Mückenplage am Ammersee:500 Millionen Quälgeister

Lesezeit: 2 Min.

Extreme Mückenjahre sind am Ammersee keine Seltenheit. Der Biologe Matthias Galm begleitet Bürger nun bei einer Kartierung der Brutgebiete. Auf deren Grundlage soll über eine Bekämpfung der Larven diskutiert werden.

Von Patrizia Steipe, Herrsching

Das vergangene Jahr sei besonders schlimm gewesen. "Wir konnten untertags nicht die Türe aufmachen, ohne dass uns ein Mückenschwarm anflog", erinnert sich der Herrschinger Harry Straßer. Dajana Zimmermann aus Eching erklärte, dass ihre zwei bis sechs Jahre alten Söhne selbst mit Mückenschutz "von oben bis unten zerstochen gewesen" seien. Noch heute hätten die Kinder Narben, die vom Kratzen stammen.

Dabei sind es nicht die Hausmücken, die die Bürger so quälen, sondern die Mücken, die in Überschwemmungsgebieten brüten. Um die von ehrenamtlichen Helfern erarbeitete Kartierung von besonders betroffenen Flächen vorzustellen, hatten Vertreter des Vereins "Mückenplage - nein danke!" und betroffene Bürger zu einer Führung zu den Brutplätzen der Plagegeister eingeladen.

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Biologe Matthias Galm hatte eine Schöpfkelle mitgebracht, mit der er aus einem der Tümpel, die sich beidseitig des Wegs vom unteren Parkplatz des Hauses der Bayerischen Landwirtschaft zum Ammerseeufer gebildet hatten, Wasserproben nahm. Anschließend wurden die darin gefundenen Larven gezählt. Ausgeschlüpfte Mücken umschwirrten derweil die Teilnehmer, die mit Wedeln, Klatschen und schnellen Bewegungen die Blutsauger abzuwehren versuchten.

Der Mückenexperte aus München beschäftigt sich seit 30 Jahren mit Mücken. In den Rheinauen habe man damals Öl auf das Wasser geschüttet, unter dem Ölfilm seien die Larven erstickt, erinnerte sich Galm. Heute soll mit biologischen Mitteln wie dem Bacillus thuringiensis israelensis (BTI) gegen eine extreme Mückenplage angekämpft werden. Das Mittel werde auch in der Biolandwirtschaft verwendet, sagte Galm.

Matthias Galm, Rainer Jünger und Bürgermeister Christian Schiller (v.li.) machen eine Probe. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

In diesem Jahr sei die Situation mit den Stechmücken verhältnismäßig entspannt, trotzdem seien in den Proben, die Matthias Galm und seine Mitstreiter in den vergangenen Wochen genommen hatten, teilweise bis zu 60 Larven in 250 Milliliter Wasser gefunden worden. "Ab fünf Larven beginnt man sie zu bekämpfen", sagte Galm. Dabei würde es bereits reichen, nur an den Hotspots anzugreifen.

Die sumpfigen Bereiche am Herrschinger Ufer beispielsweise sind etwa so groß wie ein halbes Fußballfeld. Eine halbe Milliarde von Überschwemmungsmücken können hier entstehen. Ein Mückenweibchen legt schließlich 100 bis 200 Eier. Die Mücken können zehn bis 20 Kilometer zurücklegen und somit den gesamten Gemeindebereich betreffen. Deswegen sollten auch benachbarte Gemeinden bei der Mückenbekämpfung mitmachen.

Angesichts des Klimawandels könnte sich das Problem in den folgenden Jahren noch verschärfen, befürchtet Rainer Jünger vom Verein "Mückenplage - Nein Danke". Dann könnten Mücken aus wärmeren Gefilden einwandern und Krankheiten wie das Westnilfieber verbreiten.

Extreme Mückenjahre seien am Ammersee nichts Neues, meinte Bürgermeister Christian Schiller. Sie würden aber viel häufiger vorkommen, sagte Anwohner aus Lochschwab, Eching und Schondorf. Eine Ursache sei die zunehmende Verdichtung, durch die es weniger Versickerungsmöglichkeiten für Regenwasser gebe.

Mücken brüten in stehenden Gewässern, bevor sie Mensch und Tier quälen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Ob das wirklich so sei oder ob es sich um subjektive Wahrnehmungen handelt, soll die Kartierung zeigen. "Es herrscht viel Halbwissen, dem möchten wir mit wissenschaftlichen Erkenntnissen begegnen", so Jünger. Die von Galm begleitete Bürgerkartierung hat das Ziel, besonders betroffene Bereiche zu definieren. Außerdem werden Mückenfallen aufgestellt, um die Mückenarten zu bestimmen.

Die Daten sollen Grundlage für eine Diskussion im Herrschinger Gemeinderat über die Möglichkeiten einer Populationsbegrenzung sein. Bereits 2017 hatte die Initiative eine Kartierung beantragt. Der Gemeinderat hatte abgelehnt. Jetzt haben die Bürger die Sache selbst in die Hand genommen.

In Eching haben Bürger bereits ein 3000 Quadratmeter großes Areal identifiziert, in dem nach Regen das Wasser stehen bleibt. Es sind private Wiesen mit von Baumaschinen verdichtetem Erdreich. Hier sollen BTI-Bakterien eingesetzt werden. In Herrsching geht es im ersten Schritt um die Dokumentation der Situation. "Wie weiter verfahren wird, wird danach diskutiert", sagt Rainer Jünger.

© SZ vom 09.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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