Sport:"Du kriegst alles zurück, was du reinsteckst"

Sport: „Golf ist eine unfassbare mentale Anstrengung“: Zur Saisonmitte reagierte Jonas Kölbings Körper mit Stresssymptomen. Der Arzt empfahl ihm weniger Training und mehr Schlaf.

„Golf ist eine unfassbare mentale Anstrengung“: Zur Saisonmitte reagierte Jonas Kölbings Körper mit Stresssymptomen. Der Arzt empfahl ihm weniger Training und mehr Schlaf.

(Foto: Arlet Ulfers)

Jonas Kölbing aus Tutzing ist Golfprofi. Hinter dem Schein des lockeren Spiels an den schönsten Orten der Weltsteckt viel Arbeit. Der 32-Jährige spricht von einem knüppelharten, aber auch befriedigenden Beruf

Von Thorben Pollerhof, Starnberg

So ein Golfplatz hat etwas Meditatives. Die Stille wird nur vom rhythmischen Tick der Abschläge auf der Driving Range unterbrochen. Etwas abseits, ganz links auf dem Grün, steht Jonas Kölbing und schaut nach jedem Schlag auf ein kleines iPad, das er neben seiner vollgepackten Golftasche stehen hat. "Das zeigt mir an, wie der Schlag mit einem Wettbewerbsball ausgesehen hätte." Schließlich spielt Kölbing auf seinen Turnieren mit Bällen, die um die fünf Euro das Stück kosten. Für einen Ball im Golfclub Starnberg zahlt man lediglich zehn Cent. Kölbing ist Profi.

Der 32-jährige gebürtige Weilheimer ist über seinen Vater an den Sport gekommen. Mit ihm zusammen hat er auch ein Buch geschrieben mit dem Titel "Golf genial". "Ich spiele Golf seit ich zwei oder drei bin", sagt er. Vater Alexander war ständig auf dem Grün unterwegs, also auch sein Sohn. "Deswegen hatte ich auch alle meine Freunde auf dem Golfplatz", erinnert er sich.

Kölbing hatte auch immer schon die Unterstützung aus der Schule, vor allem am Tutzinger Gymnasium. "Mein Direktor Werner Hoffmann hat immer gesagt, er stellt mich für Turniere frei." Probleme in der Schule hatte er allerdings in Latein, Mathe und Physik. "Ich war ein guter Schüler, aber wegen dieser Fächer wäre ich fast durchgefallen."

Bis zu seinem 13. Lebensjahr hat Kölbing beim Golfclub Höhenpähl gespielt. Dann kam der Golfclub Feldafing mit einem Traumangebot um die Ecke: der Chance, mit einem Team aus talentierten Leuten in der Bundesliga zu spielen. "Erst bin ich als Caddy da hin, da war ich nämlich noch nicht gut genug. Es hat genau ein Vierteljahr gedauert, bis ich im Team war." Zwei Jahre später war er die Nummer eins.

Dann kam die große Pause vom Golf. "Zwischen 14 und 16 habe ich fast gar nicht gespielt." Der Grund: Counterstrike. Schwer zu glauben, aber zu dem Zeitpunkt hat Kölbing seine Tage hauptsächlich mit Computerspielen verbracht. Eine Zeit, die er besser hätte nutzen können, wie er im Nachhinein sagt.

Doch diese Phase dauerte nicht ewig an, und so fand Kölbing seine Liebe zum Golfspiel wieder. "Ich wollte ja nie Profi werden, weil das ein knüppelharter Beruf ist. Aber ich habe dabei unterschätzt, wie sehr ich das Spiel liebe."

Zu Kölbings größten Erfolgen zählt nicht nur der Gewinn der German PGA Championship 2016, sondern auch der zweite Platz bei den Deutschen Meisterschaften 2017. Zwei Jahre zuvor unterlag er bei den BB Masters in Berlin erst im Stechen Maximilian Kieffer um einen Schlag. Bereits 2007 durfte er dank einer Amateur-Wildcard vom Deutschen Golf Verband beim großen BMW International Open in München spielen. Kürzlich musste er sich hingegen nach einer guten ersten Runde gegen diverse Amateure geschlagen geben und war am Ende nur 23. "Aber gut, das ist Golf", das Thema hat er schnell abgehakt.

In der deutschen Nationalmannschaft hat er insgesamt zwei Jahre gespielt. "Aber ich war ein Badboy, die haben mich nicht so gerne da gesehen. Wenn ich dann von zehn Leuten die Nummer sieben war, dann war ich auch ganz schnell mal da raus." Trotzdem kann er nicht verleugnen: "Wenn du das erste Mal das Nationaltrikot anhast und auf der Driving Range stehst, dann fühlst du dich schon toll."

Und auch sonst war Golf schon immer fest im Leben von Kölbing verankert. Jobben im Golfladen, abgeschlossenes Fernstudium zum Golfmanager und natürlich die Ausbildung zum "Fully Qualified Professional" des Golfverbandes PGA. Damit ist Kölbing auch anerkannter Golflehrer und -profi. Denn das sind beides geschützte Berufe, die eben nur über diese Ausbildung erreicht werden können.

Das Leben als Golfprofi ist aber kein einfaches. Kölbing lebt aktuell von Preisgeldern und Sponsoren-Gehältern. Eine sichere finanzielle Basis war und ist das nicht immer. Damit umzugehen, musste er erst lernen. "Wenn man mit dieser Unsicherheit nicht klarkommt, dann kann man auch kein Golf spielen. Und das wollte ich immer, also musste ich es lernen." Trotzdem hatte der 32-Jährige während dieser Phase immer wieder mit Stress und Schlafstörungen zu kämpfen.

Auf der anderen Seite kann Kölbing durch seinen Beruf um den Globus reisen und auf den schönsten Golfplätzen der Welt spielen. "Besonders gerne spiele ich um Wien herum." Der Golfplatz Fontana hat es ihm angetan. Kein Wunder, ein riesiger Badesee grenzt an den Platz, es gibt einen integrierten Fitnessraum und auch diverse Tennisplätze - eben alles, was das Golferherz höherschlagen lässt. Schöne Plätze gebe es natürlich auch überall in Deutschland. Trotzdem bleibt der gebürtige Weilheimer, der derzeit in Tutzing wohnt, lieber im Landkreis. "Wieso sollte ich aus der schönsten Gegend Deutschlands wegziehen?"

Kölbings Stärken sind die Eisen, auf die er sich immer verlassen kann. "Das Spiel vom Fairway aufs Grün, das ist definitiv eine Stärke von mir". Auf der anderen Seite, sagt er, sei seine Erfahrung von Vorteil. Wie aufgeregt ist man, wie gut ist man gerade in Form? - Golf ist ein Kopfsport. Kölbing trainiert, wenn es denn geht, jeden Tag mehrere Stunden und versucht, an seinen Schwächen zu arbeiten. "Es gibt aber auch Phasen, da kannst du gar nicht trainieren, weil du jede Woche ein Turnier spielst."

Die Vorbilder des 32-Jährigen? "Tiger Woods fand ich immer super, und was der Martin Kaymer geleistet hat, ist auch krass." Die beiden kennen sich noch von früher aus dem Nationalkader und der Jugend, denn sie haben oft gegeneinander gespielt. "Der normalste Typ der Welt. 2012, kurz nachdem er den entscheidenden Ball im Ryder Cup gelocht hat, kommt er in Wörthsee auf mich zu und umarmt mich", sagt Kölbing.

"Mein Ziel für die Zukunft ist einfach zu schauen, wie weit ich damit komme", anwortet er auf die Frage, wie es denn weitergehen soll. "Natürlich will ich auf die European Tour, alles andere wäre Schwachsinn." Sein langfristiger Traum ist es aber, in den USA zu leben und Golf zu spielen. Seine große Leidenschaft für den Sport begründet er so: "Golf ist ein sehr erzieherischer Sport, weil du nur gegen dich selbst spielst. Du kriegst alles zurück, was du reinsteckst." Positiv und negativ.

Bei seinem Übergang vom Amateur zum Profi hatte Jonas Kölbing ein Handicap von +4.4.

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