Simone Rethel steht im Blaumann auf ihrer Terrasse. Sie macht sich gerade mit grüner Farbe an den Fensterrahmen ihres Hauses zu schaffen. Sie hat sich noch Etliches an Arbeit für diesen Tag vorgenommen. Schließlich soll alles einigermaßen in Schuss sein, wenn ihre Freunde zur Gartenparty kommen, um mit ihr den 75. Geburtstag zu feiern. Ein Gespräch mit der Schauspielerin, Malerin, Buchautorin und Fotografin über ihre Wünsche, über Haarfarbe, das Alter und über Diskriminierung im Schauspielberuf.
SZ: Sie werden an diesem Samstag 75 Jahre alt und haben noch kaum ein graues Haar. Glückwunsch! Liegt das bei Ihnen in der Familie?
Simone Rethel: Es kommt aus meiner Familie väterlicherseits. Meine Großmutter hatte sieben Geschwister. Sie selbst hatte schlohweißes Haar, aber alle anderen in der Familie sind sehr alt geworden und hatten bis ins hohe Alter alle dunkle Haare. Wenn ich schöne, weiße Haare hätte, das fände ich toll.
Auf Ihrer Homepage experimentieren Sie mit einer grauen Perücke. Was versprechen Sie sich davon?
Das Thema beschäftigt alle Berufskolleginnen von mir: Wenn man die Zeichen des Alters sieht, werden die Angebote weniger. Bei mir kommt allerdings hinzu, dass die Leute immer sagen: „Du siehst zu jung aus für dein Alter.“
Die meisten Menschen würden sich freuen über die Tatsache, jünger auszusehen. Für Sie scheint das ambivalent zu sein. Warum?
Privat finde ich es natürlich großartig, dass ich jünger aussehe. Aber wenn berufliche Angebote immer wieder daran scheitern, ist das ein Problem. Ich höre von meiner Agentin häufig den Satz: „Die Verantwortlichen haben sich für jemanden entschieden, der älter aussieht.“ Das ist falsch. Heute schaut eine Frau mit 70 nicht mehr aus wie ’ne alte Oma. Aber die Verantwortlichen haben noch im Kopf: Wenn du 70 bist, musst du gebrechlich sein und alt aussehen. Man ist einfach jugendlicher heute. Wir werden ja älter als früher. Man darf nicht vergessen: Etliche Leute werden heute schon 100.
Haben ältere Männer es im Schauspielberuf leichter als Frauen?
Ja, eindeutig. Zwar ist das Rollenangebot auch für sie reduzierter, aber nicht so sehr wie bei uns. Vielleicht spielt die Tatsache auch eine Rolle, dass Männer bis ins hohe Alter zeugungsfähig sind und darum als Mann noch mehr gelten. Als Frau jedoch wird man auch in seinem Frausein nicht mehr recht wahrgenommen, wenn man älter ist.
Empfinden Sie den Umgang mit älteren Menschen in Ihrem Beruf als diskriminierend?
Absolut. Ältere Menschen werden kaum mehr besetzt. Angeblich gibt es sogar eine Studie, die besagt, dass auch ältere Leute lieber junge Menschen im Fernsehen sehen. Ich glaube das nicht. Denn gerade das Fernsehen ist das Medium für die ältere Generation. Die Jungen schauen gar nicht fern, sie streamen, haben meist gar keinen Fernseher. Insofern ist das Werben um junge Zuschauer eh illusorisch. Und auf den Handydisplays der jungen Leute sind auch nicht unbedingt gelernte Schauspieler zu sehen.
Sehen Sie Ihren Berufsstand in Gefahr?
Wenn Sie mich so fragen, in gewisser Weise ja. Den Schauspielberuf muss man richtig erlernen und man legt darin auch eine Prüfung ab. Dieser Beruf wird jetzt von Leuten gekapert, die ihn nicht erlernt haben und die plötzlich die tollsten Rollen spielen – weil sie Influencer sind, Köche oder sonst etwas. Die nehmen uns den Arbeitsplatz weg.

Das Thema Alter spielt in Ihrem Leben schon lange eine wichtige Rolle. Schließlich war Ihr Mann Johannes „Jopie“ Heesters 46 Jahre älter als Sie, selbst seine Tochter aus erster Ehe, die Schauspielerin Nicole Heesters, ist noch zwölf Jahre älter als Sie. Dennoch hat die Jugend längst auch in der Familie Heesters Einzug gehalten. Schließlich haben die beiden Töchter Nicole und Wiesje Heesters auch Kinder...
Ich bin dreifache Oma und sogar fünffache Urgroßmutter – ohne viel dazu getan zu haben. Aber, was das Beste ist: Wir sind alle sehr, sehr befreundet. Zu Weihnachten beispielsweise hat meine Enkelin Saskia uns allen Patenschaften für Tiere geschenkt, die vor dem Schlachter gerettet wurden. Ich hab’ das Schwein Willi bekommen.
Und wie geht’s dem guten Willi heute?
Dem geht’s gut. Unsere ganze Familie hat kürzlich ihre geretteten Tiere im „Land der Tiere“, einem Schutzzentrum in Mecklenburg-Vorpommern, besucht. War ein herrlicher und obendrein lehrreicher Familienausflug. Ich war jedenfalls ganz geplättet, wie groß so ein Schwein wirklich ist.
Sie haben auch drei Bücher über das Alter geschrieben. In zweien davon – „Sag nie, du bist zu alt“ und „Alterslos – Grenzenlos“ – haben Sie Menschen interviewt, die vorleben, dass sie nach ihrem Eintritt in das Rentenalter weiterarbeiten. Ist das auch Ihr Credo?
Ja, unbedingt. In dem Buch geht es um Menschen, die den Ruhestand nicht annehmen, die weitermachen. Das finde ich richtig. Denn sie werden gebraucht, nehmen am Leben teil und denken nicht über Wehwehchen nach. Erst wollte der Verlag das Thema nicht in einem Sachbuch haben, aber dann hat er gerade damit geworben.
Wie feiern Sie Ihren Geburtstag am 15. Juni?
Erst wollte ich gar nicht groß feiern. Doch jetzt merke ich, dass es immer mehr Gäste werden – so 65 oder 70. Geplant ist eine Gartenparty mit Grillen. Es wird sicher viel zu futtern geben. Viele Freunde wollen auch was mitbringen. Sollte das Wetter nicht mitspielen, werden Heizstrahler aufgestellt und man weicht so gut es geht unter Markisen und Vordächer aus – und reingehen kann man ja auch.

Was wäre ein schönes Geschenk?
Eine Straße in Starnberg, die man nach Jopie benennt. Schließlich hat mein Mann an die 70 Jahre in Starnberg gelebt. Da wäre es an der Zeit, dass die Stadt Starnberg eine Johannes-Heesters-Straße macht. Meine persönliche Idee wäre aber noch simpler: Man macht einfach das kleine Rondell direkt vor unserem Haus zum Johannes-Heesters-Platz. Dafür müsste man nicht einmal eine Straße umbenennen. Und alles wäre gut.