten wird. Und vielleicht ist das gerade wichtiger denn je.

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