Landgericht München:"Provokation der Liebe"

Ein Fahrgast der S 6 soll eine 18-Jährige auf dem Bahnhofsplatz in Gauting sexuell bedrängt und versucht haben, der jungen Frau das Handy wegzunehmen.

Als er 2014 seine Heimat verließ, habe er ein Ziel gehabt, sagt Simon S. Er habe in einem europäischen Land eine Lehre als Glaser absolvieren wollen. Zunächst lebte der 29-Jährige sechs Jahre in Italien. Er hatte einen Job in einer Glaserei. Aus der Lehre wurde jedoch nichts. 2020 reiste er nach Deutschland, weil hier ein Verwandter von ihm lebt. Doch genauso wenig wie in Italien gelang es Simon S. hier seinen Plan umzusetzen. Und nun steht für ihn fest: "Ich will unbedingt zurückkehren", wie er am Montag vor der 3. Strafkammer am Landgericht München II sagte. Doch das dürfte nicht leicht werden. Die Staatsanwaltschaft hat S. wegen sexueller Nötigung, versuchten Diebstahls sowie wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte angeklagt. Er soll in den frühen Morgenstunden des 28. Oktober vergangenen Jahres auf dem Bahnhofsplatz in Gauting eine 18-Jährige sexuell bedrängt und versucht haben, der Schülerin das Handy wegzunehmen. Simon S. bestritt die Vorwürfe zum Auftakt des Prozesses. Es sei alles ganz anders gewesen.

Er sei mit einem Freund aus Fürstenfeldbruck unterwegs gewesen. Dieser soll die 18-Jährige in der S 4 in München angesprochen haben. "Das Mädchen ist schön, ich möchte sie haben", habe sein Freund zu ihm gesagt, sei dann aber in Pasing ausgestiegen. Als die 18-Jährige in die S 6 nach Starnberg umgestiegen sei, sei er ihr gefolgt, so Simon S. Während der Fahrt habe er zu ihr gesagt, sie solle ihm ihre Telefonnummer geben. Das tat die 18-Jährige aber nicht. Nachdem sie die S 6 in Gauting verlassen hatte, eskalierte die Situation. Laut Anklage hat die junge Frau den Angeklagten aufgefordert, sie in Ruhe zu lassen, ansonsten werde sie die Polizei verständigen. Simon S. soll ihr dennoch weiter gefolgt sein, sie gepackt, umarmt und zu Boden geworfen haben. Die 18-Jährige soll sich jedoch so vehement gewehrt haben, dass es ihr gelang, aufzustehen und über ihr Handy die Polizei zu alarmieren. Da Simon S. dies bemerkte, soll er ihr das Handy abgenommen und davongerannt sein. Doch die 18-Jährige rannte ihm hinterher und nahm ihm das Mobiltelefon mithilfe eines Zeugen, der den Vorfall mitbekommen hatte, wieder ab. Beim Eintreffen der Polizei wurde der 29-Jährige vorläufig festgenommen. Auf der Inspektion soll er sich massiv gegen seine Festnahme gewehrt haben und einen Polizeibeamten leicht verletzt haben.

Nach Einschätzung von Ärzten leidet Simon S. an paranoider Schizophrenie. Dennoch geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass seine Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit zwar "sicher erheblich vermindert, jedoch nicht aufgehoben" gewesen sei, wie es in der Anklageschrift heißt. Simon S. bezeichnete die mutmaßliche Tat als eine "Provokation der Liebe", die sein Freund ausgelöst habe. Der Prozess wird fortgesetzt.

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