Asyl:Hunderte Plätze für Asylsuchende fehlen

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Im Starnberger Ortsteil Percha leben Asylbewerber beim Sportplatz in Containern. Die Anlage soll um 90 bis 100 Plätze erweitert werden. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

"Die Dringlichkeit ist sehr hoch": Landrat Stefan Frey sucht überall im Landkreis nach Möglichkeiten, neue Unterkünfte zu schaffen. Doch das gestaltet sich gar nicht so einfach. Nun soll so manches Containerdorf wachsen.

Von Viktoria Spinrad, Starnberg

Die Suche nach neuen Unterkunftsplätzen für Asylsuchende gestaltet sich im Landkreis Starnberg zunehmend schwierig. Während sich die neu geplanten Anlagen in Tutzing, Feldafing und Wörthsee weiter verzögern, sollen bestehende Containeranlagen nun erweitert werden, wie Landrat Stefan Frey (CSU) mitteilt. "Dort ist es schon eingespielt", sagt Frey. Derzeit läuft eine entsprechende Abfrage in den Rathäusern. Von Starnberg und Gilching habe er bereits Zusagen, so Frey.

Der Druck für neue Unterkunftsplätze ist weiterhin hoch. Derzeit sind 2546 Asylsuchende und 1742 ukrainische Geflüchtete im Landkreis Starnberg untergebracht. Damit erreicht der Landkreis gerade so sein nach dem "Königsteiner Schlüssel" berechnetes Soll. Derweil kommen jeden Tag in Oberbayern 50 bis 70 neue Asylsuchende an. Im Sommer, wenn die Fluchtrouten wieder auf sind, rechnet man mit mehr. Daraus hat das Landratsamt berechnet, dass es 2024 mehrere Hundert neue Unterkunftsplätze schaffen muss - auch, weil andere parallel wegfallen. "Die Dringlichkeit ist sehr hoch", sagt Frey.

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Konkret soll die Containeranlage auf dem Sportplatz in Starnberg-Percha für weitere 90 bis 100 Personen erweitert werden, dasselbe gilt für die Gilchinger Anlage in der Landsberger Straße. Beide sollen in die Breite wachsen, nicht in die Höhe, betont Frey. Einen bestimmten Zeitrahmen dafür gibt es nicht. Das Ganze solle "so schnell wie möglich" vonstattengehen. Auch für die Anlagen in Krailling, Berg und Pöcking laufen entsprechende Anfragen, Inning hingegen hat bereits abgesagt.

Der Druck bleibt auch deshalb hoch, weil der Landkreis weiterhin darauf setzt, keine Turnhallen zu belegen - und sich die neu geplanten Unterkünfte in Feldafing, Tutzing und Wörthsee halt weiter verzögern. Es gebe noch vertragliche Themen zu klären, so der Landrat. Am meisten hintendran sind die Planungen in Feldafing, wo sich die Grundstückssuche kompliziert gestaltete. Gegen eine zunächst angedachte Bebauung im Landschaftsschutzgebiet hatten Bürger ein Bürgerbegehren eingereicht, über das bis heute nicht entschieden ist. Ein anderer Standort in Bahnhofsnähe stellte sich als zu klein und matschig heraus.

Auch die Gilchinger Containeranlage in der Landsberger Straße soll erweitert werden. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
Neue Quartiere kommen hinzu: Auf dem Feldafinger Gelände der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) soll Platz für Flüchtlinge geschaffen werden. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Nun gibt es ein Grundstück. Wie Frey mitteilt, soll die neue Unterkunft auf dem Areal der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) entstehen. Auf der Wiese hinter dem Gebäudekomplex soll Platz für etwa 150 Personen geschaffen werden. Von hier ist es ein Kilometer zum Bahnhof und 1,3 Kilometer zum nächsten Supermarkt.

"Der bestmögliche Standort, den wir haben", befindet Feldafings Bürgermeister Bernhard Sontheim. Er spricht von einem positiven Fall, in dem der Bund zu seiner Verantwortung stehe "und nicht alles auf die Kommunen abwälzt". Bei der GIZ werden Entwicklungshelfer ausgebildet, das Areal gehört dem Bund. Diesem hatte Frey im Oktober öffentlichkeitswirksam mit Beschlagnahmungen gedroht, sollte dieser keine Grundstücke zur Verfügung stellen - offenbar mit Erfolg.

Hier soll eine Asylunterkunft für bis zu 154 Menschen entstehen: Parkplatz und Freifläche neben Krankenhaus und Kloster der Tutzinger Missionsbenediktinerinnen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
Andere Unterkünfte fallen weg, wie das ehemalige Verwaltungsgebäude von Apparatebau (AOA) in Gauting. Der Vertrag läuft Ende September 2024 aus - wie es danach weitergeht, ist unklar. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Fünf Kilometer südlich von Feldafing rangieren Autos auf einem Parkplatz des Tutzinger Klosters. Eigentlich sollte hier bereits eine Asylunterkunft stehen, doch nun dauert alles länger. 2411 Quadratmeter groß ist das auserwählte Areal zwischen der hinteren Autoreihe bis auf die Wiese, 1060 davon sollen mit modernen Holzständermodulen bebaut werden. Zwei Häuser, jeweils 14 Module auf zwei Stockwerken: So soll Platz für bis zu 154 Menschen entstehen.

Nach den aufgeheizten Tutzinger Standortdebatten vor einem Jahr ging der Entwurf diesmal geräuschlos durch den Gemeinderat. Damals hatte sich massiver Widerstand gegen ein Containerdorf auf dem brachliegenden Minigolfplatz formiert. Daraufhin sprangen die Klosterschwestern mit ihrem Grundstück ein, eine Bürgerinitiative machte den Minigolfplatz wieder flott. Der sei ja "super" geworden, sagt Bürgermeisterin Marlene Greinwald (FW). "Es wird aber immer ein fader Beigeschmack bleiben."

Auf dem geplanten Standort für die Wörthseer Flüchtlingsunterkunft schräg gegenüber vom Sportplatz sind schon erste Aushubarbeiten vorgenommen worden. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Knapp 20 Kilometer nordwestlich von Tutzing türmen sich zwei Erdhaufen. Auf einem ackerartigen Areal in Wörthsee sind schon erste Aushubarbeiten für eine Asylunterkunft vorgenommen worden. Auf dem sogenannten Blumenfeld zwischen der Etterschlager Straße und der A96 sollen ebenfalls Holzmodule entstehen, mit Platz für bis zu 132 Personen. Das Grundstück gehört der Gemeinde, auch hier sollen Räumlichkeiten für Helfer und Deutschkurse die Integration erleichtern.

Tutzing, Feldafing, Wörthsee: Für alle drei neuen Unterkünfte gilt, dass sich das Landratsamt hier das Belegungsrecht sichern will. "Uns wär's recht, wenn wir das steuern können", sagt Landrat Frey. Bereits in der Vergangenheit hatte die Kreisbehörde betont, dass Familien möglichst unter sich bleiben sollen. Die Verträge sollen für mindestens zehn Jahre geschlossen werden. Denn: "Wenn die Leute einmal da sind, sind sie da", so Frey. Weil sie keine private Unterkunft finden, leben so manche längst anerkannte Geflüchtete seit vielen Jahren im Containerdorf - für Neuankömmlinge werden so weniger Betten frei als benötigt.

Der Landrat probt den Aufstand

Angesichts der Platznot hat der eigentlich als liberal geltende Landrat Frey in der Vergangenheit immer wieder öffentlichkeitswirksam den Aufstand geprobt. Auch diesmal macht er klar: "Was wir akquirieren können, ist endlich". Kitas, Schulen, Arbeitsplätze, die Infrastruktur müsse ja stetig mitwachsen. "Das kann man nicht endlos so weiterführen." Einen Gewinn für die Gesamtgesellschaft sieht er nur bedingt. "Bei einem Teil der Menschen ist die Chance da, bei einem anderen Teil nicht."

Derweil üben sich die Bürgermeister schon mal im Mutmachen - und setzen auf das Engagement der Zivilgesellschaft. Feldafings Rathauschef Sontheim erinnert daran, wie man 2015 plötzlich über 100 Menschen auf einem verlassenen Fabrikgelände unterbrachte und sich daraus der heutige Helferkreis gründete. "Rührend" habe der sich gekümmert, sagt er, und einige Leute in Lohn und Brot gebracht.

"Je besser wir es machen, desto besser wird das Ergebnis sein."

Auch Tutzing ist für seinen engagierten Unterstützerkreis bekannt. Doch weiß man auch hier, dass Geflüchtete eben auch nur ein Querschnitt der Gesellschaft sind. "Es sind nicht alle nett, aber wir sind auch nicht alle nett", sagt Greinwald. "Je besser wir es machen, desto besser wird das Ergebnis sein."

In Wörthsee hat sich im vergangenen Frühjahr eigens ein Helferkreis gegründet. Dass die Bürger dabei durchaus auch Grenzen setzen sollen, macht Bürgermeisterin Christel Muggenthal auf der Gemeindehomepage klar. Ihr Appell: Offen auf die Menschen zugehen und Hilfe anbieten, aber nicht ausnutzen lassen; diese am Leben teilhaben lassen, aber auch auf den eigenen Werten bestehen. Wenn jeder unterstütze, könne Integration gelingen. Sie schreibt: "Ich zähle auf Sie!"

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