Starnberg:Angeklagt als Drogendealer

Psychiatrisches Gutachten spielt in Gerichtsprozess eine große Rolle

Von Christian Deussing, Starnberg

Ein junger Mann soll mit Marihuana gehandelt haben, um seinen eigenen Konsum zu finanzieren. Laut Anklage hatte der 23-Jährige vor knapp zwei Jahren auch an einen 17-Jährigen etwa 15 Gramm Cannabis verkauft, obwohl ihm bewusst gewesen sei, dass der Abnehmer noch minderjährig war. Im Februar vergangenen Jahres wurde der Angeklagte in Starnberg mit Marihuana, Amphetaminen und Cannabis-Samen erwischt. Die Drogen waren nach den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft für eine "Vielzahl von Abnehmern bestimmt". Nun ist der junge Mann vor dem Schöffengericht in Starnberg angeklagt.

Der Prozess musste gleich am ersten Verhandlungstag unterbrochen werden, weil das Gericht - und vor allem der Verteidiger - das psychiatrische Gutachten für lückenhaft und unzureichend halten. In dem Verfahren geht es auch um die Schuldfähigkeit des 23-Jährigen, der nach Ansicht des Sachverständigen unter manisch-depressiven Phasen gelitten habe. Er befindet sich derzeit stationär in einer Therapie. Der Neurologe berief sich in seiner Aussage als Gutachter auf einen Aktenvermerk eines Polizisten, den Bericht einer Klinik und auf den Brief der Mutter des Angeklagten, in dem sie offenbar von den psychischen Problemen ihres Sohnes berichtete.

Die Amtsrichterin und der Verteidiger monierten, dass sich der Sachverständige nicht bei dem Stationsarzt informiert habe, der den Angeklagten kurz nach seiner Festnahme im Februar 2018 in einer Psychiatrie behandelt hatte. "Das wäre doch wichtig für die Beurteilung gewesen", sagte die Richterin.

Der Gutachter geriet zunehmend unter Druck und begann sich zu rechtfertigen. Er habe die Akten und die für ihn relevanten Aspekte ausgewertet und ausführlich mit dem Angeklagten über sein Leben gesprochen. Zunächst ging der Neurologe in der Verhandlung davon aus, dass der junge Mann bei seinen Drogengeschäften bewusst und wohl schuldhaft gehandelt habe. Auf Nachfragen erklärte er dann aber, dass nicht auszuschließen sei, dass eine Psychose das Handeln des Angeklagten beeinflusst haben könnte.

Für das Gericht lässt dieses Gutachten zu viele Fragen offen. Es beschloss daher, den Prozess zu unterbrechen und einen anderen Sachverständigen zu beauftragen. Drei Polizisten, die als Zeugen geladen waren, mussten daher an diesem Tag nicht mehr aussagen.

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