Kunst in Starnberg:Klänge sehen und Farben hören

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Seit einigen Wochen arbeitet die Starnberger Stadtmalerin und Kunstpreisträgerin Jeanne Dees im Paul-Thiem-Atelier. (Foto: Georgine Treybal)

Die preisgekrönte Stadtmalerin Jeanne Dees erweckt das Paul-Thiem-Atelier zu neuem Leben und plant auch eine Ausstellung.

Von Katja Sebald, Starnberg

Vor dem großen Atelierfenster hängt ein grauer Spätwintertag, drinnen aber leuchtet alles in den Farben des Sommers: Ein kühles Türkisgrün wie das Meer im Süden und ein tiefes Blau wie der Himmel darüber. Diesen Zweiklang hat die neue Starnberger Stadtmalerin Jeanne Dees mitgebracht, die seit gut drei Wochen im städtischen Paul-Thiem-Atelier arbeitet. "Das sind meine Farben", sagt sie strahlend. In der Öffentlichkeit stehen, das Atelier mit neuen Bildern füllen und nach zwei Jahren eine Ausstellung gestalten müssen, das alles versucht die Malerin nicht als Druck, sondern als positive Herausforderung zu sehen.

Jeanne Dees hat neben Farbtuben und Pinseln auch Bücher über Farbtheorien mit nach Starnberg ins Paul-Thiem-Atelier gebracht. (Foto: Georgine Treybal)

Ende November wurde Jeanne Dees, die in Weßling lebt und dort eine Malschule für Kinder hat, mit dem Kunstpreis der Stadt Starnberg ausgezeichnet. Sie überzeugte die Jury mit zwei abstrakten Arbeiten in Blau und Türkis. Gelobt wurde vor allem ihr "Gespür für sensible Farbklänge und eine stimmige Komposition". Die organischen Formen ihrer Malerei fügen "sich wie selbstverständlich zu einem harmonischen Ganzen", so die Jury, sie "bieten dem Betrachter die Möglichkeit zur Kontemplation und Ruhe" und bilden "einen Gegenentwurf zu unseren unruhigen Zeiten".

Zu einem solchen "Gegenwurf" hat die Malerin nun auch den Atelierraum selbst gemacht. Sie hat ihn mit einem großen Arbeitstisch und einer Staffelei möbliert. Dazu ein paar einfache Regale in Weiß, eine Chaiselongue, ein paar Kissen und vor dem großen Fenster als gekonnt gesetzten Farbakzent ein sonnengelbes Tischlein mit zwei passenden Stühlen. Türkis und Blau mit einem sparsamen gelben oder orangefarbenen Kontrapunkt waren nicht nur die Farbkompositionen der preisgekrönten Arbeiten, sie bestimmen auch die Bilder, die jetzt an den Wänden hängen.

"Gemalt habe ich aber schon immer und eigentlich am liebsten schon immer abstrakt", sagt die studierte Innenarchitektin

Bei "Colorful Rhythm" und "La danse des lignes" stehen die kühlen Farbklänge in einem spannenden Kontrast zum erdigen Ton des ungefärbten Leinens, das Jeanne Dees gerne als Malgrund nutzt. Beide Titel könnte man durchaus als Hinweis darauf deuten, dass die Künstlerin die Fähigkeit zur synästhetischen Wahrnehmung hat, also Klänge sehen und Farben hören kann.

Jeanne Dees, 1963 in Berlin geboren und in München aufgewachsen, studierte Innenarchitektur in Rosenheim und arbeitete zunächst auch in diesem Beruf. "Gemalt habe ich aber schon immer", sagt sie, "und eigentlich am liebsten schon immer abstrakt". Als Mutter von zwei Kindern engagierte sie sich mit Malprojekten bei Kindergartenfesten, im Weßlinger Ferienprogramm und später an der Montessorischule in Gilching. Sie gründete eine Malschule für Kinder, machte selbst die Grundausbildung Malerei bei Susanne Hauenstein in Andechs, besuchte Workshops und Sommerakademien, bevor sie schließlich von 2014 bis 2016 ein Studium der Farbmalerei an der privaten Kunstakademie in Kolbermoor absolvierte. Ingrid Floss und Jerry Zeniuk waren dort ihre Lehrer.

Kühle Farbklänge im spannenden Kontrast: Auch das Bild "La danse des lignes" von Jeanne Dees ist im Atelier zu besichtigen. (Foto: Georgine Treybal)

Blau in verschiedenen Abstufungen bis hin zu Türkis ist die bestimmende Farbe auf der Palette von Jeanne Dees. Diese Töne finden sich auf dem Überwurf der Chaiselongue wieder und auf den Kissenbezügen. Es sind die Farben der Teetassen, die sie im Atelier auf den Tisch stellt. Und sogar ihr Mantel, der an der Garderobe hängt, ist blau-türkis gemustert. In der Geschichte der Kunst kommt der Farbe Blau in vielfacher Hinsicht eine besondere Bedeutung zu: Noch in der Renaissance wurde der Preis eines Bildes nach der Menge des darin verwendeten Ultramarinblaus berechnet, denn der aufwändig aus Halbedelsteinen von "jenseits des Meeres" hergestellte Farbstoff war ganz besonders kostbar.

Blau galt aber auch seit jeher als die Farbe des Überirdischen, des Transzendenten, und diese Rolle kam ihr erst recht beim Aufbruch in die Moderne zu: "Je tiefer das Blau wird, desto mehr ruft es den Menschen in das Unendliche, weckt in ihm die Sehnsucht nach Reinem und schließlich nach Übersinnlichem. Es ist die Farbe des Himmels, so wie wir ihn uns vorstellen bei dem Klange des Wortes Himmel", schrieb der Synästhetiker Kandinsky 1910. Und Yves Klein schließlich erfand 1956 sein "International Klein Blue", einen besonders intensiven Ultramarinton, um das "Nichts" darzustellen, die Transzendenz der Dinge und Farben.

Es geht ihr vor allem um die Harmonie der Dinge, Farben und Linien

Bei Jeanne Dees, die nicht nur Farbtuben und Pinsel mit nach Starnberg gebracht hat, sondern auch eine ganze Reihe von Büchern über Farbtheorien, geht es wohl weniger um die Transzendenz, sondern vor allem um die Harmonie der Dinge und Farben. Sie gestaltet Bildräume wie Innenräume, sie liebt die geschmeidige Tiefgründigkeit der Ölfarben ebenso wie die grobe Haptik des Leinens, auf dem sie die Farben zum Strahlen bringt. Sie hat kleine Reste dieses Materials zusammengenäht und dieses "Flickwerk" selbst zum Gestaltungselement gemacht.

"Mich interessieren Farben, Flächen und Linien", sagt die Malerin. Ihre Bildkompositionen sind abstrakt, aber durch die Erinnerung an bestimmte Farbeindrücke mit der Welt der Dinge verknüpft. Was sie auf Reisen und Spaziergängen, auf der Fahrt zum Atelier oder einfach vor dem Fenster gesehen und vielleicht auch auf einem Foto festgehalten hat, wird auf der Leinwand verfremdet und im besten Sinn abstrahiert. Am Ende entsteht meist ein Bild in Türkis und Blau, vielleicht mit einem gelben Akzent: "Das ist eben meine innere Farbigkeit", sagt Jeanne Dees.

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