Einen heiklen Beschluss muss der Seeshaupter Gemeinderat in der kommenden Woche fassen: Er muss über den Antrag der Telekom auf Errichtung eines Mobilfunk-Sendemastes im Ortsgebiet entscheiden. Vor einem Jahr hatte das Unternehmen angekündigt, auf dem posteigenen Gebäude in der Bahnhofstrasse einen Sender zu installieren, sich dann aber auf das sogenannte "Dialogverfahren" eingelassen. Die Gemeinde bekam dadurch Zeit, selbst nach besseren Standorten zu suchen, der Gemeinderat gab einstimmig ein entsprechendes Gutachten in Auftrag. Das Umweltinstitut München empfiehlt darin einen Sendemast in dem Wäldchen beim Friedhof.
In einer außerordentlichen Bürgerversammlung war das Gutachten jetzt vorgestellt worden. Die 130 Zuhörer konnten nicht nur den ausführlichen Vortrag von Hans Ulrich Raithel vom Umweltinstitut München hören, sondern auch ein Alternativgutachten des von Verein Bürgerwelle beauftragten EMF-Instituts in Köln. Das Umweltinstitut hatte im Auftrag der Gemeinde 13 mögliche Standorte sowie drei von der Bürgerwelle benannte Stellen untersucht. Raithel betonte, dass Strahlungs-Grenzwerte höchst umstritten seien, eindeutige und allgemein anerkannte Werte gebe es nicht. Dennoch sei dem Gesetzgeber in den letzten Jahren die Vorsorge für den Schutz der Bürger vor zu hoher Strahlung immer wichtiger geworden, es gebe durchaus entsprechende Gerichtsurteile. Andererseits steige die Nachfrage nach Mobilfunkversorgung und deren Nutzung stark an. Durch einen Mast im Friedhofswald gebe es die geringste Belastung in Relation zu einer flächendeckenden Versorgung. Peter Nießen vom EMF-Institut in Köln favorisiert dagegen einen neuen Mast auf dem Bootssteg des Yachtclubs, zusätzlich solle der bestehende Sender auf dem Postberg bei Hohenberg aufgerüstet werden. Die in Mastnähe auftretende Hauptbelastung könne auf dem See wenig Schaden anrichten, die Versorgung im Ort sei jedoch gleichmäßig. Er gab zu, dass die Abdeckung durch einen Sender beim Friedhof besser wäre, doch das, so Nießen, sei ohnehin unnötig, weil sie mehr umfasst, als von der Rechtsprechung gefordert. Der auf Mobilfunkthemen spezialisierte Rechtsanwalt Frank Sommer, der die Gemeinde berät, verwies darauf, dass die Telekom grundsätzlich Baurecht hat, außerdem das Recht ihre wirtschaftlichen Interessen zu verfolgen. Die Gemeinde habe keine Entscheidungsbefugnis über Grenzwerte oder Versorgungsbedarf. Sie könne höchstens auf den Standort eines Mastes Einfluss nehmen. Den Vorschlag der Bürgerwelle sah er jedoch mit großer Skepsis: Über einen Funkmast im See habe die Gemeinde Seeshaupt nicht zu entscheiden, das könne nur die Schlösser- und Seenverwaltung.
Auch im Publikum zeichnete sich kein eindeutiges Stimmungsbild ab: Wolfgang Weber als Vertreter der Bürgerwelle erinnerte noch einmal an die Gefahren eines ständig strahlenden Senders, wer könne heute schon abschätzen, wie Kinder, die ihr Leben lang Funkwellen ausgesetzt sein werden, in 80 Jahren reagieren? Bürgermeister Bernwieser erwartet, dass der Gemeinderat der Empfehlung des Umweltinstituts folgt, auch die Telekom werde wohl einverstanden sein, da eine deutliche Verbesserung erreicht werden könne. Mit dem Dialogverfahren habe der Gemeinderat alles versucht, die Situation zu optimieren.