Städtebau:Total verbaut

Starnbergs Grüne scheitern mit ihrer Idee eines Gestaltungsbeirats, der weitere Bausünden in der Stadt verhindern soll

Von Peter Haacke, Starnberg

Auf den ersten Blick scheinen Bochum und Starnberg so gar nichts Vergleichbares miteinander zu haben: Dort im Herzen des Ruhrgebiets die Stadt der Malocher, hier im Herzen Oberbayerns die Stadt der Millionäre. Doch es gibt da diese eine Textzeile im Lied "Bochum", das Herbert Grönemeyer einst als Liebeserklärung an seine Heimatstadt ersann, die auch die Empfindungen vieler Starnberger treffen dürfte: "Du bist keine Schönheit", heißt es in schonungsloser Offenheit - eine Bewertung, die schon so mancher Tourist auch für das Städtchen am Starnberger See abgegeben hat. Seltsam zerklüftet und uneinheitlich mutet Starnbergs Stadtbild als Ergebnis jahrzehntelangen architektonischen Wildwuchses an, sogar von Bausünden ist an mancher Stelle die Rede.

So dürfe es nicht weitergehen, meinen die Grünen, und beantragten erneut die Gründung eines "Gestaltungsbeirates". Selbst Stadtbaumeister Stephan Weinl erwärmte sich für die Idee - allerdings vergebens.

"Ein bisschen mehr Gestaltung wäre schon ganz nett", warb Franz Sengl, dienstältester Stadtrat in Reihen der Grünen, für eine alte, grüne Idee. "So schön ist Starnberg nicht, als dass wir nicht daran arbeiten sollten." Man wird ihm recht geben: Tatsächlich klaffen Ruf und Realität der Kreisstadt beim Blick aufs Stadtbild weit auseinander. Und das, obwohl Starnberg im Zweiten Weltkrieg so gut wie nichts abbekommen hat. Neben einigen wenigen verbliebenen traditionellen Häusern gibt es auf engem Raum Bauten in "unterschiedlicher Farben- und Formensprache", wie es Weinl ausdrückt, die aber eines gemeinsam haben: Sie passen nicht so recht in die Stadt, weil Bauherren wie Architekten jegliches Bewusstsein für die baukulturelle Bedeutung ihrer Kreationen fehlte. Den Unmut von Traditionalisten erregen etwa Gebäude wie die der Kreissparkasse oder der Deutschen Bank, aber auch höchst individuell gestaltete Privatbauten, die geschmacklich nicht gerade massentauglich sind.

Dabei wäre ein Abwägungsprozess zur Gestaltung eines Neubaus im Dialog zwischen Bauherrn, Architekt und ehrenamtlichen Fachleuten vermutlich nicht das Schlechteste. Gestaltungsbeiräte kommen immer mehr in Mode, viele Städte und Gemeinden machen gute Erfahrungen damit. Und das aus gutem Grund, weiß die Bayerische Architektenkammer: Damit eine Stadt als Heimat und Wirtschaftsstandort attraktiv ist, müssen Neu-, Um- und Erweiterungsbauten auch ihre Umgebung aufwerten. Ob ein Bauvorhaben eine Verbesserung, eine Verschlechterung oder nur eine Belanglosigkeit darstellt, ob ein Entwurf gefällt oder nicht - dies zu beurteilen wäre Sache des Gestaltungsbeirats.

Doch trotz gewisser Sympathien unter den Stadträten stimmten einzig die Grünen und Tim Weidner (SPD) für den Antrag. Abgesehen von den 50 000 Euro, die das zusätzliche Gremium kosten würde, bestanden Zweifel, ob ein Beirat das richtige Instrument zur Verhinderung weiterer Bausünden sei. Zwar sei Geld allein nicht der Grund, sich nicht um eine schöne Stadt zu kümmern, befand Stadtplanungsreferent Otto Gaßner (UWG). Aber angesichts enormen Zeitdrucks - Bauanträge müssen binnen zwei Monaten entschieden sein - und Zuständigkeit des Landratsamtes "wäre der Beirat eigentlich völlig unnütz", sagte Gaßner.

Starnberg wird also Starnberg bleiben, wie es Herbert Grönemeyer schon für Bochum besang: "Bist 'ne ehrliche Haut. Leider total verbaut. Aber grade das macht dich aus."

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