Die AfD fährt im Endspurt des Europawahlkampfs personell große Geschütze auf: Mit Tino Chrupalla, Petr Bystron und Katrin Ebner-Steiner soll an diesem Donnerstag die geballte Parteiprominenz in Starnberg aufschlagen. Wegen der Veranstaltung in der Schlossberghalle lädt ein breites Bündnis auf Initiative der Starnberger Jusos zur Gegenkundgebung ein, die SPD-Landtagsabgeordnete Christiane Feichtmeier fungiert dabei als Versammlungsleiterin. Im Interview erklärt die 51-Jährige, wie sie die AfD im Landtag wahrnimmt, wie zivilgesellschaftliches Engagement aussehen könnte und was sie von einem Verbotsverfahren gegen die Partei hält.
SZ: Frau Feichtmeier, an diesem Donnerstag wird das Grundgesetz 75 Jahre alt. Am gleichen Tag hält die AfD eine große Veranstaltung in der Starnberger Schlossberghalle ab. Wie passt das für Sie zusammen?
Christiane Feichtmeier: Überhaupt nicht. Das ist eine Provokation, die wir als Demokratinnen und Demokraten nicht unwidersprochen lassen können. Erst recht, wenn man sich anschaut, wer da spricht: Katrin Ebner-Steiner (AfD-Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag, Anm. d. Red.) etwa erlebe ich ja im Landtag. Das ist eine, die kein Blatt vor den Mund nimmt. Auch die anderen Redner sind AfD-Hochkaräter, die wir hier in Starnberg natürlich nicht gerne sehen. Deshalb haben unsere Jusos die Initiative für eine Gegendemo ergriffen, ich habe dann die Versammlungsleitung übernommen.
Die AfD wird sich davon kaum beirren lassen. Was erhoffen Sie sich denn von Ihrer Veranstaltung?
Ich hoffe, dass wir eine breite Bürgerschaft erreichen. Wir haben schließlich alle Parteien im Boot, die auch im Landtag gegen die AfD zusammenhalten, hinzu kommen Bürgerinitiativen wie der Starnberger Dialog. Dadurch erreichen wir hoffentlich viele Leute, die zusammen das Zeichen setzen: Wir wollen Flagge zeigen gegen rechts!
Was glauben Sie: Warum kommt die AfD so oft nach Starnberg? Tino Chrupalla hat schließlich auch schon im September hier gesprochen. Damals gab es ebenfalls ein buntes Volksfest als Gegenveranstaltung.
Die AfD kommt verstärkt in ländliche Regionen. Ich glaube, dass in Großstädten wie München die Gegenwehr noch einmal größer ist. Außerdem finden sie dort kaum geeignete Hallen, Privatleute vermieten oft nur ungern an die AfD. Die Stadt Starnberg fühlt sich aber offenbar zur politischen Neutralität verpflichtet, weshalb sie die Schlossberghalle zur Verfügung stellt. Ich finde, wir sollten noch einmal prüfen, ob das wirklich sein muss. Denn dadurch wird Starnberg als Veranstaltungsort unnötig attraktiv für die AfD.
Als Sie in den Landtag eingezogen sind, meinten Sie mal, dass Sie gerne auch mit Kollegen aus anderen Fraktionen Kaffee trinken gehen - außer mit denen der AfD. Hat sich daran etwas geändert?
Nein. Aber der Umgang mit ihnen ist schwierig. Wenn Besuchergruppen kommen oder während der Diskussionen in den Ausschüssen, zeigt die AfD ja fast nie ihr wahres Gesicht. Auch bei Maximilian Krah käme man in Interviews oft nicht darauf, dass er in dieser Partei ist. Gleichzeitig gibt es aber ja auch Videos von ihm, in denen er ganz anders auftritt und zeigt, was er wirklich denkt. Im Landtag gab es neulich auch so eine Situation: Ein AfD-Abgeordneter wurde bei seiner Rede ein bisschen provoziert. Und dann hat er wieder so eine völkisch-nationalistische Parole rausgehauen, die ich hier nicht wiedergeben möchte. Das hat gezeigt: Er hat sich nicht im Griff. Daran sieht man dann doch, wie viele in der Partei denken.
Starnberg:Kundgebung gegen AfD-Veranstaltung
Ein breites Bündnis demokratischer Vertreter lädt auf Initiative der Starnberger Jusos zur Demonstration auf dem Kirchplatz für Demokratie und Menschenwürde sowie gegen Hass, Hetze und rechte Gewalt ein.
In der SPD gibt es Stimmen wie die der Starnberger Bundestagsabgeordneten Carmen Wegge, die unter anderem deshalb ein Verbot der AfD fordern. Wie denken Sie darüber?
Man sollte zunächst auf jeden Fall prüfen, ob ein Verbot umsetzbar wäre. Das würde zeigen, dass es den politischen Willen gibt, gegen die Partei vorzugehen. Ein Verbot würde außerdem dazu beitragen, die AfD von der Parteienfinanzierung auszuschließen. Ich frage mich sowieso, wie die sich finanzieren, es gibt ja offenbar zahlreiche Großspender. Aber es muss eine Debatte über ein AfD-Verbot her.
Dabei bewegt man sich allerdings stets in einem Spannungsfeld: Einerseits hat jedes Individuum in einer Demokratie politische Freiheiten, andererseits müssen eben diese vor Angriffen geschützt werden.
Ja, das ist eine schwierige Abwägung. Und man muss rechtlich sauber argumentieren. Bei den NPD-Verbotsverfahren zwischen 2003 und 2017 etwa sind viele Fehler gemacht worden. Daraus können wir lernen. Das Gleiche gilt für die Geschichte: Wenn wir uns anschauen, was 1933 losgetreten worden ist und wie viele unserer Genossinnen und Genossen unter den Nazis ums Leben kamen, haben wir eine Verpflichtung, dagegen aufzustehen. Aber dafür brauchen wir ein breites Bündnis. Wir wollen so viele wie möglich mitnehmen und hoffen, dass viele Menschen zur Gegendemo kommen. Ich zähle auf unsere Bürgerinnen und Bürger.
Also auf jene Zivilgesellschaft, über die es lange hieß, sie habe das Erstarken der AfD und die damit verbundenen politischen Entwicklungen ein bisschen verschlafen. Hat sich das denn aus Ihrer Sicht geändert?
Das kommt drauf an, oft sind es leider doch immer wieder die Gleichen, die sich engagieren. Wichtig ist: Um Menschen zu mobilisieren und auf die Straße zu locken, braucht man ein Motto, mit dem sich alle identifizieren können. "Für Demokratie und gegen Hass und Hetze" ist da zum Beispiel ein gemeinsamer Nenner.
Abgesehen davon gibt es unter den vielen politischen Gruppierungen auch viele Differenzen, die diesen gemeinsamen Nenner überdecken könnten.
Man kann in anderen Dingen ja unterschiedlicher Auffassung sein. Aber im Ziel, unsere Demokratie zu erhalten, sind wir bis auf die AfD alle vereint, egal welche Farbe das Parteilogo hat. Dafür müssen wir uns zusammentun. Ich bin froh, dass es Bündnisse gibt! Aber wir müssen noch aktiver werden und jeden Tag genau hinschauen. Die AfD ist jetzt groß und wird versuchen, immer mehr Raum zu erobern. Da müssen wir dagegenhalten!