Mundart:Oh mei, oh mei

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Manschettenknöpfe mit bairischen Ausdrücken und Worten. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Wird in Kindergärten Dialekt gesprochen? Das wollen drei Dießener Gemeinderäte erfahren und berufen sich dabei auf die Gesetzgebung. Über die Frage, wie verbreitet das Bairische eigentlich ist, macht sich auch Kreisheimatpfleger Manfred Schulz Gedanken.

Von Christina Rebhahn-Roither, Dießen

Die Jüngsten sind herumgetollt, haben miteinander gespielt, gemeinsam gegessen und langsam neigt sich der Kita-Tag dem Ende zu. Gehen die Kinder mit ihren Eltern nun "heim" oder doch "hoam"? Wie verbreitet ist das Sprechen von Dialekt im Kindergarten?

Um das zu erfahren, haben die Dießener Gemeinderäte Michael Hofmann (Bayernpartei), Volker Bippus (UBV) und Michael Lutzeier (Die Partei) einen Antrag an den Marktgemeinderat Dießen gestellt. Im Kern geht es darum, wie viele Kinder in den gemeindlichen Kindergärten Dialekt sprechen. In dem Antrag berufen sich die Gemeinderäte unter anderem auf Teile des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes (BayKiBiG), auf die UNESCO und sprachwissenschaftliche wie kognitionspsychologische Forschung.

Doch wie lässt sich der Dialekt im Landkreis überhaupt charakterisieren? Bringt das Sprechen im Dialekt grundsätzlich Vorteile - und wie könnte man es fördern?

Anthony Rowley ist Sprachwissenschaftler. Dialekt beschreibt er als eine "von der Schriftsprache abweichende Sprachform", bei der auch die Symbolkraft und symbolische Ortsbezogenheit wichtige Aspekte seien. Der 67-Jährige aus Großbritannien ist mittlerweile in Rente und außerplanmäßiger Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität. Das Interesse am bairischen Dialekt entstand während seines Studiums in Regensburg, wie er am Telefon erzählt. Ein Lieblingsdialektwort kann man ihm nicht entlocken. "Man muss sie einfach alle mögen", sagt er. Unterhält man sich mit ihm über Sprache, betont er auch, dass gegenseitige Toleranz wichtig sei.

Im Landkreis Starnberg werde laut dem Experten ein mittelbairischer Dialekt gesprochen. Je weiter man von der Stadt Starnberg Richtung Lech geht, desto mehr schwäbische Merkmale würden sich laut Rowley hineinmischen. Ein Beispiel dafür wäre die Aussprache "Mischt" statt "Mist". Überwiegend seien jedoch bairische Merkmale zu erkennen, wie etwa die Ausdrücke "machts es", "enk" oder "hoam".

Innere Mehrsprachigkeit

Wenn Menschen sowohl Schriftdeutsch als auch Dialekt beherrschen, nennt der Wissenschaftler das eine innere Mehrsprachigkeit. Diese Mehrsprachigkeit "hat kognitive Vorteile", so Rowley. Eine Gefahr, dass Sprecher nicht vom Dialekt ins Schriftdeutsch wechseln könnten sieht er "absolut nicht", schon wegen des Medienkonsums, wie er sagt.

Doch zurück zu den Kitas. Konkret betrifft die Anfrage der Gemeinderäte in Dießen gerade einmal zwei gemeindliche Einrichtungen, wie die fraktionslose Gemeinderätin und Kindergartenreferentin Petra Sander erklärt. Die Frage, wie häufig ein Kindergartenkind mit Deutsch als Muttersprache Dialekt spricht, ist übrigens auch Teil eines gesetzlich vorgeschriebenen Beobachtungsbogens. Dieser wird auch in der Anfrage erwähnt, genau wie das BayKiBiG, in dessen Verordnung zur Ausführung steht: "Die Verwendung der Dialekte wird unterstützt und gepflegt." Sander erwähnt im Gespräch auch, dass wenn ein Kind im Kindergarten keinen Dialekt spricht, das nicht zwingend bedeute, dass es auch zuhause keinen Dialekt spricht.

Dialekt fördern

Gemeinderat Michael Hofmann will auf jeden Fall erst mal die Ergebnisse abwarten. Er gehe aber davon aus, dass die Zahlen "schlecht" seien. Im nächsten Schritt werde man sich dann Dialekt-Fördermaßnahmen mit Fachleuten überlegen. In Dießen würden sich diese natürlich auf den dortigen Dialekt beziehen. Hofmann will aber Dialekt generell unterstützen - auch wenn dieser kein bairischer sein sollte. Es gebe "mannigfaltige Möglichkeiten" spielerisch Dialekt zu vermitteln, als konkrete Beispiele nennt er Geschichten, Theater und Lieder. Es sei natürlich von Vorteil wenn die Erzieherinnen und Erzieher Dialekt sprechen können.

Für Kreisheimatpfleger und Volksmusikfreund Manfred Schulz kann Dialekt durch Liedertexte in Mundart gefördert werden. (Foto: Arlet Ulfers)

Mit Liedern, genauer gesagt mit Volksmusik, kennt sich auch Manfred Schulz, 61 Jahre, weißes Haar und weißer Bart, aus. Im Wohnzimmer steht die Harfe seiner Frau, er selbst zupft bei einem Besuch auch kurz die Saiten seiner Zither. Er ist ehrenamtlicher Kreisheimatpfleger. Das bedeutet im Wesentlichen, dass er sich um die Themen Sprache, Brauchtum, Volksmusik und Tracht im Landkreis kümmert. Auch das "Da-Sein" sei dabei wichtig. Manchmal berät er auch Paare, die sich bei ihrer Hochzeit bayerisch kleiden wollen.

Dialekt ist für ihn "Teil von unserer Kultur", und "unsere Muttersprache eigentlich". Für ihn hat Dialekt auch viel mit Kultur, Gefühl und Klang zu tun, außerdem könne man vieles ausdrücken, wofür es in der Hochsprache keine Entsprechung gebe. Momentan sieht er in der Region zwei Entwicklungen. "Es geht auf jeden Fall zurück", sagt Schulz einerseits mit Bezug auf das Sprechen im Dialekt. Andererseits sei wieder "eine Wertschätzung da". Fragt man ihn nach Möglichkeiten zum Erhalt des Dialekts sagt er: "Irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen ist schwierig." Trotzdem nennt er zwei Möglichkeiten, wie die Sprachform gefördert und erhalten bleiben kann: Vorlesen in Mundart und Volksmusik mit Liedertexten im Dialekt. Schulz, der selbst Seminare und Singstunden organisiert, sagt zum Dialektsprechen: "Das Wichtigste ist, dass man es einfach tut."

Wenig Dialekt im Kindergarten

Doch wie ist nun die Lage in den gemeindlichen Kitas? Auf Anfrage der SZ heißt es von Seiten der beiden Kindergartenleitungen aus Dettenschwang und Riederau bereits: "In beiden Einrichtungen haben wir dialektsprechende Mitarbeiterinnen, derzeit jedoch leider keine Kinder, die Dialekt sprechen." Damit haben sich auch Fragen nach der Dialektart und besonders häufig verwendeten Begriffen erledigt. Grundsätzlich könne man Dialekt im Kindergarten mit Literatur oder Liedern fördern. Und: "Dialektsprechende Kinder wären für uns eine Bereicherung und der Umgang damit eine Selbstverständlichkeit."

Für Kindergartenreferentin Sander ist die eigentliche Herausforderung bei den Kitas folgende: "Unser Problem ist momentan nicht, dass wir dialektsprechende Erzieherinnen oder Fachkräfte finden, sondern dass wir generell Fachkräfte finden."

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