Süddeutsche Zeitung

Sozialhilfe:Mehr Geld für die Ärmsten der Armen im reichen Starnberg

Der Landkreis stockt den bundesweiten Sozialhilfe-Satz um 22 Euro im Monat aus eigener Kasse auf. Der Sozialverband VdK ist nicht ganz zufrieden.

Von David Costanzo

Der Landkreis Starnberg ist gemessen an der Kaufkraft der reichste in ganz Deutschland, gleichzeitig klettert aber auch die Armut auf nie dagewesene Höhe. Knapp 3500 Menschen erhalten laut dem jüngsten Sozialbericht Hartz IV oder Sozialhilfe. Einen Teil dieser Menschen unterstützt der Landkreis nun zusätzlich: Mehr als 800 Empfänger von Sozialhilfe - Senioren, Behinderte, Alleinerziehende - erhalten vom kommenden Jahr an 22 Euro im Monat zusätzlich auf ihre Stütze von 424 Euro. Diesen Zuschlag legt der Landkreis aus eigener Kasse auf den bundesweiten Regelsatz drauf. Das hat der Kreistag ohne viel Aufhebens durchgewunken.

Gefordert hatte den Zuschlag der Sozialverband VdK - ohne jedoch einen Betrag zu nennen, da sich die Lage der Grundsicherungsbezieher wegen steigender Preise wesentlich verschlechtert habe. Die Starnberger Kreisvorsitzende Barbara Frey hält die Entscheidung zwar für einen Schritt in die richtige Richtung: "Etwas höher wäre aber nicht schlecht gewesen." Der Kreisvorstand werde darüber beraten und gegebenenfalls einen Nachschlag fordern.

Sozialamtsleiter Friedrich Büttner sagte in der Sitzung am Montag: "Auch 22 Euro helfen den Leistungsempfängern etwas weiter." Der Bedarf sei vorhanden, hatte das Landratsamt festgestellt. "Insbesondere die Lage des Landkreises im Speckgürtel der Landeshauptstadt und die Eigenschaft als Freizeitregion führen zwangsläufig zu höheren Verbraucherpreisen als in anderen Regionen", heißt es im Beschluss. Die Zuschüsse kosten den Landkreis etwa 200 000 Euro im Jahr.

Wie hoch diese ausfallen, kann der Kreistag nicht völlig frei festlegen. Die Landeshauptstadt und der Landkreis München haben detaillierte und teure Gutachten in Auftrag gegeben, um nach den Vorgaben des Sozialgesetzbuchs zu ermitteln, um wie viel teurer das Leben für Sozialhilfeempfänger in der Region ist. Die Stadt erhöhte die Sätze um 21 Euro im Monat, der Landkreis um 23 Euro. Der Landkreis Fürstenfeldbruck orientierte sich wie nun auch der Landkreis Starnberg an diesen Gutachten und legte ebenfalls 22 Euro drauf. Kein anderer Landkreis in Oberbayern hilft den Armen auf diese Weise, die Regelung ist immer noch ein Novum.

Der VdK hatte ursprünglich gefordert, auch die Hartz-IV-Sätze zu steigern. Das aber lehnt das Sozialamt ab, da den Bedürftigen damit nicht geholfen wäre. Denn Zuschläge auf das monatliche Arbeitslosengeld II von 424 Euro wäre den Empfängern als Einkommen angerechnet worden - und vom Regelsatz abgezogen worden. VdK-Kreisvorsitzende Barbara Frey ahnte das bereits, sie hält diese gesetzliche Regelung nach wie vor für "unmöglich".

Auch auf eine zweite Art hilft der Landkreis den Ärmsten der Armen. Der Sozialausschuss hat, wie vom VdK gefordert, bereits die Obergrenzen für die Miete angehoben, die das Amt übernimmt. Die Wohnung eines alleinstehenden Sozialhilfeempfängers mit bis zu 50 Quadratmetern darf seit April 575 Euro kalt statt zuvor 522 Euro im Monat kosten, für bis zu 90 Quadratmeter für vier Personen sind nun 967 Euro statt 879 Euro zulässig.

Der VdK hatte moniert, dass die Sätze lange nicht erhöht und im Landkreis praktisch keine Wohnungen unterhalb der Grenzen zu finden seien. Immer mehr Sozialhilfeempfänger würden darum die Differenz zu den tatsächlichen Preisen aus dem Regelsatz für den Lebensunterhalt bezahlen - womit sie sich das Wohnen vom Mund absparen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4536905
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 24.07.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.