Es ist eine Zäsur, die am Mittwoch im Deutschen Bundestag stattgefunden hat: Die Union hat für ihren Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik nur dank der Stimmen der AfD-Fraktion eine Mehrheit gefunden. Gleich nach einer Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus, die im Bundestag traditionell am 29. Januar abgehalten wird, haben CDU/CSU und die in Teilen rechtsextreme Partei also gemeinsam eine härtere Gangart in der Asylpolitik forciert.
Diese Allianz hat CDU-Chef Friedrich Merz scharfe Kritik eingebracht. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte, er könne seinem Konkurrenten „nicht mehr trauen“. Auch aus der Union gibt es Gegenstimmen, Altkanzlerin Angela Merkel kritisierte, es sei falsch, „sehenden Auges erstmalig bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD zu ermöglichen“.
Abseits der Debatte in Berlin beschäftigen die Ereignisse vom Mittwoch auch die Kandidatinnen und Kandidaten im Wahlkreis Starnberg-Landsberg-Germering. CSU-Direktkandidat Michael Kießling hatte im Vorfeld der Abstimmung erklärt, es brauche eine „Kurskorrektur“ in der Migrationspolitik. Zur AfD erklärte er, es gebe „weder eine Zusammenarbeit noch Gespräche“ seiner Fraktion mit den Rechtspopulisten. Kießling stimmte am Mittwoch dann aber auch mit seiner Fraktion für eine verschärfte Migrationspolitik, nur eine Abweichlerin versagte bei der Union diesem Kurs ihre Zustimmung.
Die SPD-Kandidatin Carmen Wegge übt scharfe Kritik an Kießlings Vorgehen. Die Bundestagsabgeordnete zählt zu jener Gruppe von Parlamentariern, die ein AfD-Verbot fordern. Sie erkennt in dem gemeinsamen Votum von Union und AfD „eine große Gefahr“ – erst recht, weil CDU-Chef Merz noch im November erklärt hatte, er wolle genau solche Situationen vermeiden. „Niemals – wirklich niemals – dürfen Rechtsextreme bei einer Abstimmung im Bundestag das Zünglein an der Waage sein“, so Wegge.


Verena Machnik von den Grünen zeigt sich entsetzt über das Abstimmungsverhalten von CDU und CSU. „Das ist ein Dammbruch in der deutschen Nachkriegsgeschichte“, erklärt die Direktkandidatin aus Berg am Starnberger See. Auch ihren direkten Mitbewerber Kießling kritisiert sie für dessen Unterstützung und das gemeinsame Votum mit der AfD. Die Vorhaben der Union bezeichnet sie inhaltlich als „rein populistisch“, sie seien nicht mit geltendem Recht vereinbar. Auf CDU-Chef Merz gemünzt erklärt Machnik, es sei „jegliches Vertrauen verloren gegangen“. Nachdem das auch großen Teilen der SPD so geht, dürfte Merz’ Vorgehen vom Mittwoch die Koalitionsverhandlungen deutlich erschweren. Nach derzeitigem Stand braucht der CDU-Chef Grüne oder Sozialdemokraten als Juniorpartner für einen Platz im Kanzleramt.
Der Tutzinger Direktkandidat Paul Friedrich von der FDP bezeichnet die Entscheidung vom Mittwoch und ihr Zustandekommen als „Fehler“. Der 21-Jährige erklärte, es sei der falsche Weg, „Unterstützung an den politischen Rändern zu suchen“. Man dürfe keine „Abhängigkeiten von der AfD“ in Kauf nehmen. Als besonders „pietätlos“ kritisiert Friedrich das Timing der Abstimmung kurz nach der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus. „Ich kann nicht nachvollziehen, warum man es gerade an einem solchen Tag ermöglicht, dass Rechtsextreme jubeln und sich im Parlament in den Armen liegen“, so der FDP-Politiker.
Darüber hinaus hat der Bundestag an diesem Donnerstag über den von Wegge mit initiierten Antrag auf ein AfD-Verbot beraten. Dazu erklärt die SPD-Politikerin, Politik und Gesellschaft müssten sich der Gefahr für die Demokratie bewusst werden, die von der in Teilen gesichert rechtsextremen Partei ausgehe. „Der Bundestag muss den Weg nach Karlsruhe freimachen“, sagt Wegge. Denn die letztendliche Entscheidung über ein Verbot der AfD liege beim Bundesverfassungsgericht. Wegge zeigt sich diesbezüglich optimistisch. „Ich bin der festen Überzeugung, dass die AfD verfassungswidrig ist und daran arbeitet, die Demokratie abzuschaffen“, hatte sie im November im SZ-Interview erklärt. „Ich erwarte, dass unser Antrag Erfolg haben wird.“