Starnberg:"Auf diese Weise produzieren wir Slums"

Breitbrunn Georg Strasser vom Helferkreis

Kritisiert scharf den bayerischen Kurs bei der Erteilung von Arbeitsgenehmigungen: Georg Strasse vom Helferkreis Breitbrunn.

(Foto: Nila Thiel)

Das Gesetz, seine Interpretation - und was der ehrenamtliche Arbeitsvermittler Georg Strasser dazu sagt

Von Astrid Becker, Starnberg

Ein Asylbewerber, der eine Ausbildung beginnen will, braucht nicht nur dafür eine Genehmigung, sondern auch eine Arbeitserlaubnis. Diese zu erteilen, liegt laut Gesetzgeber im Ermessen der Ausländerbehörde. Sie soll dabei bestimmte Faktoren berücksichtigen. Dazu gehört beispielsweise, ob die Identität des Bewerbers geklärt ist, ob er im Asylverfahren mitwirkt, ob er gute Sprachkenntnisse hat, eine hohe Anerkennungswahrscheinlichkeit in seinem Asylverfahren und ob er eine Berufsausbildung beginnen will.

Mit der "3+2 Regelung", die erst seit dem vergangenen Jahr gilt, wird denjenigen, die eine Ausbildung beginnen, und ihren Arbeitgebern Bleibesicherheit für die Dauer der Ausbildung garantiert. Wenn die Flüchtlinge diese Ausbildung erfolgreich abschließen und danach eine Arbeitsstelle finden, die dieser Ausbildung entspricht, können sie noch einmal zweijährige Aufenthaltserlaubnis erhalten.

Der Gesetzgeber hat eine Duldung im Rahmen einer Ausbildung allerdings an verschiedene Voraussetzungen geknüpft: So dürfen keine Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorstehen, der Betroffene darf nicht aus einem sicheren Herkunftsland stammen. Und er darf die Aufenthaltsbeendigung durch sein Verhalten nicht verschuldet haben (Paragraf 60a Absatz 2 Satz 4 und Paragraf 18a Absatz 1 a des Aufenthaltsgesetzes).

Gerade aber der Passus mit den "konkreten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung", die nicht bevorstehen dürfen, eröffnet offenbar einen großen Interpretationsspielraum, den das bayerische Innenministerium nun auch entsprechend nutzt. Es versandte am 1. September 2016 eine umfassende Weisung an die Ausländerbehörden, wie das neue Gesetz umzusetzen ist. Ein ministerieller Grundsatz wird darin besonders betont: Vorrang vor der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis hat die Aufenthaltsbeendigung von "vollziehbar Ausreisepflichtigen". Dazu muss man eines wissen: Abgeschoben werden kann nur der, der auch gültige Reisedokumente, also einen Pass besitzt. Es gibt also viele Fälle, in denen Asylanträge abgelehnt worden sind, der Aufenthalt der Menschen in Deutschland aber weiter geduldet wird, weil sie keinen Pass besitzen. Was damit zu tun haben kann, dass das Herkunftsland nicht mithilft, einen solchen zu beschaffen. Wenn sie selbst sich weigern, ihre Identität auf diesem Weg zu klären, bekommen sie nach dem Gesetz auch keine Erlaubnis zu arbeiten. Haben sie sich aber genau darum bemüht, stünde einer Arbeitserlaubnis nichts im Wege.

Allerdings ist dieses Bemühen, vor allem in Bayern, bereits ein Grund, das Ganze als "bevorstehende Maßnahmen zur Aufenthaltsgenehmigung" zu werten: "Da beißt sich die Katze in den Schwanz", wie Georg Strasser von den ehrenamtlichen Asyl-Arbeitsvermittlern sagt. Ausgenommen vom restriktiven Kurs in Bayern sind nur diejenigen, die aus Ländern mit einer hohen Anerkennungsquote kommen. Diese Länder werden regelmäßig neu definiert. Derzeit sind das Eritrea, Iran, Irak, Syrien und Somalia.

Von den 1765 Asylbewerbern im Landkreis (Stand: 1. September) kommt ein Großteil aber aus Afghanistan: 706 Menschen. 254 kommen aus Nigeria, 123 aus Pakistan. Eine hohe Bleibeperspektive haben demnach nur 112 Menschen aus Eritrea, 126 aus Irak, 38 aus Iran, 102 aus Somalia und 92 aus Syrien: insgesamt 470, also nicht einmal ein Viertel aller Asylbewerber im Kreis.

In einem Leserbrief an die SZ hatte Georg Strasser bereits auf die 1000 Ablehnungen hingewiesen, die es bald im Landkreis geben wird: "Vor einer Abschiebung müssen Verwaltungsgerichte diese in der Regel bestätigen. Der Staat muss dann darum kämpfen, dass ein Herkunftsland eine Person, meist ohne Pass, zurücknimmt." Rückführungen würden deshalb fünf bis zehn Jahre dauern. Das sei zu lang, um Asylbewerber in "gefühlten Gefängnissen" warten zu lassen" und ihnen eine Beschäftigung zu untersagen: "Auf diese Weise produzieren wir in unseren Gemeinden sprichwörtlich Slums."

Das will auch Landrat Karl Roth nicht. Er hatte stets betont, dass es ihm ein Herzensanliegen sei, so viele Menschen wie möglich in ein Arbeitsverhältnis oder in eine Ausbildung zu schicken: " Mir ist es nun mal lieber, wenn jemand weiß, was er nach dem Aufstehen tut." Dem Menschen Roth glaube er dies aufs Wort, sagt Strasser. Aber: Unternehmer wollten ihre Mitarbeiter rasch einstellen können, und sie brauchten Planungssicherheit, das werde mit dem Kurs in Bayern "unterlaufen": "Landrat Karl Roth hat sich jüngst - aus welchen Gründen auch immer - eindeutig hinter diese Linie gestellt." Unter "dieser Linie" versteht Strasser das politische Ziel, Asylbewerber in Sachen Arbeitsgenehmigungen in zwei Gruppen einzuteilen: diejenigen, die eine hohe Anerkennungswahrscheinlichkeit hätten, und diejenigen, die man wieder abschieben wolle. Letztere "sollen nicht arbeiten dürfen, um ihre Abschiebung - sobald es geht - nicht unnötig zu erschweren." Weil dieses Ziel aber im Gesetz nicht vorgesehen sei, versuche die bayerische Regierung, es über den Umweg der "Ermessen-Entscheidung" unter ungünstigen rechtlichen Bedingungen dennoch zu erreichen.

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