Über rote Leitern auf die Decks klettern, durch Bullaugen schauen und dem Flair vergangener Zeiten nachspüren, das war auf der Andechs kürzlich ausnahmsweise auch für die Öffentlichkeit möglich. Normalerweise ist der frühere Dampfer ein nur für Mitglieder zugängliches Vereinsheim der Bayerischen Seglervereinigung (BSV). Seit 1980 ist die Andechs ein eingetragenes „bewegliches Denkmal“. Ihr Erhalt steht aber erneut auf der Kippe. Das Motto „Wert-voll: unbezahlbar oder unersetzlich?“ der Deutschen Stiftung Denkmalschutz zum Tag des offenen Denkmals in diesem Jahr konnte daher kaum passender sein.
Das 1907 in Stegen am Ammersee vom Stapel gelaufene Schiff liegt am Ende des Vereinssteges in Utting, hat eine Handbreit Wasser unterm Kiel und bewegt sich auch. Mit mehr als 400 Besuchern, darunter viele Einheimische, kamen weit mehr Interessierte als erwartet. Viele lauschten den stündlichen Vorträgen zur Dampf-Schifffahrt auf dem Ammersee oder machten bei einer Schiffsführung mit. Im Dampfer ist einiges noch im Original erhalten, wie Verzierungen an den Treppenstufen oder die Ruder- und die Ankeranlagen. Die sonstige Ausstattung ist schlicht, der BSV will kein elitärer Segelclub sein, sondern allen die Möglichkeit geben, Segeln zu lernen und den Segelsport mit den vereinseigenen Booten auszuüben.
Beim Rundgang zeigt sich an vielen Stellen deutlich: Die Andechs rostet. Und sie rostet so stark, dass eine teure außerplanmäßige umfassende Sanierung nötig ist. „Vom Kiel müssen wir siebzig Prozent ersetzen“, berichtet Vorsitzender Friedrich Schweizer. Mit ein Grund sei, dass der Stahl, der Anfang des 20. Jahrhunderts verwendet wurde, aus mehreren Schichten bestehe und von innen heraus rosten könne. Bei den modernen Stahlarten seien die Rostschäden an der Oberfläche und könnten leichter behoben werden. Schweizer beziffert die geschätzten Kosten der geplanten Sanierung in Summe auf 680 000 Euro. „Die Andechs ist in einem bedrohlichen Zustand“, sagt er, aber die grundsätzliche Substanz sei gut.
Gestartet wurde deshalb eine große Spendenaktion. Auch vom Denkmalamt wird es Mittel geben. Der Antrag ist eingereicht, sagt Schweizer. Er hofft auch auf eine Unterstützung von Firmen. Denn diese Summe kann der Verein nicht aus seinen Rücklagen aufbringen, die aus den Einnahmen der Segelkurse und den moderaten Mitgliedsbeiträgen der etwa vierhundert Mitglieder generiert werden. Die Sanierung der Andechs hat bereits mehrfach viel Geld verschlungen und jährlich sind unzählige ehrenamtliche Arbeitsstunden nötig, dennoch kommt für Schweizer nur ein Erhalt infrage, schließlich sei die Andechs „die Seele des Vereins“. Der Vorsitzende hat schon als Kind viel Zeit auf dem Schiff verbracht und möchte das Industriedenkmal für die nächste Generation erhalten.


Gründungs- und Ehrenmitglied Bärbl Mehnert-Jäger, die mit 92 Jahren immer noch segelt, berichtet: „Die Andechs hat sich nicht groß verändert“. Als größte Neuerung nennt sie den Einbau von Toiletten an Bord mit Anschluss an die Ringkanalisation im Jahr 1996. Vorher mussten die Seglerinnen und Segler an Land, denn die Brauerei Löwenbräu gestattet es 1956, die sanitären Anlagen der nahen Gaststätte „Hexenhäusl“ zu nutzen. Auch ein Steg durfte damals gebaut werden und seither liegt die Andechs am Ende des Bootsstegs im Uttinger Freizeitgelände, bei schönem Wetter Alpenblick inklusive.



Die Andechs lag 1945 am Holzhauser Steg, die Schifffahrt auf dem Ammersee war eingestellt, und versank dort im Wasser, erzählt Katrin Nill-Junick. 1947 ging die Schifffahrt auf dem See wieder los. Der Dampfer, geheizt wurde die Dampfmaschine mit Kohle, war in keinem guten Zustand und wurde deshalb 1955 ausgemustert. Der Kauf der Andechs 1956 zum Schrottpreis von 8000 D-Mark war damals aus der Not geboren, denn der 1949 gegründete BSV war heimatlos geworden. Der Verein finanzierte ihn durch den Verkauf der Schaufelräder und der Dampfmaschine für 3000 Mark, sowie mit einem Zuschuss von 5000 D-Mark vom Innenministerium. Ein zweites Leben begann für den Dampfer, der seine geplante Lebenszeit damals schon erreicht hatte. Seither hat das Schiff keinen eigenen Antrieb mehr und muss mit zwei Motorbooten in die Werft nach Stegen geschleppt werden. Schon 1965 musste die Andechs das erste Mal in der Werft überholt werden, es folgten weitere Überholungen und Sanierungen.

Hafenmeister Robert Rohrmeier, der als 22-Jähriger einen Segelkurs machte und so zum Verein kam, zeigt besorgt die Schäden an der Bilge: „Hier stand das Wasser zehn Zentimeter hoch.“ Sein Ziel ist es, den Dampfer für die nächsten 25 Jahre fit zu machen: „Wir müssen das Schiff dicht bekommen“. Das Wasser dringt beispielsweise bei starkem Regen von oben mutmaßlich über die Wallschiene ein und sammelt sich innen unten im Rumpf. Bei der jetzt anstehenden Sanierung soll in Absprache mit dem Denkmalamt eine technische Veränderung kommen. Die Wallschiene, im Original aus Eiche, soll aus Aluminium gefertigt und mit einem Eichenbelag versehen werden. Wenn alles gut geht, wird die Andechs im Juni kommenden Jahres zum 75-jährigen Vereinsjubiläum – die Eintragung in Vereinsregister zog sich bis 1951 hin – wieder am Steg in Utting liegen.
Informationen zur Spendenkampagne gibt es online unter bsv-ammersee.de/rettet-die-andechs

