Starnberg:Ablasshandel fürs Klima

"Zukunftsaktie" erweist sich im Umland als Renner

Von Michael Berzl, Starnberg

Wer trotz des Klimawandels in ein Flugzeug steigt, der kann mit einer freiwilligen Ausgleichszahlung sein Gewissen etwas beruhigen und mit dem finanziellen Beitrag ökologische Projekte fördern. Der Kohlendioxidausstoß bei der Reise soll damit kompensiert werden. Atmosfair heißt die bekannteste Internetplattform, die solche Spenden für zertifizierte Klimaschutzprojekte verbucht. Dieses Modell gibt es auch für den Alltagsgebrauch und läuft im Landkreis München nun unter dem Titel "Zukunftsaktie". Zehn Euro sind demnach als Ausgleich für jede Tonne Kohlendioxid fällig. Nach diesem Vorbild könnte künftig auch der Landkreis Starnberg eine Art Ablasshandel für eine bessere Ökobilanz eingeführt werden. Im Kreisausschuss stellte Christian Wolf, der im Münchner Landratsamt den Sachbereich Klimaschutz leitet, das Modell vor. Die Resonanz war neugierig bis skeptisch, aber Landrat Karl Roth (CSU) kündigte an, dass sich die Kreisräte im Dezember weiter mit dem Thema befassen werden.

Für jeden Einwohner des Landkreises München sei ein Schadstoffausstoß von 13 Tonnen Kohlendioxid im Jahr anzusetzen, erklärte Wolf. Wer die Umwelt belastet, soll dafür etwas bezahlen. Ein Prinzip, das auf freiwilliger Basis im Flugverkehr nun schon länger praktiziert wird und nun in Gesetzesvorschlägen in der Bundespolitik auftaucht, könnte auch auf kommunaler Ebene funktionieren. Das machte Referatsleiter Wolf in seinem Vortrag in Starnberg deutlich, in dem er berichtete, dass im Landkreis Starnberg auf diese Weise schon 700 000 Euro geflossen seien. Nach seinen Worten hat sich die Zukunftsaktie im Landkreis München als "absoluter Verkaufsrenner" erwiesen. Mit dem Geld werden wiederum verschiedene Umweltprojekte unterstützt, sowohl lokal als auch weltweit. Das können beispielsweise Windkraftanlagen in der Mongolei sein oder der Humusaufbau in der Landwirtschaft vor Ort, Prämien für Haushalte, die auf regenerative Energiequellen umstellen oder Förderungen beim Waldumbau. Für globale Projekte werden Zertifikate gekauft. Mit der Abwicklung hat der Landkreis die Energieagentur Ebersberg-München beauftragt, wo dafür zwei Personalstellen geschaffen wurden, so dass das Landratsamt nicht mit den administrativen Aufgaben belastet ist. Ein Lenkungsbeirat entscheidet jeweils, welche Projekte mit dem eingezahlten Geld gefördert werden. Vor einem Monat hat sich der Umweltausschuss des Ebersberger Kreistags mit dem Thema befasst, aber noch keine Entscheidung getroffen.

Die Resonanz im Starnberger Kreisausschuss fiel unterschiedlich aus. So erklärte sich der FW-Kreisrat und Feldafinger Bürgermeister Bernhard Sontheim spontan bereit, sich an einer Zukunftsaktie zu beteiligen. "Wenn das irgendwie im Rahmen ist, mache ich da sofort mit, weil wir als Gemeinde eine gewisse Vorbildfunktion haben", sagte er. Amtskollege Rupert Monn (CSU) hingegen ist skeptisch, spricht von "Ablasshandel", befürchtet ein "Bürokratiemonster" und warnt vor "Panikmache" im Zusammenhang mit dem Klimawandel. FDP-Kreisrat Oswald Gasser gab zu bedenken, ob die Förderung globaler Projekte Aufgabe des Landkreises sei und schloss mit den Worten: "Ich kann mich überhaupt nicht damit abfinden."

Angestoßen hatte die Debatte die CSU-Fraktion mit einem Antrag, eine "Klima- und Umweltaktie" zur Kompensation des Ausstoßes von Treibhausgasen einzuführen. Kurz darauf haben die Grünen vorgeschlagen, der Landkreis könnte der Energieagentur Ebersberg-München beitreten und sich zum Ziel setzen, bis zum Jahr 2022 die "CO₂-neutrale Landkreis-Verwaltung" anzustreben. Von der FDP liegt außerdem ein Antrag vor, eine Strategie für eine Klimaoffensive zu entwickeln. Diese Anträge werden nun im Zuge der Diskussion über eine Zukunftsaktie gebündelt behandelt. Dabei wird wohl auch noch eine Begriffsklärung nötig. "Aktie" sei ein problematischer Begriff, räumte der Münchner Referatsleiter Wolf ein, so sei damit die Hoffnung auf eine Rendite verbunden. Einen finanziellen Profit gibt es aber bei der Umweltaktie nicht.

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