Segelmacherin am Starnberger See:Guter Stoff

Luise Zachmann repariert in Percha nicht nur Segel und fertigt Persennings nach Maß, sie schneidert aus dem robusten Material auch Taschen - ihre "StarnBags". Die 45-Jährige geht jedoch selbst nicht aufs Wasser.

Von Sabine Bader

Wer den Hinterhof in Percha betritt, denkt unweigerlich an den Schreinermeister Eder und seinen Pumuckl. Es sieht dort nämlich ganz ähnlich aus. Nur dass der Hof eben nicht im Münchner Lehel liegt, wo die Fernsehserie Pumuckl gedreht wurde, sondern in Percha zwischen der Würmstraße und der Autobahn. Und natürlich, dass sich hinter der Eingangstür keine Schreinerwerkstatt befindet, sondern eine Segelmacherei.

Wer die Werkstatt von Luise Zachmann betritt, der sieht es sofort: Die Frau hantiert mit ziemlich unhandlichen Trümmern. Und eine zweite Frage drängt sich auch gleich auf: Wie um alles in der Welt hat sie die riesige Arbeitsplatte in die Werkstatt reingekriegt? Denn die Eingangstür ist nicht gerade überdimensioniert. Dieses Rätsel löst Zachmann schnell: Die 25 Quadratmeter große Platte, die nahezu die gesamte Werkstatt für sich beansprucht, kann man zerlegen. Ein Bootsbauerkollege habe ihr geholfen, sie umzuziehen, sagt sie. Umziehen deshalb, weil die 45-Jährige zuvor ihre Werkstatt in der Starnberger Maximilianstraße gehabt hatte. Dort war bereits eine Segelmacherei, die hat sie dann übernommen.

Zachmann, die heute mit ihren beiden Maine-Coon-Katzen Flusi und Ludewig in Mörlbach lebt, ist gebürtige Münchnerin. Dort ist sie auch aufgewachsen, hat die Schule besucht und mit der Mittleren Reife abgeschlossen. Schon vorher war für sie klar: "Ich will Schneiderin werden." Sie absolvierte dann die dreijährige Schneiderlehre in einem Schwabinger Betrieb. Als Gesellin hat sie danach zwei Jahre Maßanfertigungen aus Leder hergestellt, was sie sehr interessant fand. Seit 21 Jahren ist sie nun Schneidermeisterin, seit 15 Jahren übt sie den Beruf am Starnberger See aus. Längst hat sie sich auf die Bereiche Bootsausbau und -ausstattung spezialisiert. Das heißt, sie repariert Segel aller Art, fertigt neue Persennings nach Maß an sowie Polster und Liegeauflagen für Kajütboote. Neue Segel macht sie nicht. Für diesen Zweck arbeitet sie mit der Firma "Fritz-Segel" aus Prien am Chiemsee zusammen.

Starnberg Segelmacherin Luise Zachmann

"StarnBag" heißt ihre Marke. Für die Produkte recycelt Luise Zachmann Segel.

(Foto: Nila Tiel)

Und dann sind da noch die Taschen, Beutel, Seesäcke, Kulturbeutel, Schminktäschchen und modischen Handtaschen, die sie ebenfalls herstellt. "StarnBag" heißt ihre Marke, und sie recycelt dafür Segel, die nicht mehr zum Segeln verwendet werden können. "Upcycling" nennt man das, wenn aus Recycelmaterial etwas Neues, Höherwertiges hergestellt wird. Die bunten Utensilien, die in einem Regal an der Wand stehen, sind aus UV-stabilem und wasserfestem Material. Letzteres ist vor allem beim Segeln wichtig, denn wer zieht schon gerne ein nasses T-Shirt an, setzt sich eine triefende Kappe auf den Kopf oder kramt eine völlig durchweichte Semmel aus der Tasche. Verziert sind die bunten Beutel und Taschen mit Vögeln, Delfinen, Drachen, Sternen oder Schlangen. Zachmann verkauft sie alljährlich auf Weihnachtsmärkten oder in der Werkstatt. Sie kosten zwischen zehn und 120 Euro. Und der Absatz scheint reißend zu sein, denn die 45-Jährige muss sich jetzt schon ranhalten für die Weihnachtsproduktion. Aus demselben Material sind auch die Ordnungssysteme, die man an die Schiffswand hängen und darin Utensilien an Bord aufbewahren kann.

Apropos Wände. Überall in der Werkstatt sind Regale. Einige sind übersät mit kleinen Kästchen, in denen Ösen, Nieten, Schließen, Beschläge und Karabiner in allen erdenklichen Größen aufbewahrt werden. In einem anderen Regal liegen große Rollen mit Segeltuch. An einer Wand hängt ein selbst gemaltes Bild. Es zeigt einen bunten Schwan. Schon in ihrer Ausbildung hat sich Zachmann mit Farbkomposition beschäftigt, was sie spannend fand. Heute malt sie auch sehr gerne, ausgestellt hat sie ihre Bilder allerdings noch nicht. Am großen Werkstattfenster hängt eine ebenfalls bunte Gebetsfahnen, die Zachmann aus einem buddistischen Kloster in Sibirien mitgebracht hat.

Starnberg Segelmacherin Luise Zachmann

Handlicher sind da die Taschen und Beutel, die die 45-Jährige meist aus recyceltem Segeltuch fertigt.

(Foto: Nila Thiel)

Die 45-Jährige fertigt übrigens auch Sonnensegel für den Garten an oder Abdeckungen für Gartenmöbel. Und, Autofans aufgepasst, sie repariert Oldtimer-Dächer. Wer die Handwerkerin im Sommer besucht, dessen Blick fällt unwillkürlich auf ihre mit Tattoos übersäten Arme und die vielen Ohr-Piercings. Nun, die Piercings trägt sie als Schmuck, die Tattoos aus Überzeugung. Denn die Darstellungen haben viel mit ihr selbst als Mensch zu tun, sagt sie. Sie übersetzen praktisch ihre persönliche Geschichte in Bildsprache. Was sie allerdings nicht will, ist, auf diese Optik reduziert zu werden. "Da würde eine falsches Bild vermittelt", findet sie. "Wer mich fragt, mit dem rede ich schon darüber. Aber ansonsten geht es mir um meine Arbeit."

Dass die Segelmacherei einer Frau schon kräftemäßig einiges abverlangt, weiß jeder, der schon mal versucht hat, das Großsegel eines Drachens oder eine Persenning von A nach B zu schleppen. Die können nämlich gut und gern bis zu 30 Quadratmeter haben und 25 Kilogramm oder mehr wiegen. Da heißt es Zähne zusammenbeißen. "Ja, es ist eigentlich ein Männerberuf", sagt Zachmann. Und dennoch: "Ich bin sehr glücklich mit dem, was ich tue." Denn "das schöne an dieser Arbeit ist, dass sie so vielseitig ist". Darüber hinaus biete der Starnberger See einen "so wunderschönen Arbeitsplatz". Luise Zachmann arbeitet nicht immer in der Werkstatt. Sie muss auch oft herumfahren, zu den Seglern und auf ihren Booten Polster oder Persennings abmessen oder fertige Segel liefern. Oft sind ihre Kunden aus der näheren Umgebung, zu ihnen fährt sie dann mit Segeln im Gepäck. Natürlich kommen etliche auch vom Tegernsee, Chiemsee oder Bodensee, selbst am Gardasee war sie schon aus beruflichen Gründen. Und das alles mit einem ganz normalen Opel. "Er ist ein echtes Raumwunder", sagt sie. Wegen der Auswärtstermine ist ihre Werkstatt auch nur nach Vereinbarung geöffnet - an fünf bis sieben Tagen in der Woche.

Starnberg Segelmacherin Luise Zachmann

Das Segel, das Luise Zachmann auf ihrem Arbeitstisch in Percha ausgebreitet hat, nimmt fast die ganze Fläche ein.

(Foto: Nila Thiel)

Wer strapazierfähiges Material wie Segel nähen will, braucht nicht nur einen reißfesten Faden, sondern auch eine Nähmaschine, die dies bewerkstelligen kann. Drei solche Maschinen hat Zachmann in ihrer Werkstatt. "Sie alle machen unterschiedliche Stiche", sagt sie, die sich seinerzeit für gebrauchte Maschinen entschieden hat. "Denn die gehen nicht kaputt." Hinzu kommt noch ein Hackstock aus Holz, denn "ich brauche eine stabile und zugleich weiche Unterlage zum Ösenschlagen".

Und noch eines: Luise Zachmann ist selbst keine Seglerin - aus Zeitgründen wie sie sagt. Aber sie hat einen Segel- und Motorbootschein. Das wiederum würde den pfiffigen Kobold Pumuckl freuen. Der ja als Klabautermann ein Schutzpatron der Schiffe ist. Gut würde er auch finden, dass sich in der Werkstatt Zachmanns früher tatsächlich eine Schreinerei befunden hat. Der Pumuckl würde wohl mit seinem roten Strubbelhaar in seiner Schiffschaukel unter den buddistischen Gebetsfahnen wild auf- und abschaukeln und sein Lieblingsgedicht rezitieren: "Pumuckl neckt, Pumuckl versteckt und niemand was meckt."

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