Es ist schwierig mit der AfD. Ihre Vertreter sitzen im Bayerischen Landtag, nach Prognosen vom Herbst an noch zahlreicher als bisher. Die Rechtspopulisten könnten im Oktober im Freistaat zweitstärkste Kraft nach der CSU werden. Doch die Vertreter anderer Parteien wollen möglichst nichts mit deren Politikern zu tun haben und Distanz wahren. Welche Folgen das haben kann, bekommen gerade Veranstalter im Landkreis Starnberg zu spüren. Bei Podiumsdiskussionen gibt es mittlerweile verschiedene Varianten, mit der AfD umzugehen: auf die Bühne lassen ohne Einladung, aussperren oder zuletzt sogar die kurzfristige Absage einer Veranstaltung des Bauernverbands.
Zur Vorgeschichte: Der Bayerische Bauernverband (BBV) hatte zu einer Podiumsdiskussion und Interviewrunde nach Gilching eingeladen. Dabei sollte es darum gehen, die "Landtagskandidaten vorzustellen" und mit ihnen die "wichtigen agrarpolitischen Anliegen" der Gegenwart zu erörtern, wie es in der Einladung heißt. Angefragt für die Teilnahme an der Veranstaltung am Freitag, 15. September, hat der Verband "die Kandidaten der im Landtag vertretenen Parteien".
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Das bedeutet aber auch: Die Organisatoren haben auch den AfD-Landtagskandidaten Alexander Neumeyer aus Seeshaupt eingeladen. Das wiederum hat andere Kandidaten dazu veranlasst, ihre Teilnahme abzusagen. Zuletzt blieb von den ursprünglich sechs angefragten Teilnehmern kaum mehr einer übrig. Nach vielen Telefonaten und E-Mails bis in die Nacht hinein fiel am Mittwoch die Entscheidung. "Wir haben es abgesagt", teilt der CSU-Kreisrat und ehemalige BBV-Kreisobmann Georg Zankl am Donnerstag mit.
Für die Landtagskandidatin der Grünen, Andrea Schulte-Krauss, war schon bald klar, dass sie nicht zu der Diskussion kommen würde, denn: "Die AfD steht mit ihrem Wahlprogramm nicht auf dem Fundament unserer Verfassung". Der Schritt falle ihr schwer, sagte sie, denn sie würde gerne mit dem Bauernverband über Landwirtschaft diskutieren. Immerhin sei das ein wichtiger Bestandteil der Themen der Grünen. Aber: Würde man gemeinsam mit einem AfD-Vertreter auf dem Podium sitzen, würde man dazu beitragen, die Partei ein "Stück weiter in die Normalität" zu holen, meint sie.
Hinzu kommt: Ebenfalls am 15. September, am Tag der AfD-Abschlusskundgebung in der Schlossberghalle mit dem Bundesvorsitzenden Tino Chrupalla, findet in Starnberg ein buntes Volksfest statt, das für Toleranz, Vielfalt und demokratische Grundwerte stehen und so laut Veranstaltern einen Gegenpol zur Agenda der Rechtspopulisten darstellen soll. Schulte-Krauss wird daran teilnehmen. Erst gegen die AfD demonstrieren und dann mit ihr auf einem Podium sitzen? Für die Grünen-Politikerin ist das nicht miteinander vereinbar. Und dann ist da noch das Versprechen aus dem Juli, als Schulte-Krauss nach einer Veranstaltung des Fluglärm-Vereins in Gilching erklärt hatte, nicht mehr mit den Rechtspopulisten aufs Podium zu gehen: Der AfD-Kandidat Neumeyer hatte damals plötzlich mitdiskutiert, obwohl er gar nicht eingeladen war.
Aus ähnlichen Gründen hatte auch Christiane Feichtmeier von der SPD schon angekündigt, nicht an der Podiumsdiskussion teilzunehmen, wenn dort die AfD vertreten sei. "Ich kann mit dieser Partei nicht auf einer Bühne sitzen", erklärt die Landtagskandidatin der Sozialdemokraten, erst recht nicht beim Blick auf die aktuellen Wahlplakate der Rechtspopulisten. "Das geht einfach nicht." Die AfD sitze zwar im Landtag und habe deshalb eine Legitimation, zu solchen Veranstaltungen eingeladen zu werden. Gleichzeitig sei es aber auch die freie Entscheidung jedes anderen Kandidaten, ob man mit den Rechtspopulisten auf einem Podium sitzen möchte oder nicht.
Die FDP-Kandidatin Britta Hundesrügge hätte aus anderen Gründen ebenfalls nicht an der Podiumsdiskussion des Bauernverbandes teilgenommen. "Ich habe eine Terminkollision", erklärt die Gautingerin, die Einladung sei recht kurzfristig gekommen. Sie hätte aber nach einer Vertretung gesucht. Allerdings findet sie es "unglücklich, die AfD zu einem Podium einzuladen". "Das muss sich der Veranstalter gut überlegen." Sie habe diese Bedenken dem Bauernverband auch mitgeteilt.
Auch Matthias Vilsmayer, Kreisvorsitzender und Direktkandidat der Freien Wähler (FW), hat dem Bauernverband eine Absage erteilt. Er habe an dem Freitagabend bereits einen anderen, privaten Termin, sagt er am Donnerstag der SZ. Zudem sitze er "nicht so gerne mit der AfD auf einem Podium". Statt Vilsmayer hätte für die FW der Landtagsabgeordnete und Landwirt Nikolaus Kraus aus Ismaning an der Diskussion teilgenommen. Aber auch das hat sich nun erledigt. CSU-Kandidatin Ute Eiling-Hütig war am Donnerstag wegen einer wichtigen Sitzung im Landtag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Wie man mit der AfD auch umgehen kann, zeigen zwei Veranstaltungen in den vergangenen Wochen, bei denen diese Partei im Gegensatz zu allen anderen im Bayerischen Landtag vertretenen Parteien gar nicht eingeladen waren. So hat das der Unternehmerverband für den Landkreis Starnberg, UWS, bei einer Podiumsdiskussion im Juli in Andechs praktiziert. Neumeyer musste draußen bleiben. Ebenso bei einer Diskussion im Rahmen des Fünfseen-Filmfestivals Ende August im Starnberger Kino. Jeweils mit Hilfe des Hausrechts sei verhindert worden, dass der AfD-Mann Zutritt bekomme, berichtet Vilsmayer.
Für den kommenden Freitag dagegen war der AfD-Kandidat Neumeyer erstmals ausdrücklich eingeladen und wäre nach eigenem Bekunden auch gekommen. Umso harscher fällt seine Reaktion nun aus: "Es ist beschämend für unsere Demokratie und lässt nichts Gutes erwarten, wenn unsere politischen Gegner im Lande sich einer inhaltlichen Auseinandersetzung verweigern und stattdessen versuchen, durch Verweigerung den Bauernverband zu erpressen. Meine Hochachtung vor dem Bauernverband, dass er diesem undemokratischen Druck standgehalten hat und die Veranstaltung deswegen lieber abgesagt hat."
Die Entscheidung des Bauernverbands fiel damit just an dem Abend, an dem im Bayerischen Fernsehen eine Talkrunde mit Politikern aller sechs im Landtag vertretenen Parteien zu sehen war; auch die AfD war dabei. Zankl fragt sich nun, warum das im Landkreis Starnberg nicht möglich sein soll und wundert sich: "Ich hätte nie gedacht, dass das solche Wellen schlägt."