Aktionstag im Landkreis Starnberg:"Gewalt findet im Verborgenen statt"

Charlotte von Bodelschwingh, Präsidentin der Zonta Clubs Fünfseenland.

Zonta-Präsidentin Charlotte von Bodelschwingh bei der Verleihung eines Preises, mit dem Frauen in Wirtschaftspositionen gefördert werden.

(Foto: Zonta Club)

Die Schondorferin Charlotte von Bodelschwingh, Präsidentin des Zonta Clubs Fünfseenland, will nicht nur Frauen und Mädchen stärken, sondern auch Männern und Buben ein anderes Bild von Weiblichkeit vermitteln.

Von Sabine Bader, Schondorf

Manchmal kommt man erst in der Ferne mit etwas in Berührung, das man in der Heimat gar nicht wahrgenommen hat. Als Charlotte von Bodelschwingh zwischen 2009 und 2011 mit ihrem Mann und den vier Kindern in China lebte, hat sie bei einer Veranstaltung mehr über den Verein Zonta erfahren. Die Organisation ist weltweit aktiv und tritt dafür ein, die Stellung von Frauen und Mädchen zu verbessern in rechtlicher, wirtschaftlicher und gesundheitspolitischer Hinsicht. Auch Gewalt gegen Frauen und Mädchen möchte Zonta Einhalt gebieten. "Ich wurde in China angesprochen, ob das etwas für mich wäre", erinnert sich Bodelschwingh. Wieder zurück in Deutschland, genauer gesagt in Schondorf am Ammersee, wo sie mit Unterbrechungen mit ihrer Familie seit mehr als 20 Jahren lebt, hat sie sich dem Zonta Club Fünfseenland angeschlossen. Seit 2018 ist sie dessen Präsidentin. "Ich stamme aus einer Familie mit vier Mädchen, die von ihren Eltern sehr gefördert wurden. Da finde ich es wichtig, etwas zurückzugeben", erzählt die 54-jährige Medizinerin, die das ASAM praevent Institut für Arbeitssicherheit, Arbeitsmedizin und Prävention in Augsburg leitet. "Uns geht viel verloren, wenn Frauen nicht die selben Möglichkeiten in der Mitgestaltung der Gesellschaft haben", sagt Bodelschwingh. "Auf sie kann man nicht verzichten."

Der Prozentsatz an Frauen in wirtschaftlichen Führungspositionen sei noch nicht annähernd so hoch wie jener der Männer. Gleiches gelte auch für naturwissenschaftliche Studien und Berufe. Bodelschwingh weiß: "Es gab noch nie eine deutsche Frau, die als Astronautin im Weltraum war."

Doch Ausbildung und Chancengleichheit sind nicht die einzigen Themen, um die sich die Zonta-Mitglieder kümmern. Besonders groß ist das Engagement, wenn es gegen Gewalt an Frauen und Mädchen geht. Den Blick darauf zu richten, sei auch in reichen Gegenden wie dem Landkreis Starnberg sehr wichtig und nötig. "Gewalt findet in Wohlstandslandkreisen vielmehr im Verborgenen statt." Gewalt sei grenzüberschreitend vertreten. So gab es laut Landratsamt im Jahr 2020 in Bayern 20 134 Fälle von häuslicher Gewalt, jährlich suchen rund 2000 Frauen mit mehr als 2000 Kindern Zuflucht in einem Frauenhaus. Auch im Fünfseenland sei Gewalt gegen Frauen Realität - körperlich, verbal oder digital. Sie habe viele Facetten, finde zu Hause, am Arbeitsplatz oder in den sozialen Netzwerken statt, so Bodelschwingh.

Bei der Präventionsarbeit geht es der Zonta-Chefin nicht nur darum, "Mädchen und Frauen zu stärken, sondern auch das Frauenbild von Jungen und Männern zu verändern." Auch wenn der Organisation Zonta ausschließlich Frauen angehören, sind in der Sache auch männliche Mitstreiter gern gesehen. So gibt es beispielsweise seit vier Jahren im Landkreis eine Aktion mit dem Slogan "Gewalt kommt nicht in die Tüte!", für die sich der Obermeister der Bäckerinnung, Wilhelm Boneberger aus Gilching, gemeinsam mit der Gleichstellungsbeauftragten im Landkreis, Sophie von Wiedersperg, einsetzt. Der Landkreis zahlt den Druck und die Tüten, auf denen sich Notfall-Nummern für die betroffenen Frauen befinden. Der Verein "Frauen helfen Frauen" organisiert das Ganze, die Bäcker und Tafel-Mitarbeiter im Landkreis verbreiten die Tüten.

Bodelschwingh sieht in der Aktion ein sinnvolles und niederschwelliges Angebot, mit dem man viele Menschen erreichen kann. Denn es sei wichtig, das Thema noch weiter in die Öffentlichkeit zu bringen. "Es ist nicht hinnehmbar, dass Frauen nur aufgrund ihres Frauseins Gewalt erfahren." Das fange schon bei Sprüchen an, die über Politikerinnen aufgrund ihres Aussehens gemacht würden. "Das erlebt man bei Männern nicht", sagt die Zonta-Vorsitzende. Eine der Berufsgruppen, die Übergriffen verstärkt ausgesetzt seien, sind laut Bodelschwingh vor allem Kulturschaffende.

In allen Fragen des gesellschaftlichen Miteinanders von Frauen und Männern und den damit verbundenen Umdenkprozessen geht es letztlich auch um Einflussmöglichkeiten. "Zonta ist bei der UNO akkreditiert und hat dort beratenden Status bei allen Themen, die sich mit Frauen beschäftigen. Wir werden als Expertengruppe hinzugezogen", sagt Bodelschwingh. Zum Beispiel, wenn es um Gewalt, aber auch um die Beendigung von Kinderehen geht. Bodelschwingh findet die alljährliche, bundesweite Lichtaktion gegen Gewalt an Frauen und Mädchen, die in diesem Jahr am 25. November stattfindet, auch wegen ihrer großen Breitenwirkung bestechend. "Sie erregt Aufmerksamkeit, es geht ein Leuchtfeuer durch ganz Deutschland." Doch natürlich ist der 54-Jährigen bewusst, dass es bei der Aktion allein nicht bleiben darf. "Letztlich geht es darum, dass jeder Einzelne mutig genug ist, einen Missstand anzusprechen und den Betroffenen Hilfe anzubieten."

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