"Ein Kind kommt noch, auf das müssen wir noch warten." Es ist kurz vor acht Uhr morgens, die Autos zwängen sich in Kolonnen durch die Bahnunterführung in der Pentenrieder Straße, Silke Bürkle-Schiffbauer steht in neongelber Warnweste und mit Schülerlotsen-Kelle neben der Ampel an der Bergstraße. Als sie das dunkelhaarige Mädchen auf dem Fahrrad kommen sieht, lächelt sie wissend. "Wir kennen unsere Pappenheimer", sagt sie.
Seit fünf Jahren steht die Krankenschwester hier jeden Morgen bei Wind und Wetter und begleitet Kinder und Eltern, Jogger und Senioren über die Straße. "Weil es mir Spaß macht", wie die 52-Jährige sagt. Als ihr fünftes Kind eingeschult wurde, hat sie mit dem Ehrenamt begonnen. Inzwischen besucht der eigene Nachwuchs weiterführende Schulen oder arbeitet. Sie macht trotzdem als Schulweghelferin weiter. "Ich gehe morgens mit den Kindern aus dem Haus, das passt." Die knapp hundert der insgesamt etwa 250 Grundschüler, die hier die Bergstraße queren müssen, kennen sie gut. Sie zeigen ihr stolz die frische Zahnlücke, den dekorierten Geburtstagskuchen oder sind dankbar, wenn Bürkle-Schiffbauer nach einem Sturz auf dem Schulweg die Tränen trocknet. Sie kann aber auch schimpfen, etwa wenn die Kinder nicht abwarten, bis sie mit ausgebreiteten Armen auf der Straße steht, wenn sie in ihrem Rücken über die Straße wollen. "Viel zu gefährlich."
An diesem Dienstag steht sie zusammen mit Anne Cerny an der Kreuzung, mittags wird hier nur noch eine Person auf die Kinder aufpassen. "Es fehlen mir die Leute", klagt Bürkle-Schiffbauer. Im vergangenen Jahr bestand das Lotsenteam aus 18 Personen, darunter zwei Papas und drei Senioren. Von September werden es nur mehr 17 ehrenamtliche Helfer sein. Damit kann Bürkle-Schiffbauer die insgesamt sieben Lotsen-Standorte nicht mehr durchgehend, also sowohl morgens als auch nach Schulschluss jeweils um 11.20, 12.20 und 13.05 Uhr sowie am Nachmittag besetzen. Zwar kämen dann nicht mehr so viele Schüler an die Kreuzungen, doch die Gefahr, dass diese von anderen Verkehrsteilnehmern nicht gesehen werden, sei damit nur größer. "30 Kinder sieht der Autofahrer leichter als vier." Bürkle-Schiffbauer sucht dringend Verstärkung, "morgens fehlt ein Schulweghelfer, mittags vier."
Grundsätzlich sei der Lotsendienst sehr einfach und nach einer knappen halben Stunde auch schon wieder vorbei. Die Einweisung übernimmt die Polizei, die Ausrüstung von der Winterjacke bis zum Sonnenschutz stellt die Gemeinde. Zudem gibt es pro Einsatz eine Aufwandsentschädigung von sechs Euro und zum Schuljahresende spendiert Bürgermeister Rudolph Haux ein Essen. Ihm ist die Schulwegsicherheit ein großes Anliegen. "Es ist kein aufwendiges Ehrenamt, aber eines der wichtigsten", sagt er. Seine Frau Kathrin steht einmal in der Woche an einem Straßenübergang, "der Aufwand ist minimal". Bürkle-Schiffbauer sagt, sie freue sich auch über Interessenten, die nur einen wöchentlichen Dienst anbieten können ebenso wie über jene, die jeden Morgen im Einsatz sind. Senioren seien genauso willkommen wie junge Väter, Mütter oder Studenten. Die Gemeinde hat eigens die Email-Adresse schulweghelfer@krailling.de eingerichtet, auf die auch Bürkle-Schiffbauer Zugriff haben soll, welche schließlich die Einteilung übernimmt und auch in Krankheitsfällen spontan Ersatz organisiert.
Es ist schon kurz nach acht, als noch ein Junge mit Ranzen angelaufen kommt, die Mutter rennt voraus. Die Ampel steht auf Rot. Die Mutter blickt schnell nach rechts und links und rennt über die Straße, den Jungen kann Silke Bürkle-Schiffbauer noch zurückhalten. Sie schüttelt den Kopf. "So viel Zeit muss sein."